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Donnerstag, 17. November 2016

Film-Rezensionen: Deepwater Horizon



Deepwater Horizon



Seit dem Turmbau zu Babel enden von Menschen geschaffene Projekte immer wieder in einem Desaster. „Deepwater Horizon“ ist ein weiteres Beispiel hierfür.



„Deepwater Horizon“ war der Name einer Explorationsplattform der Schweizer Firma Transocean, auf der im Jahr 2010 im Auftrag des britischen Konzerns BP 70 km vor der Küste im Golf von Mexiko die Förderung von Öl aus einem riesigen Ölfeld unter dem Meeresboden vorbereitet werden soll. Das Projekt endete in einer Katastrophe, als die Anlage den Betreibern bei einer Bohrungstiefe von 1500 Metern buchstäblich um die Ohren flog, für etliche Tote sorgte und den Golf sowie die Küsten von Louisiana, Florida, Alabama und Mississippi mit auslaufendem Öl verseuchte. Über drei Monate lang schossen täglich geschätzt 40.000 Barrel Öl aus dem Bohrloch, bis dieses endlich geschlossen werden konnte. Die Folgen belasteten die betroffene Region auf Jahre hinaus.



Diese Tragödie ist Vorlage für den gleichnamigen Film, der sich allerdings nicht mit der Ölpest und deren Folgen auseinandersetzt, sondern die Geschichte der tapferen Männer und Frauen erzählt, die im Laufe der Ereignisse zu Helden werden.



Zur Einführung werden wir in die raue Welt auf einer Bohrplattform eingeführt, wo die Arbeit hart und der Umgangston kernig ist, wie überall dort, wo gestandene Männer in eingespielten Teams – sei es in Armee, Feuerwehr oder Polizei – zusammenarbeiten, und wo Gefahr ein ständiger Begleiter ist, der man nur trotzen kann, wenn man zusammenhält. Die einzige Frau zur Zeit des Unglücks ist die Technikerin Andrea Fleytas, die die schwimmende Plattform auf Kurs hält.



Die Mannschaften arbeiten wochenweise, zu Beginn werden wir Zeugen eines Schichtwechsels, bei dem auch der Techniker Mike Williams (Mark Wahlberg) und der bärbeißige, bei allen beliebte und geachtete Offshore Installation Manager Jimmy Harrell (Kurt Russell), genannt Mr. Jimmy, an Bord gehen. Beide beobachten, wie die Mannschaft der Firma Schlumberger, die letzte entscheidende Tests vornehmen sollte, die Plattform verlässt, wie sich später herausstellt, ohne befriedigende Ergebnisse.



Ebenfalls an Bord ist ein Vertreter von BP, Donald Vidrine (John Malkovich), der den Abschluss der Tests forcieren soll, da sich das Projekt bereits sechs Wochen hinter dem Zeitplan befindet.



Während Mr. Jimmy und seine Techniker erhebliche Zweifel haben, dass alle Probleme behoben sind und der Weg zur ersten Bohrung frei ist, setzt sich Vidrine erwartungsgemäß darüber hinweg. Er interpretiert einen nicht befriedigend verlaufenen Drucktest anders als die Techniker, da diese aber auch keine bessere Erklärung für die erhaltenen Ergebnisse haben, fügen sie sich schließlich den Anweisungen Vidrines und beginnen mit einer ersten Bohrung.



Einmal in Gang gesetzt ist das Verhängnis dann nicht mehr aufzuhalten. Wie zuvor in den Tests steigt der unterseeische Druck sofort an und der Technikerin Freytas wird zunächst untersagt, das Bohrloch über ein Ventilsystem am Meeresgrund wieder zu schließen. Als sie den Mut findet, entgegen ihrer Anweisung zu handeln, ist es bereits zu spät, der massive Druck entwickelt sich zu einem  Blowout, bei dem Bohrschlamm, Öl und Gas in einer gewaltigen Fontäne nach oben geschleudert werden. Es kommt zu Explosionen und ein Feuersturm fegt über die Bohrplattform hinweg. In bombastischen Bildern und ebensolchen Effekten werden diese Explosion der Plattform und das anschließende Höllenfeuer so realistisch in Szene gesetzt, dass der Zuschauer in seinem Kinosessel stellenweise das Gefühl hat, mitten im Geschehen dabei zu sein – eine Erfahrung, die man vielleicht nicht unbedingt machen muss.



Man fühlt die Hitze, riecht den Gestank von verbrennendem Öl, leidet mit den Akteuren – allen voran dem hervorragenden Kurt Russell. Die Nahaufnahmen erlauben kein Entrinnen und es ist angesichts des Infernos ein Wunder, dass es letztlich überhaupt Überlebende gibt.



Und dann ist der Film plötzlich zu Ende.



Die Erwartung, dass zum Schluss eine Aufarbeitung stattfindet, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte und – wichtiger noch – wer dafür verantwortlich ist, wird enttäuscht, und das ist das große Manko dieses durchaus mitreißenden Films. Im Abspann wird an die tapferen elf Männer erinnert, die ihr Leben verloren haben und lediglich in einem Satz wird auf die entstandene gigantische Umweltkatastrophe hingewiesen.



Zurück bleibt das schale Gefühl, dass die richtigen Menschen, die in einer schrecklichen Situation über sich hinausgewachsen sind, gesiegt haben, die falschen aber wieder einmal davongekommen sind. John Malkovics Figur dient lediglich dazu, die zu erzählende Geschichte in Gang zu setzten, eine Aufgabe, die er gewohnt gekonnt meistert, danach spielt er keine Rolle mehr.



Wir haben tapferen Helden bei der Arbeit zugesehen, aber wer sich auf diese einfache Geschichte einlässt, wird von dem exzellent in Szene gesetzten Spektakel geblendet und verkennt die fatale Botschaft des Films: Solange es solche Helden gibt, die für die Fehler anderer ihren Kopf hinhalten und sogar sterben, können wir getrost jeden Irrsinn in die Tat umsetzen und solange werden wir immer neue Türme bauen, die uns am Ende über dem Kopf zusammenbrechen.







Regie: Peter Berg

Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Matthew Sand

Darsteller: Mark Wahlberg, Kurt Russell, John Malkovich, Gina Rodriguez, Dylan O’Brian, Kate Hudson



Dauer: 107 Minuten

FSK: 12

Donnerstag, 10. November 2016

Film-Rezensionen: Florence Foster Jenkins


Florence Foster Jenkins



Der Film erzählt die (wahre) Geschichte der reichen Erbin Florence Foster Jenkins (hinreißend dargestellt von Meryl Streep), die es sich Im New York der 40ger Jahre zur Aufgabe gemacht hat, unter Einsatz ihres nicht unbeträchtlichen Vermögens und einer überwältigenden Leidenschaft ihren Mitbürgern klassische Musik näher zu bringen. Unterstützt wird sie dabei von ihrem britischen Ehemann, St. Clair Bayfield (tadellos: Hugh Grant), einem alternden Schauspieler, dem der entscheidende Erfolg auf der Theaterbühne verwehrt geblieben ist. Zusammen tritt das Paar im von beiden gegründeten Verdi-Club vor einem ausgewählten Publikum der New Yorker Society auf. In legendären Tableaux vivants deklamiert St. Clair unsterbliche Verse, während Florence in schrillen Kostümen für deren Untermalung sorgt.



Florences eigentliche Leidenschaft gilt jedoch der Oper, und ein Konzert in der Carnegie Hall weckt in ihr das Verlangen, Gesangsunterricht zu nehmen, ein Wunsch, den ihr St. Clair sogleich erfüllt. Die Aufgabe übernimmt – gegen ein üppiges Honorar – ein renommierter Musiker. Außerdem bekommt der mittellose junge Pianist Cosmé McMoon (herrlich verhuscht: Simon Helberg) die Chance auf ein fürstliches Gehalt, um Madame Florence musikalisch zu begleiten. McMoon kann sein Glück kaum fassen und sieht aufgeregt seiner ersten Stunde mit ihr entgegen. Die Spannung weicht jedoch einem ungläubigen Entsetzen, als Florence ihre Stimme erhebt, denn die Gute ist leider völlig unmusikalisch. Ohne Gefühl für Intonation und Rhythmus verfehlt sie haarscharf jeden Ton, was aber weder Gesangslehrer noch Gatte zu bemerken scheinen, vielmehr wird sie von beiden freundlich ermutigt.



Florence wagt sich an die schwierigsten Arien und nichts kann sie davon abhalten, diese auch in öffentlichen Auftritten zu Gehör zu bringen. St. Clair sorgt allerdings stets peinlich genau dafür, dass wirklich nur ein ausgewähltes Publikum zugelassen ist, so dass Florence nie erfährt, wie untalentiert sie in Wirklichkeit ist. Als sie sich eines Tages in den Kopf setzt, in der Carnegie Hall aufzutreten, wird die Sache brenzlig, denn alles andere als eine unglaubliche Blamage wäre eine Überraschung. Alle Versuche McMoons, sich aus dieser auch für ihn peinlichen Situation herauszuwinden scheitern, letztlich auch daran, dass sein Engagement einfach zu lukrativ ist und er auf andere Art wahrscheinlich nie die Chance erhalten wird, einmal in der Carnegie Hall zu spielen.



Auch St. Clair gelingt es nicht, Florences Auftritt zu verhindern, und diesmal liegt es nicht in seiner Macht, auf die Zusammensetzung des Publikums Einfluss zu nehmen, insbesondere einen besonders kritischen Journalisten fernzuhalten, der die Gelegenheit nutzt, endlich einmal die Wahrheit über Florences Sangeskunst zu schreiben. St. Clair und McMoon setzen alles daran, zumindest zu verhindern, dass Florence seine Rezension zu lesen bekommt, aber auch das misslingt…



Einen weiteren tragischen Aspekt erhält die Geschichte, wenn der Zuschauer erfährt, dass Florence schwer krank ist. Seit jungen Jahren leidet sie an Syphilis, die damalige Behandlung dieser Krankheit mit Quecksilber hat zwar ihr Leben gerettet, aber ihre Gesundheit dauerhaft ruiniert, wovon außer ihrem Mann nur wenige Menschen wissen.



Aufgrund der Krankheit lebt das Paar absolut enthaltsam, weswegen St. Clair eine Beziehung zu einer anderen Frau unterhält, was auch von Florence toleriert wird. Mit seiner „Zweitfrau“ lebt er zusammen, wann immer er das Gefühl hat, dass es Florence gut geht und sie aufs Beste versorgt ist, dafür tut St. Clair alles, aufopfernd, unerschütterlich und mit einer rührenden Zärtlichkeit. Es ist ein Arrangement der besonderen Art, alle Beteiligten scheinen damit glücklich zu sein, wer wollte ihnen dieses Glück streitig machen? Muss man in einem solchen Fall nicht von wahrer Liebe sprechen?



Der Film orientiert sich am Leben der echten Florence Foster Jenkins, und es gelingt Stephen Frears wie gewohnt meisterhaft, die anrührende Geschichte ohne Pathos und Kitsch in Szene zu setzen. Er lässt das New York der 40ger Jahre des vorigen Jahrhunderts lebendig werden, Kulisse und Kostüme schwelgen in nostalgischen Bildern, aufgeschreckt nur durch die schrillen Töne der Hauptperson.



Der Zuschauer ist zunächst hin- und hergerissen, kann es richtig sein, eine offensichtliche Wahrheit nicht auszusprechen und jemanden in einer Fantasiewelt leben zu lassen, auch wenn stets die Gefahr besteht, dass es zu einem bösen Erwachen kommt? Ist die Lüge ein legitimes Mittel um einen Zweck zu erreichen, sei er noch so ehrenvoll? Aber dem von Hugh Grant mit überzeugender Hingabe dargestellten St. Clair stellen sich diese Frage nicht, er handelt aus Liebe, und durch ihn bekommt das Leben seiner Frau eine besondere Würde, ein Leben, das angesichts ihres Schicksals so anders hätte verlaufen können, verhärmt und verbittert, in Schwermut und Melancholie. Stattdessen erlebt Florence viele wunderschöne Momente, die wahrscheinlich nur Meryl Streep mit einer gleichermaßen kindlichen wie überschwänglichen Freude vermitteln kann.



Florence Foster Jenkins lebt ihren Traum und als ihr Ende bevorsteht, zieht sie ihr Fazit: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“



Besser kann man nicht von der Bühne abgehen…





Regie: Stephen Frears

Drehbuch: Nicholas Martin

Kamera: Danny Cohen

Musik: Alexandre Desplat

Darsteller: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg, Rebecca Ferguson, Agnes Stark



Dauer: 110 Minuten

Start: 24. November 2016


Donnerstag, 29. September 2016

Film-Rezensionen: Saint Amour - Drei gute Jahrgänge (Saint Amour)


Saint Amour



Wenn man wie Bauer Bruno (Benoît Poelvoorde) im ländlichen Frankreich lebt, ist eine Fahrt nach Paris ein Ereignis, auch wenn es nur in die riesige Halle einer Landwirtschaftsmesse außerhalb der Stadt geht. Er und sein Vater Jean (Gérard Depardieu) stellen dort aus, und wie jedes Jahr hofft Jean auf den ersten Preis für seinen wahrhaft imposanten Prachtbullen.



Der eigentliche Höhepunkt der Veranstaltung ist für Bruno und seine Kumpel allerdings eine rituelle Weinreise, hierfür müssen sie die Hallen nicht verlassen, es genügt ein Zug vorbei an den verschiedenen Ständen der ebenfalls zur Messe angereisten Weinerzeuger. Es geht auch nicht um die Verkostung edler Tropfen, sondern um ein möglichst zügiges Abfüllen, nicht Genuss steht im Vordergrund, sondern der Rausch, der Bruno helfen soll, sein tristes Dasein einigermaßen erträglich zu machen.


Natürlich funktioniert das nicht, dem Rausch folgt stets die Ernüchterung – wer wüsste es besser als Bruno selbst, der diese Reise schon unzählige Male unternommen hat. Er kennt die zehn Etappen des Alkohols – er wird sie später noch genau erläutern – und am Ende, nach dem Exzess, steht auf jeden Fall immer die Scham.


Bruno hat zwei Probleme: einen übermächtigen Vater und die Frauen, bei denen er trotz aller Bemühungen keine Chancen hat. Der Vater (in der wuchtigen Gestalt von Gérard Depardieu) ist ein imposanter Koloss, Bruno wagt es nicht, ihm zu gestehen, dass er Hof und Landwirtschaft gegen einen Job in einem Baumarkt eintauschen möchte. Den Frauen nähert sich Bruno nüchtern nur sehr linkisch, sturzbetrunken stößt er sie unweigerlich ab.


Jean erkennt durchaus, dass Bruno unglücklich ist, auch wenn dieser nichts davon bemerkt, da sich Vater und Sohn über die Jahre voneinander entfremdet haben. Um sich ihm wieder anzunähern, beschließt Jean, mit seinem Sohn während der Messe eine reale Weinreise zu machen, Voraussetzung ist, dass sie zur Prämierung des besten Zuchtbullen am Ende der Woche zurück sind. Man heuert einen jungen Taxifahrer namens Mike (Vincent Lacoste) an, der sie in die gewünschten Weinorte chauffieren soll, beginnend mit dem Anbaugebiet des Saint-Amour im Beaujolais.


 Auf dieser sehr speziellen Reise treffen drei Lebensalter aufeinander, die am Schluss auf wundersame Weise verschmelzen, aber bevor es soweit ist, erleben sie bizarre Situationen und treffen auf ungewöhnliche Menschen.


In Szene gesetzt hat diesen Film das französische Regie-Tandem Gustave Kervern und Benoît Delépine, die beide auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnen. Aus ihrer Zusammenarbeit sind bereits Werke wie „Mammuth“ und „Le grand soir“ („Der Tag wird kommen“) hervorgegangen. In „Saint  Amour“ ist es ihnen gelungen, mit Depardieu und Poelvoorde zwei der großartigsten Akteure des französischsprachigen Films zusammen zu bringen, die aus einem skurrilen Roadmovie eine zutiefst anrührende Liebesgeschichte werden lassen, die noch einige Zeit nach Filmende, sozusagen im Abgang, ein angenehmes Gefühl hinterlässt. 

Es ist meisterlich, wie Gérard Depardieu, mächtig, massig, ein Berg von einem Mann, sich mit einer unendlichen Zärtlichkeit und Liebe seinem Sohn annähert und seine Liebeserklärung am Ende, unbeholfen aber bewegend, gehört zu den anrührendsten Momenten des Films.


Benoît Poelvoorde überzeugt gleichermaßen in seiner Verzweiflung und Zerrissenheit, auf der Suche nach Anerkennung und Zuwendung. Er scheut sich nicht, Einblicke in alle Höhen und Tiefen seiner Seele zu zeigen, bis er schließlich zur Ruhe kommt. 


Der Dritte im Bunde, Vincent Lacoste, ist mehr als ein schmückendes Beiwerk, auch seine Figur des Taxifahrers Mike, jung, gutaussehend, der scheinbar als Einziger heraushat, wie man mit den Frauen richtig umgeht, braucht diese Reise, um zu sich selbst zu finden und die drei Lebensalter eines Mannes abzurunden. Nur alle drei zusammen schaffen es, der Frau mit dem bezeichnenden Namen Vénus, mitreißend dargestellt von Céline Sallette, zu ihrem späten Glück zu verhelfen, ein Glück an dem schließlich alle genesen.


Hochkarätig besetzt auch die Nebenrolle, so überrascht der Schriftsteller Michel Houellebecq als verschrobener Gastwirt, der mit seiner Familie in der Garage nächtigt, um Gäste auf Weinreise in seinen Zimmern unterzubringen. Aber auch die Frauen-Rige kann sich sehen lassen mit Andréa Ferréol, Chiara Mastroianni und Ana Girardot, alle kleine Leckerbissen, um die ungewöhnliche Weindegustation abzurunden.


Ein paar der derberen Witze oder Situationen sind nicht unbedingt etwas für Feingeister, aber wer sich auf den Film einlässt, wird seinen Spaß haben. „Saint Amour“ ist kein konventionelles Einheitskino und lässt über den schnellen Genuss hinaus durchaus eine poetische Tiefe und Klarheit erkennen. Wie ein guter Wein eben...




Saint Amour – Drei gute Jahrgänge

ab 13. Oktober 2016 im Kino



Regie: Benoît Delépine, Gustave Kervern

Drehbuch: Gustave Kervern, Benoît Delépine

Musik: Sébastien Tellier

Darsteller: Gérard Depardieu, Benoît Poelvoorde, Vincent Lacoste, Céline Sallette, sowie Gustave Kervern, Michel Houellebecq, Ovidie, Andréa Ferréol, Chiara Mastroianni, Ana Girardot








Donnerstag, 25. August 2016

Jean Dujardin war ein schlechter Schüler...


Jean Dujardin war ein schlechter Schüler…

… und liebt es, bei der Arbeit ins Schwitzen zu kommen.

Jean Dujardin ist in Frankreich ein großer Star. Hierzulande kennt man ihn vor allem durch seinen Oscar-Gewinn als bester Hauptdarsteller in dem Film „The Artist“ aus dem Jahr 2011.

Bei seinem aktuellen Projekt „Mein ziemlich kleiner Freund“ (Un homme à la hauteur) handelt es sich um das Remake eines argentinischen Films – „Corazón de Leon“ – das der Regisseur Laurent Tirard an ihn herangetragen hatte. Erzählt wird die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen der erfolgreichen Anwältin Diane – dargestellt von Virginie Efira – und einem charmanten Architekten (Jean Dujardin), der allerdings nur 1,36 m misst. Dieser Größenunterschied stellt die Beziehung der beiden auf eine große (!) Probe, und nicht einmal Jean Dujardin vermag zu sagen, ob es für die beiden gut ausgeht.

Zum Filmstart stand er nun in Paris den Journalisten Rede und Antwort. Er sprach über den Film, seine Rolle, aber auch über sein Verhältnis zu Hollywood. Bei dieser Gelegenheit verneinte er am Rande (aber nachdrücklich) seine Beteiligung an dem nächsten „Transformers“ Film, gestand, dass er ein schlechter Schüler war und dass er es genießt, in Frankreich zu arbeiten, aber auch mit seiner Familie dort zu leben. Er vermittelt den Eindruck eines Menschen, der durchaus um seine Popularität weiß, dabei eher vorsichtig zurückhaltend mit allzu persönlichen Bekenntnissen bleibt, aber insgesamt ein bodenständigen Mensch zu sein scheint (Dujardin, der aus dem Garten…), was sich auch daran zeigt, dass das Interview ganz unspektakulär in einem Bistro in Paris stattfand...

Hier nun Auszüge aus dem Gespräch mit ihm, das von dem Dolmetscher Jörg Taszman begleitet wurde.

Frage: Hat die Liebe zwischen Diane und Alexandre eine Zukunft, glauben Sie, dass sie stärker ist, als alle Vorurteile?
JD: Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Was Sie gesehen haben ist ein Happy End in einem Film, ein modernes Märchen. Meine Figur nicht naiv, er kennt ja sein Problem, und ich habe wirklich keine Ahnung, wie diese Geschichte im realen Leben weitergeht. Für mich ist es eher ein offenes Ende.

Frage: Wie fühlt man sich, wenn man sich in einen nur 1,36 kleinen Mann versetzt?
JD: Genau das habe ich eben nicht getan, weil ich es nun mal einfach nicht bin. Insofern wäre es unehrlich gewesen, das zu versuchen. Ich habe ganz normal agiert, habe einen Mann dargestellt, dem es eigentlich gut geht, der immer nur lächelt, und ich habe immer nur versucht, ihn so sympathisch wie möglich darzustellen. Aber mir war immer klar, ich bin nur deshalb 1,36 m durch die Special Effects.

Frage: Wie sehr kennen Sich sich mit Hänseleien aus. Waren Sie in der Schule jemand, der gehänselt wurde, oder der vielleicht auch einmal gehänselt hat?
JD: Ich kenne ein bisschen von beidem. Das passiert aber allen irgendwann in der Schule, es ist Teil des Erwachsenwerdens von Jungen, bis man sich irgendwann gefunden hat. Bis dahin ist man manchmal der Gehänselte und manchmal hänselt man selber. Da habe durchaus konkrete Erinnerungen daran.

Frage: Weshalb wurden Sie denn gehänselt, das kann man sich ja heute gar nicht vorstellen.
JD: Weil ich einfach kein guter Schüler war, und Kinder können durchaus grausam sein. Wenn man an die Tafel geht und einfach nicht gut ist, kommt man sich wie ein Idiot vor, und dann gibt es andere Kinder, die das unglaublich spaßig finden.

Frage: Welcher Aspekt hat Sie am meisten an diesem Märchen gereizt, war es das komödiantische, dieses „Trickverkleiden“, war es die Liebesgeschichte unter schwierigen Voraussetzungen oder eben auch die Botschaft, es wäre schön, alle Menschen könnten sich ohne Vorurteile begegnen?
JD: Ich fand das ganze Projekt sehr interessant, ein sehr gutes Drehbuch, sehr gute Dialoge. Mir gefiel die Herangehensweise des Regisseurs, seine Eleganz, die Zusammenarbeit mit den Leuten, vor allem auch mit Virginie, also letztlich das Gesamtpaket. Es war aber vor allem die Gelegenheit, die besonderen Emotionen rüberzubringen, die ich beim Lesen des Drehbuchs hatte.

Frage: Was für Angebote bekommen Sie im Allgemeinen? Gibt es so etwas wie einen roten Faden?
JD: Nein, eigentlich nicht, ich mag es, immer wieder mein Image zu brechen. Manchmal allerdings merkt man, wenn man nur wegen seines Namens engagiert wird, das ist dann nicht sehr ehrlich, wenn man merkt, dass man mit der darzustellenden Person eigentlich nichts zu tun hat. Manchmal bekomme ich Angebote für etwas düstere Rolle, da sage ich auch nicht nein, wenn es eine gut geschriebene Geschichte ist. Manchmal gebe ich auch selbst den Anstoß, ich schreibe ja auch. Wichtig ist für mich, dass sich die Filme nicht gleichen, das ist mir seit zehn Jahren, glaube ich, ganz gut gelungen.

Frage: Bevorzugen sie Dramen oder Komödien?
JD: Ich mag beides. Ich mag selber nicht immer nur lachen, ich möchte mich aber auch nicht langweilen, wichtig ist, Emotionen zu zeigen.

Frage: Mit welchem Hund war es witziger zu drehen, mit Uggie in „The Artist“ oder mit dem Hund in diesem Film?
JD (lacht): Ich hatte befürchtet, es wäre schwierig, aber das ist es nicht. Das sind immer sehr talentierte und gut ausgebildete Hunde. Man versucht, sich vor dem Drehen ein bisschen aneinander zu gewöhnen, und es war sehr nett mit beiden. Allgemein liebe ich es, nicht eingeengt sondern herausgefordert zu werden, man muss auch mal ins Schwitzen kommen. Wenn das nicht passiert, ist das für mich kein gutes Zeichen, man muss sich den Erfolg auch verdienen, wenn das am Ende der Fall ist, bin ich zufrieden, denn dann hat man auch gut gearbeitet.

Frage: Bei Ihrem Talent, bei Ihrem Aussehen müssten sich Ihnen in Hollywood sämtliche Türen öffnen. Sie haben auch schon mit George Clooney gedreht, wie sieht es mit einer Karriere in Hollywood aus, sind sie daran nicht interessiert?
JD: Ich denke der immense Erfolg von „The Artist“ bei den Oscars und auch sonst, war so etwas wie ein „Unfall“, ein glücklicher Unfall für mich, dieser Stummfilm in schwarzweiß, wo ich nicht spreche und diesen Schnurbart trage und man mich kaum erkennt. Ich habe einerseits Schwierigkeiten, wie man etwas wie den besten Schauspieler oder den besten Film auszeichnen kann, im Sport geht das, aber in der Kunst? Ich weiß aber auch, dass es für einen französischen Schauspieler nicht wirklich einfach ist in Hollywood, man bekommt immer die typischen Rollen angeboten, der Franzose, der Typ mit der Baskenmütze, der Schurke. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass sie dort auf mich warten. Es hat auch tatsächlich nicht viele Angebote gegeben. Ich hatte drei Drehtage mit Scorsese und hatte Spaß am Set mit Clooney, aber um dort Karriere zu machen, hätte ich dorthin ziehen müssen, Lobbyarbeit leisten und Klinken putzen müssen, alles Dinge, die mich nicht unbedingt reizen
Ich fühle mich hier in Frankreich wohl, ich bekomme gute Rollen hier, kann in meiner Sprache drehen. Schließlich ist der Beruf nicht mein ganzes Leben. Ich mag meinen Beruf, ich übe ihn ab und zu aus, aber in erster Linie will ich leben, mit meiner Familie, hier in Frankreich. Natürlich schreiben sie gute Drehbücher in Hollywood, haben ein viel größeres Budget, aber es ist nicht der heilige Gral. Das, was ich in Frankreich mache reicht mir eigentlich, und ich möchte die Sachen machen, auf die ich Lust habe und ich habe, auch wenn das für Sie von außen erstaunlich wirken mag, überhaupt keine Lust auf Hollywood.

Hier bekommt man für einen Moment den Eindruck, einen wunden Punkt berührt zu haben. Es wird nicht klar, ob ihm tatsächlich nichts an einer Karriere in Hollywood liegt, wobei er sicher mit seinen Vorbehalten Recht hat, dort nur auf bestimmte Klischee-Rollen festgelegt zu werden, während er in Frankreich ohne die Sprachbarriere, die es nur ausnahmsweise in „The Artist“ nicht gab, ein viel breiteres Spektrum abdecken kann, was für einen Schauspieler immer die reizvollere Perspektive sein sollte.

Frage: Es ist ja ein romantisches Märchen, sind Sie selber realistisch? Sie wirken ja eher ein bisschen realistisch, oder sind Sie doch der romantische Typ, der an die ganz große Liebe glaubt, die alle Grenzen sprengt?
JD: Ja, ja, ja, ich mag es durchaus zu träumen, aber – mein Name ist Dujardin (klopft mit dem Fuß auf den Boden) das heißt, ich bin schon  fest mit dem Boden und der Erde verwurzelt. Wir Schauspieler lieben es, auch einmal ein anderer zu sein, die Figuren, die wir spielen sind oft viel interessanter als wir selbst, deswegen machen wir ja den Job so gerne. Und ob ich ein Romantiker bin… Doch, doch, ich bin durchaus romantisch, aber auch sehr zurückhaltend. Und ich liebe die Vorstellung von der absoluten Liebe, das rettet uns schließlich.

Frage: Sie sagten, sie fühlten sich in Frankreich ganz wohl. Wie empfinden Sie die momentane Stimmung in Bezug auf diese Terroraktionen und inwieweit sind in einer solch unsicheren Zeit Komödien wichtig, um die Menschen zu beglücken?
JD: Ich kann sehr wenig dazu sagen, das ist eine Situation ohne Präzedenzfall, so etwas hat es ja noch nicht gegeben. Man kann niemandem übel nehmen, jetzt erst mal eine Weile zu Hause zu bleiben. Dennoch hoffe ich, dass die Leute weiter ins Theater, ins Kino gehen, und das tun sie ja Gott sei Dank auch. Ich finde, es ist der Job der Politiker, etwas zu tun. Der Rechtsstaat ist wichtig, wir leben wirklich in extremen Zeiten, die Politik muss einfach die richtigen Mittel finden. Ich kenne diese Sätze, man dürfe keine Angst haben, das sind aber nur Phrasen. Ich habe sehr wohl Angst, habe auch Angst um meine Familie, aber gehe trotzdem hinaus, die Angst lähmt mich nicht, macht mich allerdings wachsam. Man muss die Leute dazu bringen, dass sie weiterleben, dass sie weiter ins Kino gehen, weiter ihr Leben leben, ihrem Beruf weiter nachgehen, so wie ich es auch tue, und – gerade jetzt – mein Land eben nicht verlasse, das wäre für mich wie desertieren. Es gibt ja Leute, die gehen aus steuerlichen Gründen, aber jetzt fände ich es feige, zu gehen. Ich mache weiter, mit meinen bescheidenen Mitteln als Künstler. 


"Mein ziemlich kleiner Freund"  - 

Ab 01.09.2016 im Kino

Donnerstag, 18. August 2016

Interview mit Jean Dujardin in Paris

Rendez-vous mit Jean Dujardin

Vor dem Filmstart von "Mein ziemlicher kleiner Freund" stand Jean Dujardin Ende Juli in Paris für Interviews zur Verfügung. 


Auf Einladung des deutschen Verleihs Concorde durfte ich daran teilnehmen.
  
Die Gespräche fanden in sehr netter Atmosphäre in einem Bistro statt und hier: 
https://www.youtube.com/watch?v=Vxw2rW1xEiU gibt es einen Ausschnitt davon.

Mittwoch, 17. August 2016

Film-Rezensionen: Mein ziemlich kleiner Freund (Un homme à la hauteur)


Mein ziemlich kleiner Freund (Un homme à la hauteur)

Dass die Franzosen ernste Themen unterhaltsam in eine Komödie verpacken können weiß man nicht erst seit „Ziemlich beste Freunde“. Nun startet „Mein ziemlich kleiner Freund“ (Originaltitel: „Un homme à la hauteur), ein Film, der auf leichte Art eine Liebesgeschichte unter schwierigen Umständen erzählt.

Diane (Virginie Efira) ist erfolgreiche Anwältin, die nach der Trennung von ihrem Mann die gemeinsame Kanzlei mit ihm weiterführt, wobei es aufgrund der persönlichen Spannungen zwischen den beiden immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen kommt. Nach einem anstrengenden Tag, kehrt sie erschöpft in ihre Wohnung zurück, als sie den Anruf eines sympathisch klingenden Mannes erhält. Er ist der Finder ihres Handys, das sie – passend zum Tag – nach einem Streit mit ihrem Ex in einem Bistro liegen gelassen hat. Alexandre – so stellt er sich vor – überredet sie zu einem Treffen, mittags, man weiß ja nicht, mit wem man es zu tun hat… Allerdings klingt seine Stimme angenehm und so geht Diane mit einem guten Gefühl zu dem Treffen, neugierig auf diesen Mann, der so charmant zu plaudern weiß.

Als er dann erscheint, weiß sie allerdings nicht, wie sie sich verhalten soll, denn Alexandre (dargestellt von Jean Dujardin) ist Architekt, kultiviert, bestens gekleidet – und misst lediglich 1,36 m. Diane hat in ihrem Verhaltenskodex offensichtlich kein Muster, das sie abrufen könnte und so lässt sie sich zögernd auf ihn ein, überrumpelt von seinem umwerfenden Charme und seiner Hartnäckigkeit. Er arrangiert für sie spannende und außergewöhnliche Treffen, bis sie mehr und mehr seine geringe Körpergröße zu vergessen scheint und in ihm nur noch den Mann sieht, der nach allen Regeln der Kunst um sie wirbt.

Dass Diane und Alexandre ein ungewöhnliches Paar sind, wird, wie zu erwarten, immer dann zum Problem, wenn sie nicht alleine sind. Es kommt zu einigen unangenehmen bis peinlichen Situationen, die beide zwar würdevoll meistern, aber es wird klar, dass sie in ihrer Beziehung mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen haben, als die meisten Paare üblicherweise zu bewältigen haben.

Dianes Fähigkeit, sich diesen Schwierigkeiten zu stellen wird immer wieder auf die Probe gestellt. Sie scheint sich zu fragen, was sie von einem Mann erwartet: Soll er nicht groß und stark sein, sie beschützen und buchstäblich auf Händen tragen, oder ist sie so emanzipiert, zu akzeptieren, dass seine Größe und Stärke eben auf anderem Gebiet liegen?

Es ist nicht so sehr offene Ablehnung dessen, was außerhalb der gewohnten Norm steht, mit der sie zu kämpfen haben, sondern es sind die kleinen scheinbar selbstverständlichen Dinge, die durch die Abweichung von dieser Norm nicht mehr so selbstverständlich erscheinen. Es ist eine Sache, Toleranz aus der Ferne zu üben, hautnah herangerückt wird diese immer wieder auf die Probe gestellt.

Neben diesem durchaus ernsten Anliegen des Film ist es dennoch eine Komödie, die auch vor einigen Slapstick-Momenten nicht zurückschreckt, hierfür sorgen ein großer Hund, aber auch vor allem die glänzend besetzten Nebenrollen in Gestalt von Dianes Mutter, ihrer Sekretärin und auch ihrem Ex-Mann, während Alexandres erwachsener Sohn (César Domboy), der ein wenig ziellos durch sein Leben irrt, für ein paar schöne Vater-Sohn-Momente sorgt.

Dem Film gelingt es, immer wieder anrührend zu zeigen, wie Alexandres – sicherlich hart erkämpftes – Selbstbewusstsein Risse bekommt, wenn er sich für Diane öffnet und ihr seine Verletzlichkeit zeigt, die niemand sonst zu sehen bekommt. Dies liegt vor allem an dem hervorragenden Jean Dujardin, dem George Valentin aus dem oscarprämierten Überraschungshit „The Artist“, der bereits in diesem kongenialen Stummfilm zeigen konnte, dass es nicht vieler Worte bedarf, um als Darsteller zu glänzen. Virginie Efira überzeugt ebenfalls als schöne und gleichermaßen emanzipierte Frau, die sich auf ein Abenteuer einlässt, dessen Ausgang ungewiss bleibt. Aber das trifft schließlich auf alle Liebesgeschichten zu.

„Mein ziemlich kleiner Freund“  – das Remake eines argentinischen Films „Corazón de León“ von Marcos Carnevale – startet am 01. September 2016 in den deutschen Kinos.



Regie: Laurent Tirard

Drehbuch: Laurent Tirard, Grégoire Vigneron


Kamera: Jérôme Alméras
Musik: Eric Neveux
Originalsongs: Emilie Gassin

Darsteller: Jean Dujardin, Virginie Efira, Cédric Kahn, Stéphane Papanian, César Domboy, Edmonde Franchi




Mittwoch, 13. Juli 2016

TV-Rezensionen: The Night Manager (2016) (Deutsch)


The Night Manager


„The Night Manager“ ist die Geschichte des Nachtportiers Jonathan Pine (Tom Hiddleston), der an seinem Arbeitsplatz – einem Luxushotel in Kairo – Zeuge eines schrecklichen Verbrechens wird. Er findet heraus, dass ein gewisser Richard Roper (Hugh Laurie) in die Geschichte verwickelt ist, ein Mann, der das Image eines humanitären Geschäftsmannes pflegt, hinter dessen edler Fassade sich jedoch die finstere Fratze eines skrupellosen Waffenhändlers verbirgt.

 Es ist klar, dass Jonathan allein nichts gegen Roper ausrichten kann. Erst ein paar Jahre später kommt er in Kontakt mit einer Unterabteilung des britischen Secret Service, in Gestalt der schwangeren, pragmatischen und in Bezug auf Roper besessenen Angela Burr (Olivia Colman). Jonathan und Angela verbindet derselbe Hass auf Roper, beide haben sich unabhängig voneinander der Mission verschrieben, diesen zur Strecke zu bringen, beide sehen die Chance, nunmehr gemeinsam dieses Ziel zu erreichen.

 Allerdings bedarf es eines raffinierten Plans, Jonathan in die Nähe von Roper zu bringen. Denn dieser durchlebt die Paranoia des einsamen Wolfs, der wohl oder übel auf eine Entourage angewiesen ist, sich aber bewusst ist, dass man niemandem trauen kann, am wenigsten den eigenen Verbündeten. Wer darauf trainiert ist, Verrat zu wittern, weiß, dass dieser meistens aus dem engsten Umfeld zu erwarten ist, denn nur wer so nahe ist, kennt auch die Achillesferse am besten.

 Jonathan ist der junge Siegfried, der sich aufmacht, den Drachen zu töten, seine eigene Achillesferse sind dabei die Frauen, die ihn zu großen Taten, aber auch zu einigen Dummheiten anspornen.

 Es gelingt, Jonathan in die Höhle dieses Drachens zu schleusen, die sich standesgemäß als stattliches burgähnliches Anwesen auf einer mallorcinischen Landzunge erweist, wo Roper seine finsteren Pläne schmiedet, die ihn reich und mächtig machen. Wir erfahren wenig über ihn, aber das Wenige reicht, um ihn als amoralisches Scheusal zu zeichnen. Weder sein kleiner Sohn noch seine schöne und geheimnisvolle Geliebte Jed (Elizabeth Debicki) geben ihm ein menschliches Antlitz. Der Sohn stellt den notwendigen Thronfolger dar und die Geliebte schmückt seine Eitelkeit, aber wahre Gefühle sucht man bei ihm vergebens.

 Neben den üblichen Männern fürs Grobe dienen Roper noch sein „Consigliere“ Sandy Langbourne (Alistair Petrie) und sein „Mädchen“ für alles, Lance „Corky“ Corcoran (Tom Hollander). Ersterer kümmert sich um geschäftliche und juristische Belange, während Letzterer ein Auge auf alles hat, was Roper gefährlich werden könnte, insofern wird er im Laufe der Zeit immer bedrohlicher für Jonathan.

 Die (zunächst) auf acht Folgen begrenzte Serie lebt von der Spannung, Jonathan und Angela beim Spinnen ihres für Roper tödlichen Netzes zu beobachten, wobei es weniger die Frage ist, ob, sondern wie und wann er sich darin verfangen wird. Jonathans Motive, sich auf diese selbstmörderische Unternehmung einzulassen, sind zum einen persönliche Rache – der Tod einer schönen Frau muss geahndet werden, auch wenn Roper nur mittelbar dafür verantwortlich ist. Zum anderen muss einem Scheusal wie Roper das Handwerk gelegt werden, und Jonathan entscheidet sich bewusst für diese Mission. Er ist nicht der Held wider Willen, seine Persönlichkeit wird ansatzweise als durchaus zwiespältig angedeutet, ohne dass tatsächlich ein klares Bild entsteht. Tom Hiddleston gelingt es nicht immer, die notwendige Tiefe seines Charakters zu zeigen, vielleicht bietet sich hierfür aber Gelegenheit in einer möglichen Fortsetzung der Serie. Auch die Rolle von Ropers Geliebter Jed bleibt am Ende vage, ihr angedeutetes Geheimnis wird nicht völlig gelüftet.

 Überhaupt ist das Ende eine Spur zu glatt und wohlfeil, Roper scheint zu bekommen, was er verdient hat, und alle sind glücklich und zufrieden. Hier fehlte am Schluss ein wenig der Biss, um die Neugier auf eine weitere Staffel anzustacheln.

 Die Serie wurde als TV-Miniserie durchaus aufwändig produziert und von der preisgekrönten dänischen Regisseurin Susanne Bier in Szene gesetzt. Sie wird wohl keinen so großen Kultstatus erlangen, wie andere zur Zeit gefeiert Serie, bietet aber solide und durchaus spannende Unterhaltung.

 

Besetzung:  

Tom Hiddleston                 Jonathan Pine

Hugh Laurie                       Richard Roper

Tom Hollander                   Lance Corcoran

Elizabeth Debicki               Jed Marshall

Olivia Colman                    Angela Burr

David Harewood                 Joel Steadman

Alistair Petrie                     Sandy Langbourne  


Regie:                                Susanne Bier



Drehbuch:                         David Farr, John le Carré (nach seinem gleichnamigen Roman)

Pressekonferenz München zu "Eddie the Eagle"

Press Conference Munich



On March 21,2016 at the ‪‎Munich‬ press conference for ‪‎EddieTheEagle‬ I asked ‪‎HughJackman‬ how far someone should go in order to realize his dreams - if one should even take the risk of getting killed or seriously injoured - and if Bronson Peary was actually helping Eddie or himself. Here is what Hugh said:

"I'm slightly nervous that a few people will watch this movie and just go onto a ski jump the next day. That's why I remind people that Eddie has broken his back and almost every bone in his body! ... But you know ... I think the message of the movie really is: whatever it is that you love to do - just do it, and actually the result doesn't matter! Doesn't actually matter if you make a living out it. For me as an actor, I was doing amateur musicals and amteur plays. I did them at school, I just loved it, I never really thought it'd be a profession, that sort of just happened. But if that had not happened, I probably would still be down the road at the local playhouse, 'cause it's something I enjoyed. ... It's a reminder: do the thing you love, even if it's uncool, even if it's crazy - but have a good think about it if it could kill you!

And good question about... I think, Bronson Peary is someone who had it all in terms of talent and opportunity. He was some sort of protégé in the time, and the literal opposite in some ways of Eddie, who had all the heart and the determination, the perseverance. He came to it late, I had everything laid out before me and sort of blew it. And this is in a a way his second chance. And I do love this part of the story of two friends, who are in many ways complete opposites, who are completely honest with each other, because in a way they have nothing to lose, and they bring out the best in each other."

Dienstag, 12. Juli 2016

Film-Rezensionen: X-Men-Apocalypse (2016) (Deutsch)


X-Men: Apocalypse

Ein Film mit dem Begriff „Apocalypse“ im Titel impliziert keinen ruhigen Abend im Kino und so zündet dann auch gleich in der Anfangssequenz ein Feuerwerk an Spezialeffekten, dass von vorneherein klar ist: Hier kommt bis zum finalen Showdown – auf den dies natürlich nur hinauslaufen kann – etwas auf uns zu!


Die Geschichte knüpft zeitlich an den Vorgängerfilm „Days of Future Past“ an, der die Gemeinschaft der Mutanten vor der Vernichtung in der Zukunft bewahrt hat, dadurch dass Mystique (Jennifer Lawrence) in den siebziger Jahren davon abgehalten werden konnte, Präsident Nixon zu ermorden, was unweigerlich zum Ende aller Mutanten aufgrund der dann erfolgten Entwicklung der als Mutanten-Killer entwickelten Sentinels geführt hätte. Am Ende von „Days of Future Past“ finden sich alle die Mutanten zusammen, die im Folgenden die Geschichte weiterspinnen werden, d.h. die „junge Generation“, die mit „X-Men First Class“ bereits eingeführt wurde – mit Ausnahme von Wolverine, der quasi aus der Handlung herauskatapultiert wurde. Magneto (Michael Fassbender) schließt sich der Gruppe nicht an, spielt aber im aktuellen Film wieder eine entscheidende Rolle.


Allen Mutanten ist bekanntermaßen zu eigen, dass sie jeweils über eine besondere Kraft oder Gabe verfügen, manche sind mächtiger, manche weniger, und um ihre Fähigkeiten auch nutzbringend einzusetzen, wurde seitens des Militärs wiederholt an einer Bündelung dieser Kräfte gearbeitet, so zum Beispiel bei der Entwicklung der „Weapon X“ durch William Stryker

Dass es in grauer Vorzeit einen Mutanten namens En Sabah Nur gab, der bereits die Summe aller nach ihm geborenen in sich vereint, der demgemäß der mächtigste und kraftvollste Mutant aller Zeiten mit dem programmatischen Mutanten-Namen Apocalypse ist, war der jetzt lebenden Mutantengeneration nicht bekannt, weil er seit tausenden von Jahren gefangen in Ägyptens Erde lag. Dort wartete er auf seine Erweckung, wie der Sage nach Kaiser Barbarossa in seinem Kyffhäuser Berg, der mit seinen Getreuen bereit ist, nach dem Erwachen das Reich zu retten und zu neuer Herrlichkeit zu führen. Ähnliches hat auch Apocalypse (dargestellt von Oscar Isaac) im Sinn, als er plötzlich im Jahr 1983 zum Leben erwacht, auch seine Wiederkehr soll die Erde von allem Übel befreien, allerdings um den Preis, dass sie vorher in ihrer bestehenden Form vollkommen vernichtet wird, um dann ein neues, geläutertes Reich unter der Herrschaft von Apocalypse aufzubauen.


Apocalypses Erwachen verursacht buchstäblich ein Erdbeben, das weltweit registriert wird, und somit auch in der von dem noch jungen Professor Charles Xavier (James McAvoy) aufgebauten Schule, in der wir dem bereits bekannten Hank McCoy (Nicholas Hoult), dem später dazustoßenden Quicksilver/ Peter Maxcimoff (Evan Peters) sowie den neu eingeführten jüngeren Versionen von Jean Grey (Sophie Turner), Cyclops (Tye Sheridan) und Nightcrawler/ Kurt Wagner (Kodi Smit-McPhee) begegnen.


Um sein Ziel der Weltherrschaft zu erreichen schart auf der anderen Seite Apocalypse ein paar getreue Anhänger um sich (wem kämen da nicht die vier apokalyptischen Reiter der Bibel in den Sinn…), Mutanten, denen er auf seinen ersten Schritten begegnet, deren Fähigkeiten er nach seinem Geschmack optimiert. Bald ist das Quartett bestehend aus der jungen Storm (Alexandra Shipp), der neu eingeführten Psylocke (Olivia Munn), Angel (Ben Hardy) und eben Magneto komplett und bereit, gegen alle Welt, aber eben auch gegen ihre Mutantenkollegen in den Krieg zu ziehen.


Hinzu kommen noch einige weitere Mutanten auf beiden Seiten, als einzige Vertreter der Gattung Homo sapiens spielen die CIA-Agentin Moira MacTaggart (Rose Byrne) und der junge William Stryker (Josh Helman) eine Rolle, alles in allem eine etwas zu groß geratene Schar an Akteuren.


Damit folgt der Film allerdings seiner Gesamt-Maxime: viel hilft viel, im Endergebnis leider in allem immer eine Spur zu viel.

Die – durchaus hochklassigen – Action-Szenen folgen der üblichen Choreographie, aus ruhigen Zwischen-Sequenzen entwickelt sich die nächste spektakuläre Achterbahnfahrt, Zerstörung und Gemetzel in gleichbleibend hoher Taktzahl. Leider bleibt dabei stellenweise der bisherige Charme der X-Men-Reihe auf der Strecke, in der den einzelnen Charakteren immer auch eine gewisse Tiefe verliehen wurde. Dies ist besonders eklatant im Falle des Hauptbösewichts Apocalypse, der zu keinem Zeitpunkt mehr ist, als der Motor, der die Action antreibt. Er hat keine Ideologie, der er folgt, bleibt seelenlos und bietet keinen Ansatzpunkt für irgendein Verständnis seiner Mission. Hatte zum Beispiel Bolivar Trask in „Days of Future Past“ den durchaus ehrenwerten Gedanken im Hinterkopf, die Menschheit zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus den gegeneinander geführten Kriegen zu befreien und gegen einen gemeinsamen Feind – die Mutanten – zu vereinen – unabhängig davon, ob dieser Zeck seine eingesetzten Mittel heiligt – so folgt Apocalypse nur dem einen Ziel: alles muss vernichtet werden, damit es neu entstehen kann. Eine solche Prämisse erlaubt nur ein einziges Gegenmittel, nämlich die Vernichtung des Apolcalypse seinerseits. Hier haben sich aber Bryan Singer und der wiederum für das Drehbuch verantwortliche Simon Kinberg selber eine Falle gestellt, in der eigentlich unlösbaren Aufgabe, einen Mutanten zu vernichten, den sie selbst als übermächtig und unbesiegbar definiert haben.


Wie dies schließlich natürlich doch gelingt, braucht im Einzelnen nicht verraten werden, nur soviel: die Botschaft am Ende ist so schlicht wie unwiderlegbar: gemeinsam können wir es schaffen, eine Gemeinschaft ist letztlich immer stärker als der potenteste Einzelkämpfer.
Bis dahin ist es bei einer Filmlänge von 144 Minuten allerdings ein weiter Weg.


Der Verzicht auf einige Handlungsstränge, die zum Teil der angesprochenen Vielzahl an Mutanten geschuldet sind, hätte dem Film gut getan. Der gerade in den ersten beiden X-Men-Filmen, aber auch noch in „Days of Future Past“, so auflockernde Humor kommt dagegen leider zu kurz, man muss zwischen den tosenden Actionwogen schon sehr genau hinhören, um den einen oder anderen leisen oder witzigen Zwischenton nicht zu verpassen. Ironischerweise wird gerade in dieser Hinsicht Wolverine (Hugh Jackman) besonders schmerzlich vermisst, dieser mürrische, widerborstige Charakter mit dem schlagfertigen Humor hat den Vorgängerfilmen seine Seele und damit seinen Stempel aufgedrückt. Er hat zwar tatsächlich einen kleinen, nicht ganz unwichtigen Gastauftritt, in dem er sich durch eine Reihe von störenden Gegnern metzelt, letztlich spielt er für den neuen X-Men-Spirit bedauerlicherweise keine Rolle mehr.

Es ist offensichtlich, dass sich die Macher von X-Men Apocalypse an einem neuen, jüngeren Publikum orientieren, ob dies erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Man riskiert zumindest, das bisherige Publikum zu verlieren, das mit den vielen jungen Akteuren nicht allzu viel anfangen kann, und ob man sich auf das jetzige junge Publikum verlassen kann, bleibt angesichts der Überangebots and Blockbuster- und Superheldenfilmen abzuwarten. Eine offensichtliche Anbiederung an jüngere Zuschauer ist beispielhaft die Darstellung der Mystique, die sich fast ausschließlich in ihrer eigentlich doch so verhassten Raven-Gestalt präsentiert, wohl um ihren Fans keine durchgehend blau gefärbte Jennifer Lawrence zuzumuten.
Insgesamt ist der Film durchaus unterhaltsam, er bietet er jede Menge Spektakel in beeindruckender 3D-Optik. Wenn man sich darauf einlässt können auch die genannten Einschränkungen den Spaß nicht verderben.


Sehenswert aus der großen Riege von Akteuren ist auf jeden Fall James McAvoy, der den unerschütterlichen Glauben und Optimismus von Charles Xavier wieder herausragend verkörpert. Evan Peters’ Quicksilver kommt diesmal ein wenig ernster daher, hat er doch damit zu kämpfen, zu entscheiden, ob er sich seinem Vater offenbart, der von seiner Existenz nichts weiß. Dies hindert ihn aber nicht an einem weiteren originellen und spektakulären Speedauftritt. Obwohl diesmal der Überraschungseffekt aus „Days of Future Past“ fehlt, macht er genauso viel Spaß, wie beim ersten Mal. Kodi Smit-McPhee schafft den Spagat, seinem Charakter Nightcrawler sowohl furchteinflößende als auch komische Seiten zu verleihen. Für Michael Fassbender gibt es die Gelegenheit, in shakespearehafter Manier um den Verlust seiner kitschig-schönen kleinen Welt zu trauern, in die er sich dach seinem Scheitern in „Days of Future Past“ geflüchtet hat, dies gerät allerdings eine Spur zu theatralisch. Hugh Jackman zeigt einmal mehr, welche Präsenz er seinem Charakter Wolverine über die Jahre verliehen hat. Nach seinem kurzen, sprachlosen Power-Einsatz sorgt er paradoxerweise für einen der wenigen sehr stillen Momente des Films.
Wer den obligatorischen kurzen Hinweis auf kommende Ereignisse nicht verpassen will, muss natürlich auch in diesem Film bis zum letzten Buchstaben des kompletten Abspanns warten, wird hier der neue Schurke für den finalen Wolverine-Film angekündigt?


Ausdrücklich betont sei zum Schluss, dass die Comicvorlagen keine Grundlage für diese Rezension darstellen, inwieweit diese Vorlagen adäquat umgesetzt wurden, bleibt der Beurteilung der Comicexperten vorbehalten.



Titel: X-Men: Apocalypse

Regie: Bryan Singer

Drehbuch: Simon Kinberg, nach einer Story von Bryan Singer, Simon Kinberg, Michael Dougherty, Dan Harris

Musik: John Ottman

Visuelle Effekte: John Dykstra

Darsteller: James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Oscar Isaac, Nicholas Hoult, Rose Byrne, Tye Sheridan, Sophie Turner, Olivia Munn, Lucas Till, Kodi Smit-McPhee, Evan Peters

Laufzeit: 144 min.
Deutscher Start: 19.Mai 2016