Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen
Das amerikanische Kino liebt Helden und ihre Geschichten.
Wie selbstverständlich denkt man dabei an gestandene Männer, die gen Westen
reiten, Verbrecher jagen oder in den Weltraum fliegen, um fremde Galaxien zu
erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Dass zu Letzterem auch eine
Reihe unbekannter Heldinnen einen wichtigen Beitrag geleistet haben, dürfte nur
den wirklich eingeweihten Kennern des amerikanischen Weltraumprogramms bekannt
sein. Dieser Film erzählt ihre Geschichte.
Die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren das Jahrzehnt
des „Space Race“ – Russen und Amerikaner arbeiteten fieberhaft daran, einen
Menschen auf den Mond zu befördern. Es war aber auch das Jahrzehnts der
Rassenunruhen in den USA, der fortschreitenden Emanzipation der Frau und
allgemein der Beginn eines weitreichenden gesellschaftlichen Wandels.
Unter Präsident Lyndon B. Johnson wurde zwischen 1964 und
1968 die Rassentrennung zwar offiziell aufgehoben und der afroamerikanischen
Bevölkerung die vollständige verfassungsrechtliche Gleichberechtigung
zugesprochen. Ein gleichberechtigtes Leben war aber noch lange nicht
selbstverständlich, jeder einzelne Schritt war ein mühsamer Kampf, um Teilhabe,
um Anerkennung, um Selbstverständlichkeiten, wie dieselbe Toilette benutzen zu
dürfen. Wer es also geschafft hat, in dieser Zeit mit afroamerikanischen
Wurzeln und als Frau Karriere im Raumfahrtprogramm zu machen, der musste
schon Außergewöhnliches leisten, um überhaupt eine Chance zu haben.
Und genau dies gelingt den Protagonistinnen des Films
„Hidden Figures“, den drei mathematisch und naturwissenschaftlich hoch begabten
Frauen Katherine Johnson (Taraji P. Henson), Dorothy Vaughan (Octavia Spencer)
und Mary Jackson (Janelle Monáe), als sie einen entscheidenden Teil dazu
beitragen, dass John Glenn als erster US-Astronaut die Erde umrundet – und heil
zurückgebracht wird.
Kurz vor Einsatz des ersten IBM Computers bewältigen Scharen
von Mathematikern und eben auch Mathematikerinnen unendlich lange Rechenoperationen
mit Stift und Papier. Dabei beweist Katherine Johnson ein mathematisches Genie,
das es erst zu entdecken gilt, denn selbstverständlich begegnen ihr die
männlichen Kollegen und Konkurrenten – allen voran der von Jim Parsons
dargestellte Paul Stafford – mit abgrundtiefer Skepsis. Erst als sie ihren Chef
Al Harrison (Kevin Kostner) überzeugt hat, vertraut man ihr so sehr, dass der
Astronaut John Glenn erst nach ihren Berechnung bereit ist („Get the girl to
check the numbers“), in den Orbit aufzusteigen, und das, nachdem das erste IBM
Ungetüm bereits seinen Dienst aufgenommen hat.
Dorothy Vaughan, die bereits seit langem Führungsaufgaben
wahrnimmt, allerdings ohne den dazugehörigen Status und ohne das entsprechende
Gehalt, gelingt es, sich als erste Frau mit den neuen Aufgaben, die durch die
Inbetriebnahme von Computern entstehen, vertraut zu machen und die drohende
Arbeitslosigkeit ihrer rechnenden Kolleginnen durch Computerschulungen
abzuwenden, während Mary Jackson ein Hindernis nach dem anderen ausräumt, bis
sie es ebenfalls schafft und als Ingenieurin anerkannt wird.
„Hidden Figures“ – der Titel spielt auf die im Verborgenen
agierenden Heldinnen an, aber auch auf die komplizierten Rechenoperationen, die
von ihnen bewältigt wurden – setzt allen Menschen ein Denkmal, die jedem
Widerstand zum Trotz ihre Wünsche und Ziele verfolgen, unabhängig von
Geschlecht oder Hautfarbe. Dabei bleibt der Film unterhaltsam und schüttelt
jegliche Schwere ab, die dem Thema innewohnt. Leicht und mit einer Portion
(Galgen)Humor durcheilt er so eine Dekade, die für Vieles den Startschuss gegeben hat.
Eine Menge ist seither erreicht worden, die heute absurd
anmutenden Auswüchse der Rassen- und Frauendiskriminierung sind in vielen
Bereichen überwunden, aber ist die Szene, in der Katherine Johnson an ihrem
ersten Arbeitstag als neue Putzfrau angesehen wird und von den Kollegen
zunächst einmal einen nicht geleerten Papierkorb in die Hand gedrückt bekommt,
heute wirklich undenkbar? Es bleibt also genug zu tun, so dass man sich noch
nicht zurücklehnen kann – außer in
seinem Kinosessel, um sich nach dem Film immer wieder sagen zu können: Genie
kennt keine Herkunft. Stärke kein Geschlecht. Mut keine Grenzen.
Regie: Theodore Melfi
Drehbuch: Allison Schroeder + Theodore Melfi, b/a
Buch von Margot Lee Shetterly
Kamera: Mandy Walker
Musik: Hans Zimmer, Pharrell Williams, Benjamin
Wallfisch
Darsteller:
Taraji P. Henson: Katherine Johnson
Octavia Spencer: Dorothy Vaughan
Janelle Monáe: Mary Jackson
Kevin Kostner: Al Harrison
Jim Johnson: Mahershala Ali
Jim Parsons: Paul Stafford
Kirsten Dunst: Vivian Mitchell
Glen Powell: John Glenn
Deutscher Filmstart: 02.02.2017