Florence Foster Jenkins
Der Film erzählt die (wahre) Geschichte der reichen Erbin
Florence Foster Jenkins (hinreißend dargestellt von Meryl Streep), die es sich
Im New York der 40ger Jahre zur Aufgabe gemacht hat, unter Einsatz ihres nicht
unbeträchtlichen Vermögens und einer überwältigenden Leidenschaft ihren
Mitbürgern klassische Musik näher zu bringen. Unterstützt wird sie dabei von
ihrem britischen Ehemann, St. Clair Bayfield (tadellos: Hugh Grant), einem
alternden Schauspieler, dem der entscheidende Erfolg auf der Theaterbühne
verwehrt geblieben ist. Zusammen tritt das Paar im von beiden gegründeten
Verdi-Club vor einem ausgewählten Publikum der New Yorker Society auf. In
legendären Tableaux vivants deklamiert St. Clair unsterbliche Verse, während Florence
in schrillen Kostümen für deren Untermalung sorgt.
Florences eigentliche Leidenschaft gilt jedoch der Oper, und
ein Konzert in der Carnegie Hall weckt in ihr das Verlangen, Gesangsunterricht
zu nehmen, ein Wunsch, den ihr St. Clair sogleich erfüllt. Die Aufgabe
übernimmt – gegen ein üppiges Honorar – ein renommierter Musiker. Außerdem
bekommt der mittellose junge Pianist Cosmé McMoon (herrlich verhuscht: Simon
Helberg) die Chance auf ein fürstliches Gehalt, um Madame Florence musikalisch
zu begleiten. McMoon kann sein Glück kaum fassen und sieht aufgeregt seiner
ersten Stunde mit ihr entgegen. Die Spannung weicht jedoch einem ungläubigen
Entsetzen, als Florence ihre Stimme erhebt, denn die Gute ist leider völlig
unmusikalisch. Ohne Gefühl für Intonation und Rhythmus verfehlt sie haarscharf
jeden Ton, was aber weder Gesangslehrer noch Gatte zu bemerken scheinen,
vielmehr wird sie von beiden freundlich ermutigt.
Florence wagt sich an die schwierigsten Arien und nichts
kann sie davon abhalten, diese auch in öffentlichen Auftritten zu Gehör zu
bringen. St. Clair sorgt allerdings stets peinlich genau dafür, dass wirklich
nur ein ausgewähltes Publikum zugelassen ist, so dass Florence nie erfährt, wie
untalentiert sie in Wirklichkeit ist. Als sie sich eines Tages in den Kopf
setzt, in der Carnegie Hall aufzutreten, wird die Sache brenzlig, denn alles
andere als eine unglaubliche Blamage wäre eine Überraschung. Alle Versuche
McMoons, sich aus dieser auch für ihn peinlichen Situation herauszuwinden
scheitern, letztlich auch daran, dass sein Engagement einfach zu lukrativ ist
und er auf andere Art wahrscheinlich nie die Chance erhalten wird, einmal in
der Carnegie Hall zu spielen.
Auch St. Clair gelingt es nicht, Florences Auftritt zu
verhindern, und diesmal liegt es nicht in seiner Macht, auf die Zusammensetzung
des Publikums Einfluss zu nehmen, insbesondere einen besonders kritischen
Journalisten fernzuhalten, der die Gelegenheit nutzt, endlich einmal die
Wahrheit über Florences Sangeskunst zu schreiben. St. Clair und McMoon setzen
alles daran, zumindest zu verhindern, dass Florence seine Rezension zu lesen
bekommt, aber auch das misslingt…
Einen weiteren tragischen Aspekt erhält die Geschichte, wenn
der Zuschauer erfährt, dass Florence schwer krank ist. Seit jungen Jahren
leidet sie an Syphilis, die damalige Behandlung dieser Krankheit mit
Quecksilber hat zwar ihr Leben gerettet, aber ihre Gesundheit dauerhaft
ruiniert, wovon außer ihrem Mann nur wenige Menschen wissen.
Aufgrund der Krankheit lebt das Paar absolut enthaltsam,
weswegen St. Clair eine Beziehung zu einer anderen Frau unterhält, was auch von
Florence toleriert wird. Mit seiner „Zweitfrau“ lebt er zusammen, wann immer er
das Gefühl hat, dass es Florence gut geht und sie aufs Beste versorgt ist, dafür
tut St. Clair alles, aufopfernd, unerschütterlich und mit einer rührenden
Zärtlichkeit. Es ist ein Arrangement der besonderen Art, alle Beteiligten
scheinen damit glücklich zu sein, wer wollte ihnen dieses Glück streitig
machen? Muss man in einem solchen Fall nicht von wahrer Liebe sprechen?
Der Film orientiert sich am Leben der echten Florence Foster
Jenkins, und es gelingt Stephen Frears wie gewohnt meisterhaft, die anrührende
Geschichte ohne Pathos und Kitsch in Szene zu setzen. Er lässt das New York der
40ger Jahre des vorigen Jahrhunderts lebendig werden, Kulisse und Kostüme
schwelgen in nostalgischen Bildern, aufgeschreckt nur durch die schrillen Töne
der Hauptperson.
Der Zuschauer ist zunächst hin- und hergerissen, kann es
richtig sein, eine offensichtliche Wahrheit nicht auszusprechen und jemanden in
einer Fantasiewelt leben zu lassen, auch wenn stets die Gefahr besteht, dass es
zu einem bösen Erwachen kommt? Ist die Lüge ein legitimes Mittel um einen Zweck
zu erreichen, sei er noch so ehrenvoll? Aber dem von Hugh Grant mit
überzeugender Hingabe dargestellten St. Clair stellen sich diese Frage nicht,
er handelt aus Liebe, und durch ihn bekommt das Leben seiner Frau eine
besondere Würde, ein Leben, das angesichts ihres Schicksals so anders hätte verlaufen
können, verhärmt und verbittert, in Schwermut und Melancholie. Stattdessen
erlebt Florence viele wunderschöne Momente, die wahrscheinlich nur Meryl Streep
mit einer gleichermaßen kindlichen wie überschwänglichen Freude vermitteln
kann.
Florence Foster Jenkins lebt ihren Traum und als ihr Ende
bevorsteht, zieht sie ihr Fazit: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass
ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen
hätte.“
Besser kann man nicht von der Bühne abgehen…
Regie: Stephen Frears
Drehbuch: Nicholas Martin
Kamera: Danny Cohen
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg,
Rebecca Ferguson, Agnes Stark
Dauer: 110 Minuten
Start: 24. November 2016
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