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Mittwoch, 31. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Nur ein kleiner Gefallen ( A Simple Favor)

Stephanie (Anna Kendrick) ist alleinerziehend und hat einen Kochrezept-Videoblog im Internet. 

Ihr kleiner Sohn Miles ist mit Nicky, dem Sohn von Emily (Blake Lively) befreundet, einer mondän auftretenden PR-Chefin in der Modebranche, die wenig Zeit für ihr Kind hat und deshalb froh ist, wenn Stephanie ihr hin und wieder aushilft. 
Für Stephanie scheint es Freundschaft zu sein, die sie mit Emily verbindet, aber vielleicht wird sie auch nur ausgenutzt. 

Als Stephanie Nicky wieder einmal bei sich hat, wartet sie vergeblich, dass Emily ihn abholt. Auch deren Mann Sean (Henry Golding) weiß nicht, was mit Emily geschehen sein könnte. Alle Nachforschungen und auch die späteren Ermittlungen der Polizei verlaufen im Sande, wobei Stephanie immer mehr den Eindruck bekommt, dass in die völlig falsche Richtung ermittelt wird. Mit Hilfe ihres Blogs und ihrer Aufrufe über das Internet ist sie in kurzer Zeit einer unglaublichen Geschichte auf der Spur, die noch unglaublicher wird, als tatsächlich Emilys Leiche gefunden wird, denn auch danach lässt Stephanie nicht locker und entdeckt weitere Details, die alles noch einmal in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.

Regisseur Paul Feig ist bisher überwiegend durch Komödien mit eher burschikosem Humor
bekannt. Nun legt er einen furiosen Thriller vor, in dem hier und da eine Prise schwarzer Humor aufblitzt. Seine beiden Hauptdarstellerinnen glänzen in ihren unterschiedlichen Rollen. Ist Anna Kendrick zunächst die naive Blogger-Mama, die bei allen Schul- und Nachbarschaftsaktivitäten verlässlich hilft, kommt Blake Lively als die erfolgreiche Geschäftsfrau daher, die bestens gestylt in ihrem ebensolchen Haus ihren nachmittäglichen Drink zu sich nimmt. Aber beide Figuren sind nicht das, was sie zunächst zu sein scheinen, und die Art, wie die trutschige Stephanie Emilys Geheimnis aufdeckt, hätte ihr wiederum niemand zugetraut.


Dem Film gelingt es, in schönen Bildern eine bitterböse Geschichte zu entwickeln, die spannend ist und Spaß macht bis zum überraschenden Ende, ein Psychothriller, der zunächst ein wenig an "Gone Girl" erinnert, der aber mehr als das Vordergründige zu bieten hat und auch als eine Satire auf das zunehmende Streben nach dem perfekten und durchgestylten Leben daherkommt.





   Regie: Paul Feig
Drehbuch: Jessica Sharzer, b/a Romanvorlage von Darcey Bell
Kamera: John Schwartzman

                                             

                                                     Darsteller:

Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding, Rupert Friend

Studiocanal/Lionsgate
117 min.
Deutscher Kinostart: 8. November 2018









Dienstag, 30. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Aufbruch zum Mond (First Man)


Es gab eine Zeit – die Älteren werden sich erinnern – da hatte das Interesse am Universum noch reale Bezüge. Der Traum und die Sehnsucht nach den er Sternen war zwar da, aber der Blick hinauf in die unendlichen Weiten des Sternenhimmels war noch nicht verstellt von zahllosen filmischen Weltraumabenteuern, allesamt in Hochglanz und mit Warp-Geschwindigkeit im Hyperspace. Damals in den 60ger Jahren gab es reale Menschen, die einem Handwerk nachgingen, das darauf ausgelegt war, möglichst bald einen Fuß auf den so verheißungsvoll über der Erde leuchtenden Trabanten zu setzen und damit einen vorläufigen Schlussstrich unter das sogenannte Space Race zu ziehen, das sich Amerikaner und Russen im Rahmen ihres Kalten Krieges miteinander lieferten.

Der Film „Aufbruch zum Mond“ schildert dieses Unternehmen, das mit Neil Armstrongs
Betreten des Mondes seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte, auf altmodische und im Vergleich zu allen Star Wars- und Star Trek-Abenteuern wenig glanzvolle Weise. Armstrong, gespielt von dem Kritikerdarling Ryan Gosling, ist ursprünglich Kampfflugzeug- und Testpilot und an ruckelnde und gefährliche Missionen im Luftraum gewöhnt, als er sich erfolgreich bei der NASA bewirbt, um bei dem Weltraumprogramm dabei zu sein.

Armstrong wird als  ein spröder, verschlossener Mensch gezeichnet, der sich nach dem Tod seiner kleinen Tochter immer mehr in sich zurück gezogen hat. Das einzige, was er noch an sich heranzulassen scheint, ist diese Mission, und wie er seinen Teil dazu beitragen kann, worunter vor allem seine Frau Janet (Claire Foy) und die beiden anderen Kinder leiden. Nach verschiedenen technischen Rückschlägen und dramatischen Unfällen rückt er plötzlich ganz nach vorne und ist als neuer Kommandant der Apollo 11-Mission derjenige, der die Mondlandefähre auf der Mondoberfläche landen wird, um dann als erster Mensch den Mond zu betreten.

Der Film nimmt sich viel Zeit, um alle technischen Details der Vorbereitung dieser Mission zu beleuchten und erzählt ausführlich von den Schwierigkeiten und Gefahren, die diese Weltraumpioniere und ihre Crews im Hintergrund zu bewältigen hatten. Der Zuschauer ist immer auf Augenhöhe dabei und hockt schließlich quasi mit in der engen Kapsel, in der die Astronauten zusammengepfercht und heftig durchgeschüttelt ihrem ungewissen Schicksal entgegenfliegen. Diese Sequenzen sind beeindruckend, der eigentliche Teil der Mondlandung fällt dagegen relativ knapp aus, noch knapper die Rückkehr. Hier hätte man sich eine andere Gewichtung gewünscht, mit einer strafferen Inszenierung zu Beginn, um dem eigentlichen Höhepunkt, der Landung auf dem Mond, die gebührende Zeit widmen zu können.

Der Film schwelgt zudem in Großaufnahmen von Gesichtern, um den Zuschauer noch näher heranzurücken. Weniger wäre auch hier mehr gewesen, denn vor allem in Armstrongs Gesicht ist selten eine Regung zu erkennen. Ryan Gosling bring das Kunststück fertig, durch den gesamten Film zu gehen, ohne einen einzigen Gesichtsmuskel nennenswert zu bewegen. 

Claire Foy hingegen beeindruckt als Frau eines in der Öffentlichkeit stehenden Mannes mit einem gefährlichen Job, die keinen Zugang bekommt, weder zu ihrem Mann selbst, noch zu dem, was er beruflich macht. Sie ist dazu verdammt, zu Hause am Bildschirm oder teilweise über einen für sie eingerichteten Radioempfänger zu verfolgen, was die Männer dort draußen treiben. Frauen zur damaligen Zeit waren noch weniger Teil der Berufswelt, auch wenn sie, wie wir aus dem Film „Hidden Figures“ wissen, ebenfalls im Weltraumbusiness tätig waren, jedoch gut versteckt im Hintergrund. Ansonsten war diese Welt eine komplette Männerwelt, und eine Astronautengattin hatte die Last zu tragen, zu Hause für ein geordnetes Umfeld zu sorgen, während der Mann auf einem gigantischen Abenteuerspielplatz Geschichte schreibt, und Claire Foy ist großartig in ihrer ohnmächtigen Opferrolle, aus der sie in einer eindrucksvollen Szene auszubrechen versucht.

Ob sich die heutige Generation von jungen Kinogängern von diesem Weltraumabenteuer mitreißen lassen wird, ist fraglich, das Spektakuläre der ersten Mondlandung hat inzwischen fast nur noch einen nostalgischen Touch für Leute, die noch eine Vorstellung davon haben, mit wie wenig Computerkapazität dieser Ausflug ins All bewerkstelligt wurde. Alle anderen sind wahrscheinlich mit dem Milleniumfalcon oder der Enterprise bereits in weit entferntere Galaxien unterwegs.


Regie: Damien Chazelle 
Drehbuch: Josh Singer b/a Buch von James R. Hansen
Kamera: Linus Sandgren
Musik: Justin Hurwitz
Darsteller:
Neil Armstrong – Ryan Gosling
Janet Armstrong – Claire Foy
Buzz Aldrin – Corey Stoll
Mike Collins – Lukas Haas
Jim Lovell – Pablo Schreiber
Jason Clarke, Kyle Chandler, Patrick Fugit, Christopher Abbott, Olivia Hamilton


Universal Pictures International Germany
141 min.
Deutscher Kinostart: 8. November 2018

 https://www.youtube.com/watch?v=iM6DSW7G2w4&feature=youtu

Film-Rezensionen: Leto


Leningrad in den frühen Achtzigern: Sommer, Musik und Alkohol, und außerhalb der offiziellen Vergnügungsstätten eine wilde Underground-Rockszene, in der sich rebellische Jugendliche auf allen möglichen und unmöglichen Wegen Musikalben von Legenden wie Lou Reed, David Bowie oder Marc Bolan besorgen, um auf von der Obrigkeit kontrollierten Rockkonzerten ihren Idolen nachzueifern.

 Der Star der Szene ist Mike (Roman Bylik), der mit seiner Band Vorbild für viele seiner Anhänger ist. Gegen alle Versuchungen durch weibliche Fans gefeit, lebt er privat ein glückliches, fast schon spießiges Familienleben mit Frau Natascha (Irina Starshenbaum) und ihrer beider Kind. 

Als eines Tages der charismatische Musiker Viktor Zoi (Teo Yoo) in ihr Leben tritt, gerät das Glück in Gefahr, weil Natascha sich in Viktor verliebt. Da sich Mike mit Viktor wiederum durch die Musik verbunden fühlt, entsteht eine Dreiecksgeschichte, in der Mike hofft, dass seine Frau eines Tages zu ihm zurückkehren wird.


Der Film zeichnet ein leichtfüßiges Porträt der jungen russischen Musiker, die ihre Einflüsse zwar aus dem westlichen Rock ziehen, dabei aber ihren eigenen Stil entwickeln. Mitreißend und euphorisch, mit frischen und originellen Rocksongs in russischer Sprache, mischen sie die Musikwelt des Landes auf, immer in Gefahr von der Zensur zur Räson gebracht zu werden, aber das ist ja das Spannende an jeder jugendlichen Rebellion. Regisseur Serebrennikow montiert bunte, phantasievolle Sequenzen in den in schwarzweiß gehaltenen Film, bahnt sich einen Weg durch die Welt seiner jugendlichen Helden zwischen Alltag und Spaß und schafft es so, das Lebensgefühl dieser Generation zwischen Musik, Liebe und Freundschaft fühlbar zu machen.

Serebrennikow hat sich inspirieren lassen von der wahren Geschichte der russischen Sänger und Songwriter Victor Zsoi (1962 bis 1990) und Mike Naumenko (1955 bis 1991), die mit ihren Rockbands "Kino" und „Zoopark" großen Einfluss auf die Rockszene dieser Zeit hatten und der Film macht den Song „Leto“ ("Sommer") zu ihrer Hymne.



Regie: Kirill Serebrennikow 
Drehbuch: Mikhail Idov, Lily Idova, Kirill Serebrennikow 
Kamera: Vladislav Opelyants
Musik: Roman Bilyk

Darsteller:
Roman Bilyk, Irina Starshenbaum, Teo Yoo

Russland/ Frankreich 2018
128 min.
FSK 12
Deutscher Kinostart: 8. November 2018

Freitag, 26. Oktober 2018

Film-Rezensionen: 25 km/h


Die Brüder Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) haben sich seit 30 Jahren nicht gesehen. Während Georg als Tischler im heimischen Schwarzwald geblieben ist, zog es Christian hinaus in die Welt. Nun kehrt Christian als erfolgreicher und weitgereister Manager zur Beerdigung des Vaters zurück und mit Georg scheint ihn nicht mehr viel zu verbinden. Aber während einer durchzechten Nacht, in der sie das Elternhaus, ihre alten Zimmer und den Dachboden durchstöbern, kehren schnell all die gemeinsamen Erinnerungen zurück. Als sie auf ihre Pläne für eine Deutschlandtour stoßen, die sie nie gemacht haben, machen sie sich spontan und beflügelt vom Alkohol, auf ihren alten Mofas auf den Weg, vom Schwarzwald an die Ostsee und es beginnt eine Reise, voller schräger, witziger aber auch berührender Begegnungen, und am Ende erreichen sie nach vielen Irrungen und Wirrungen das damals gesetzte Ziel: Einmal in die Ostsee pinkeln…

Einer der schönsten deutschen Filme seit langem, mit bestens aufgelegten Protagonisten
und einer Riege von namhaften Stars in Gastrollen, die ihresgleichen sucht: Sandra Hüller, Jella Haase, Franka Potente, Alexandra Maria Lara und Jördis Triebel geben sich ein vergnügliches Stelldichein, und Wotan Wilke Möhring darf sich auch noch richtig austoben, bis Georg und Christian auch an ihm als letztem Hindernis vor ihrer Missionserfüllung vorbei rauschen, inzwischen reduziert auf nur noch einem Mofa. 

Lars Eidinger muss endlich einmal nicht den Psychopathen geben und darf zeigen, dass er auch komisch kann, die Chemie zwischen ihm und Bjarne Mädel stimmt in jeder Szene. Die Abenteuer auf ihrer Reise machen Spaß, augenzwinkernde Bezüge zur Mutter aller Roadmovies „Easy Rider“ sind nicht zu verleugnen, glücklicherweise bleibt ihnen das tragische Ende erspart. Dafür entwickelt sich ganz nebenbei die Annäherung des ungleichen Brüderpaares, behutsam und anrührend offenbaren beide einander nach und nach ihre innersten Geheimnisse, und arbeiten so verschüttet geglaubte Gefühle und vernachlässigte und verpasste Chancen aus ihrer Vergangenheit auf.

Das Ganze ist leicht und unverkrampft in Szene gesetzt, ohne plumpe oder unter die Gürtellinie zielende Gags, die so gerne genutzt werden, um auf den schnellen Lacher zu zielen, insofern hebt sich der Film wirklich wohltuend von vielen deutschen Komödien der letzten Zeit ab – Empfehlung: unbedingt ansehen!




Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Kamera: Frank Griebe
Musik: Andrej Melita

Darsteller:
Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, Jella Haase, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jördis Triebel, Wotan Wilke Möhring, Martin Brambach

Sony Pictures
116 min.
Deutscher Kinostart: 31.Oktober 2018






Film-Rezensionen: Bohemian Rhapsody


Es war einmal ein Junge namens Farrokh Bulsara, Sohn indischer Einwanderer parsischen Glaubens, geboren auf der Insel Sansibar vor der Küste Afrikas, der mit seiner Familie Mitte der 60ger Jahre des letzten Jahrhunderts den Weg nach London findet. Dort schließt er sich einer unbekannten Band an und wird binnen kurzer Zeit deren exzentrisches Aushängeschild und die Band Queen zu einer der erfolgreichsten aller Zeiten.

Der Film zeichnet den Weg des Farrokh Bulsara nach, der sich den Namen Freddie Mercury gibt, vom unbekannten, aber bereits äußerst selbstbewussten jungen Mann, der den unbändigen Drang hat, auf der Bühne zu stehen, bis zu dem legendären Live-Aid Konzert 1985 im Londoner Wembley-Stadion und gibt Einblicke in eine Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen, die das Ende Mercurys nicht zum Aufhänger macht, sondern als tragischen Schlusspunkt mitschwingen lässt.

Eine besondere Schwierigkeit dürfte es gewesen, einen geeigneten Hauptdarsteller zu finden, jemanden, der es sich zutraut, in die Haut einer so bekannten und unverwechselbaren Ikone zu schlüpfen. Rami Malek gelingt dieses Kunststück größtenteils, er hat nicht ganz die Statur Mercurys und die Gebissprothese für den charakteristischen Überbiss ist gerade zu Beginn des Films gewöhnungsbedürftig. Aber in der späteren Phase und vor allem beim Höhepunkt des Wembley-Konzerts kommt Malek in seinem Auftreten und seinen Bewegungen auf der Bühne dem Original sehr nahe. Stimmlich gibt es neben dem O-Ton der bekannten Songs einen geschickten Mix aus Original- und hinzugemischtem Ton, bei dem sowohl Malek selbst, als auch ein Stimmenimitator beteiligt waren. Exzellent besetzt ist die Rolle des Brian May mit Gwilym Lee, der dem Original zum Verwechseln ähnelt.

Details der Bandgeschichte und Mercurys Biographie werden ausgebreitet, nicht immer
zeitlich korrekt, um das Wembley-Konzert als Höhepunkt des Films präsentieren zu können, das ist legitim, weil dramaturgisch nachvollziehbar und schadet dem Gesamteindruck des Films nicht. Sexuelle und sonstige Ausschweifungen werden dezent und familienfreundlich angedeutet, einen besonderen Stellenwert nimmt Mercurys lebenslange Beziehung zu seiner Jugendliebe Mary Austin ein, und seine von ihm selbst nie öffentlich thematisierte Bisexualität wird als Teil seiner Zerrissenheit gezeigt, ein Mensch, immer getrieben, nie wirklich ankommend, aber aus diesem Stoff sind Legenden gemacht.

Herausgekommen ist kein Jahrhundertwerk, sondern ein eher konventionelles Biopic mit einigen Kitschmomenten, aber die emotionale Achterbahnfahrt dieses Künstlerlebens und seines Umfeldes reißt mit, woran die klug eingesetzten Musiktitel natürlich einen großen Anteil haben, und die letzten 20 Minuten bilden den bewegenden Höhepunkt eines durchaus sehenswerten Filmes.

Erwähnt sei noch, dass der Film unter der Regie von Bryan Singer entstand, der vor Schluss jedoch ausschied und durch Dexter Fletcher ersetzt wurde.




Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Anthony McCarten, b/a story von Anthony McCarten, Peter Morgan
Kamera: Newton Thomas Sigel
Musik: John Ottman
Soundrack: Queen

Darsteller:
Rami Malek, Lucy Boynton, Gwilym Lee, Joseph Mazzello, Ben Hardy, Aidan Gillen, Mike Myers, Tom Hollander, Allen Leech, Aaron McCusker

20th Century Fox
134 min.
Deutscher Kinostart: 31.Oktober 2018



Dienstag, 23. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Intrigo - Tod eines Autors (Intrigo: Death of an Author)


David Moerk (Benno Führmann), eigentlich Übersetzer, versucht sich an einem Roman und um sich ein paar Tipps zu holen, sucht er den zurückgezogen lebenden Autor Henderson (Sir Ben Kingsley) in dessen Haus am Meer auf, wo er ihm aus seinem Manuskript vorliest.


Sein Buch handelt zunächst vom mysteriösen Verschwinden einer Frau namens Eva, die sich im Laufe der Geschichte als Davids eigene verschwundene, mittlerweile für tot erklärte Frau (Tuva Novotny) entpuppt. Mehr und mehr wird klar, dass David in dem Buch seine eigene Geschichte verarbeitet, die ihn später in einen kleinen Ort führt, wo er das letzte Buch des bekannten verstorbenen Schriftstellers Germund Rein übersetzen soll.

Von seiner Verlegerin (Veronica Ferres) hat er ein Manuskript und einen Brief von Rein erhalten, der sich offensichtlich das Leben genommen und in dem Brief bestimmt hat, dass sein Buch nicht in seiner Originalsprache veröffentlicht werden darf. Nachdem sich David an die Übersetzung gemacht hat, stößt er immer wieder auf seltsame Parallelen zum Verschwinden seiner Frau, bis eines Tages etwas Unheimliches geschieht: David hört während einer Konzertaufnahme im Radio ein Husten, das er meint, unter tausenden wiederzuerkennen: das Husten seiner Frau Eva. Bedeutet dies, dass sie noch lebt? Besteht ein Zusammenhang zwischen ihrem Verschwinden und dem Tod des Schriftstellers Rein? Und welche Rolle spielt sein Gastgeber Henderson dabei?

Der Film entfaltet ein Verwirrspiel auf mehreren Ebenen – hier David Moerk, der dem Autor Henderson vorliest, dort David und Eva bei einem fatalen Urlaub, in dem Eva verschwindet, und schließlich Davids Versuche, Licht ins Dunkel von Germund Reins Tod zu bringen. Wer es mag, dunklen Geheimnissen nachzuspüren, wird gespannt allen Wendungen der Geschichte folgen, muss dabei allerdings genau aufpassen, um nicht den Überblick über alle Fäden zu verlieren, die kreuz und quer ausgelegt sind, um am Ende irgendwie miteinander verknüpft zu werden.

Die Handlung wird allerdings ein bisschen dadurch gebremst, dass der Film die Bilder nicht für sich sprechen, sondern in weiten Teilen von Benno Fürmann als Erzähler aus dem Off begleiten lässt. Ein weiteres Manko liegt darin, dass nicht erkennbar wird, in welchem Land die Handlung eigentlich spielt. Außer Hendersons Haus mit Meerblick wirken manche Schauplätze irgendwo angesiedelt zwischen Österreich, der Schweiz und dem Schwarzwald, dabei wird in der Originalfassung fast durchgehend Englisch gesprochen, und vor allem sieht man Beschilderungen in englischer Sprache, eine Merkwürdigkeit, die sicher der internationalen Vermarktbarkeit des Films geschuldet ist, den Film aber irgendwie heimatlos macht. Auch wenn mit dem internationalen Star Ben Kingsley geworben wird, der Film wird einzig und allein von dem sehr intensiv agierenden Benno Fürmann getragen, ein zunächst Getriebener, der mehr und mehr die Hoheit über das Geschehen gewinnt.

Vorlage für den Film ist ein Buch des schwedischen Autors Håkan Nesser, dem Dritten des erfolgreichen Schwedentrios neben Henning Mankell und Stieg Larsson. Er ist der erste Teil einer „Intrigo“-Trilogie, drei Filme, die inhaltlich nicht aufeinander aufbauen sollen, deren zweite und dritter Teil („Samaria“ und "Dear Agnes") aber bereits im nächsten Jahr folgen und ebenfalls von Daniel Alfredson inszeniert wurden, dem Regisseur, der bereits bei zwei Teilen der „Millenium“-Filme Erfahrung im Genre gesammelt hat.




Regie: Daniel Alfredson
Drebuch: Daniel Alfredson, Birgitta Bongenhielm, b/a Roman Håkan Nesser
Kamera: Pawel Edelman
Musik: Anders Niska, Klas Wahl

Darsteller:
Sir Ben Kingsley, Benno Fürmann, Tuva Novotny, Veronica Ferres, Michael Byrne, Daniela Lavender

20th Century Fox
106 min.
Deutscher Kinostart: 25.Oktober 2018




Mittwoch, 17. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Dogman


Der schmächtige Marcello (Marcello Fonte) ist Freund aller Hunde und betreibt in einer kleinen, tristen italienischen Küstenstadt einen Hundesalon. Angst kennt er dabei keine, unter seinen Händen werden die wildesten seiner kaninen Kunden, die er badet, massiert und deren Haare er schneidet, zu braven Kreaturen.
Mit Menschen auszukommen, ist es etwas schwieriger, aber Marcello ist freundlich zu allen und versucht, nirgendwo anzuecken. Seine Arbeit erlaubt ihm nur einen bescheidenes Leben, der einzige Luxus, den er sich gönnt, sind Tauchausflüge mit seiner geliebten kleinen Tochter Alida. Mit den Männern aus der Nachbarschaft spielt er Fußball, dabei fühlt er sich von ihnen geschätzt und anerkannt.

In seinem Bestreben, es allen recht zu machen, lässt sich Marcello, der sein Einkommen mit gelegentlichen Kokainverkäufen aufbessert, auch mit dem ehemaligen Boxer Simone (Edoardo Pesce) ein, der unter Kokain das ganze Viertel tyrannisiert. Niemand hat den Mumm, sich ihm entgegenzustellen, und Marcello lässt sich von ihm bei gelegentlichen Einbrüchen als Helfer ausnutzen. Nach einem Einbruch, den Simone von seinem Hundesalon aus verübt hat, verrät Marcello ihn nicht, sondern nimmt eine einjährige Haftstrafe auf sich. Danach ist seine beschauliche Existenz ruiniert und seine Nachbarn wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. Erst jetzt beschließt Marcello, dass jemand Simone in seine Grenzen weisen muss und nimmt fürchterliche Rache, auf eine Art, die ihm niemand zugetraut hätte.
Im Stil des italienischen Neorealismus erzählt Regisseur Garrone von einem Italien, in dem nicht immer die Sonne scheint, weit entfernt von den heiteren Kitschbildern dieses gerade bei den Deutschen so beliebten Urlaubslandes. Es ist die Geschichte eines im Grunde friedlichen Mannes, der durch das Leben so lange gedemütigt wird, bis er auf drastische Weise versucht, seine Würde zurückzubekommen. Dabei geht es nur vordergründig um Rache, eher ist es der Schrei einer geschundenen und gedemütigten Kreatur nach Erlösung. Egal wie wild und zähnefletschend manche der von Marcello betreuten Hunde auch sein mögen, der Mensch erweist sich immer wieder als die größere Bestie. Dafür steht zunächst einmal der bullige Simone, der seine primitivsten Impulse nicht unter Kontrolle bringt, aber auch in der Figur des Marcello steckt tief im Inneren ein Gewaltpotential, das so lange von zivilisatorischen Mauern in Schach gehalten wird, bis diese eingerissen werden, und man in die Hölle menschlicher Abgründe schaut. Und dann, um im Bild des sonnigen Italien zu bleiben, regnet es nicht nur, es schüttet…

Marcello Fonte gelingt ein eindrucksvolles Porträt seines Marcello, diesen kleinen Mann mit den großen Augen und der fast unterwürfigen Liebenswürdigkeit, dessen bescheidene, geordnete Welt so nachhaltig erschüttert wird, wofür er bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes zu Recht mit der Goldenen Palme als bester Darsteller ausgezeichnet wurde.




 Regie: Matteo Garrone 
Drehbuch: Ugo Chiti, Massimo Gaudioso, Matteo Garrone 
Kamera: Nicolai Brüel 
Musik: Michele Braga
Fotos/ Video: Alamode Film
 http://www.alamodefilm.de/kino/detail/dogman.html

Darsteller:
Marcello Fonte, Eroardo Pesce, Adamo Dionisi, Nunzia Schiano, Francesco Acquaroli, Alida Baldari Calabria, Gianluca Gobbi

Alamode Film
Italien/ Frankreich 2018
102 min. 
Deutscher Kinostart: 18. Oktober 20


Mittwoch, 10. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Bad Times at the El Royale


Das El Royale ist ein in die Jahre gekommenes Hotel in der Nähe von Lake Tahoe, genau auf der Grenze zwischen Nevada und Kalifornien. Es hat bessere Tage gesehen, wenn auch ein Blick hinter die bröckelnde Fassade von üblen Praktiken zeugt, die hier einst stattgefunden haben, in den 50ger Jahren gab es sogar einen Mord. Nun, Mitte der 60ger Jahre, treffen eine Reihe von Gästen ein, die scheinbar in keinerlei Beziehung zueinander stehen, aber im Laufe einer einzigen Nacht einen düster-grotesken Reigen aufführen, der es in sich hat.

Die Geschichte entfaltet sich kammerspielartig und es treten auf: Miles, der Portier (Lewis Pullman), die Sängerin Emily Sweet (Cynthia Erivo), der Staubsaugervertreter Laramie Seymor Sullivan (Jon Hamm), der Priester Father Daniel Flynn (Jeff Bridges), die Schwestern Emily und Ruth Summerspring (Dakota Johnson, Cailee Spainey) und der charismatische Hippie-Guru Billy Lee (Chris Hemsworth).

Die Akteure bewegen sich wie auf einer Bühne, wobei die besondere Bauweise des Hotels den Bühnencharakter unterstreicht. Verlassen wird der geschlossene Schauplatz nur in einigen kurzen Rückblenden. Dass dennoch ein bunter und mitreißender Thriller entstanden ist, liegt an der meisterlichen Inszenierung, die sich Zeit nimmt, Dinge zu entwickeln, um dann aus dem Nichts heraus die Handlung immer wieder furios explodieren zu lassen, bis am Ende nichts mehr so ist, wie es am Anfang zu sein schien. Dass nicht alle Gäste das sind, was sie vorgeben zu sein, versteht sich fast von selbst, und von Anfang ist klar: Das El Royale ist kein Ort für einen Priester!

Dem Regisseur Drew Goddard ist ein Thriller mit Kultpotential gelungen, mit einem bestens aufgelegten Schauspielerensemble, tollem Soundtrack und jeder Menge Überraschungen, bei dem trotz einer Länge von 141 Minuten keinen Moment Langeweile aufkommt! 



Regie: Drew Goddard
Drehbuch: Drew Goddard
Kamera: Seamus McGarvey 
Musik: Michael Giacchino 
Produzenten: Jeremy Latcham, Drew Goddard

Darsteller:
Jeff Bridges, Cynthia Erivo, Dakota Johnson, Jon Hamm, Chris Hemsworth und Cailee Spainey, Lewis Pullman
Twentieth Century Fox
141 min.
Deutscher Kinostart: 11. Oktober 2018




Film-Rezensionen: Abgeschnitten


Als der Pathologe Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) während einer Obduktion im Kopf eines verstümmelten Mordopfers eine winzige Kapsel findet, in der ein Zettel mit der Handynummer seiner Tochter Hannah (Barbara Prakopenka) steckt, ist dies der Auftakt zu einem gruseligen Albtraum, in dem Herzfeld von einem irren Mörder auf eine blutige Schnitzeljagd geschickt und zum Äußersten getrieben wird, um das Leben seiner entführten Tochter zu retten.

Ein Hauptteil der Handlung spielt auf der während eines Sturms von der Außenwelt abgeschnittenen Insel Helgoland, wo in einem von allen Ärzten verlassenen Krankenhaus die junge Linda (Jasna Fritzi Bauer), die ihrerseits von einem unheimlichen Stalker verfolgt wird, von dem auf dem Festland festsitzenden Herzfeld fernmündlich angeleitet, eine schaurige Obduktion an einer von ihr zufällig am Strand entdeckten Leiche durchführt, die im Zusammenhang mit Herzfelds Schnitzeljagd steht. Unterstützt wird sie dabei von dem Krankenhausfaktotum Ender Müller (Fahri Yardim), während irgendwo draußen im Sturm der Mörder und Entführer seinen nächsten Schachzug plant...

Was auf den ersten Blick ein wenig abstrus klingt, ist es auf den zweiten Blick auch. Vorlage für den Film ist ein Werk des Bestsellerautors Sebastian Fitzek, das dieser gemeinsam mit dem Rechtsmediziner Michael Tsokos verfasst hat, wobei letzterer ein Garant für die Authentizität der Leichenöffnung sein dürfte, deren unappetitliche Einzelheiten in Großaufnahme zu sehen sind.

Durch die furchtbare Situation des Vaters, der verständlicherweise alles zur Rettung seiner Tochter unternimmt, ist der Blick des Zuschauers für die Implausibilität der Handlung, vor allem einiger ihrer Prämissen, ohne die die Geschichte in sich zusammenfallen würde, getrübt. Warum sollte eine junge Frau, die sich vor einem Stalker fürchtet, nachts im Dunkeln die schützende Umgebung einer gut gefüllten Kneipe verlassen, um sich durch menschenleere Gassen und schließlich über einen ebenso menschenleeren Strand zu bewegen, wo sie dann trotz Sturm und Wolkenbraus über eine Leiche stolpert, die auch unbedingt gefunden werden sollte? Warum verlassen sämtliche Ärzte eine von einem Unwetter geplagte Insel und hinterlassen ein leeres Krankenhaus, das obwohl nur ein Inselkrankenhaus über einen gut ausstaffierten Obduktionsraum mit zwei Sektionstischen verfügt? Welcher Fremde schafft es, auf einer überschaubaren Insel wie Helgoland Entführungen und Morde durchzuführen, ohne als Fremder aufzufallen?

So gesehen folgt die Handlung grundsätzlich mehr der Dramaturgie als der Logik, aber wenn man bereit ist, dies zu ignorieren, bietet der Film trotz seiner Länge durchaus spannende Unterhaltung. Der begeisterte Fitzek-Leser, der es liebt, wie bei diesem Autor üblich, immer wieder hinters Licht geführt und auf falsche Spuren gelenkt zu werden, wird sicher auf seine Kosten kommen. Das Manko von Fitzeks Geschichten tritt allerdings auch im Film hervor, vieles ist reine Effekthascherei und die Handlung entwickelt ihre Twists und Turns nicht aus sich selbst heraus, sondern diese sind mit Bedacht konstruiert, was gekonnt gemacht nicht schlimm wäre, aber bei Fitzek scheint diese Konstruktion immer wieder durch, wie in einer schlecht verkleideten Kulisse.

Dennoch lässt der Film, gelungen bebildert und konsequent inszeniert, die düster-schaurige Atmosphäre, die einem solchen Thriller ansteht, hautnah erleben. Die Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu und Jasna Fritzi Bauer überzeugen, die Nebenfiguren allerdings agieren hölzern, wie der bemüht auf schrägen Slapstick angelegte Praktikant Ingolf (Enno Hesse), oder sie bleiben ihrem Rollenklischee treu, wie Fahri Yardim, der wieder einmal den gutmütigen Helfer gibt, bis hin zu dem sardonisch grinsenden Lars Eidinger, der sich gedacht haben mag: Ihr wolltet den Psychopathen, dann kriegt Ihr ihn auch, kompromisslos, bis nahe an die Grenze zur Karikatur.

Wer sich an der bis zum (endgültigen) Schluss hochgehaltenen Spannung delektieren mag, kommt in den Genuss eines trotz aller Kritikpunkte spannenden Thrillers, aber der fragwürdige Populismus eines Selbstjustizdramas, als das sich das Ganze am Ende darstellt, hinterlässt einen mehr als üblen Beigeschmack.




Regie: Christian Alvart 
Drehbuch: Christian Alvart
b/a Bestseller von Sebastian Fitzek & Michael Tsokos
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Musik: Maurus Ronner, Christoph Schauer

Darsteller:
Moritz Bleibtreu, Jasna Fritzi Bauer, Lars Eidinger, Fahri Yardim, Enno Hesse, Christian Kuchenbuch, Urs Jucker, Barbara Prakopenka

Warner Brothers
131 min.
Deutscher Kinostart: 11. Oktober 2018