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Mittwoch, 29. September 2021

Im Kino: Keine Zeit Zu Sterben (No Time To Die)

James Bond im Ruhestand auf Jamaica mit Madeleine Swann (Léa Seydouy), der Dame seines Herzens – kann dies das Ende seines Dienstes für sein Land und Ihre Majestät sein? Wohl kaum, und so gibt es natürlich einen wichtigen Grund, wieder aktiv zu werden. Sein alter Weggefährte Felix Leiter (Jeffrey Wright) benötigt Hilfe bei der Suche nach einem entführten Wissenschaftler, aber für Bond ist der Weg zurück nicht ganz so einfach. Zum einen wird sein Vertrauen in Madeleine erschüttert, zum anderen wird er an seiner alten Wirkungsstelle plötzlich nur noch mit einem „Besucher"-Schild am Revers von M (Ralph Fiennes) empfangen, dort gibt es eine neue Doppel-Null Agentin namens Nomi (Lashana Lynch), die anscheinend bereits seinen Platz eingenommen hat. Aber der Schurke Lyutsifer Safin (Rami Malek), der die Menschheit mit einer supermodernen Waffe in Gestalt von Nanobots bedroht, die es möglich machen nur bestimmte Menschen über deren DNA auszuschalten, erfordert die geballte Bond-Kraft, angewachsen in nunmehr fast 60 Jahren, um einmal mehr die Welt zu retten. Der Preis dafür ist allerdings für fast alle Beteiligten so hoch wie selten…

Bei dem mehrfach verschobenen, sehnsüchtig erwarteten Film, der nun endlich in die Kinos – und zunächst auch tatsächlich nur in die Kinos! - kommt, wurde diese Sehnsucht in immer höhere Erwartungssphären geschraubt, was die Dinge immer schwierig macht, denn nun muss er sich an diesem Anspruch messen lassen.

 „No Time to Die“ ist die erklärte letzte Vorstellung von Daniel Craig, dem nicht unumstrittenen sechsten Darsteller des ewigen Agenten mit der Lizenz zum Töten. Er hat neue Züge erkennen lassen, Selbstzweifel, Gefühle, Bindungen zu Frauen, wo es zuvor meistens lose Affären gab, nur zwei Dinge sind immer gleich geblieben: Die erfolgreiche Weltrettungsmission und die Martinis - shaken, not stirred. In seiner Ägide schienen Craig und damit sein Alter Ego immer kurz vor dem Abschied zu stehen, und nun wird es wohl tatsächlich keinen weiteren Auftritt von ihm – also Craig – geben. Alles übrige bleibt Spekulation und am Ende steht auf jeden Fall das Versprechen, dass es weitergeht. Nur wie – und mit wem?

Die Frage, ob diese Reihe unbedingt weitergeführt werden muss, mag jede oder jeder für sich selbst entscheiden, aktuell wird zwar noch einmal aus dem Vollen geschöpft, mit Action vom Feinsten, die allerdings inzwischen auch viele andere Franchise-Reihen bieten. Es gibt nostalgische Anklänge und für Kenner Zitate aus früheren Bond-Filmen, eine rührende Hommage an die verstorbene M (Judi Dench), und es gibt einen weiteren (Haupt-)Bösewicht, der von Rami Malek sehr zurück genommen aber gleichwohl intensiv dargestellt wird. Sein Lyutsifer Safin verfolgt perfide Ziele wie alle Bösewichter vor ihm, und wie viele dieser Figuren versucht er, sich mit Bond zu vergleichen. Beider Anspruch, die Welt ein wenig besser zu machen, rechtfertigt in seinen Augen ihre jeweiligen Methoden, aber dafür wird er von seinem vermeintlichen Bruder im Geiste als „angry little man“ abgekanzelt und ohne mit der Wimper zu zucken zu gegebener Zeit aus eben jener Welt entfernt.

Letztlich sind einige der immer wiederkehrenden Elemente aber doch ein wenig in die Jahre gekommen und hier steht sicher Reformbedarf an. Ansetzen könnte man, indem der augenzwinkernde, feine Humor wiederkehrt, wie er bereits in diesem Film anklingt. Ein diesbezüglicher Höhepunkt ist die leider recht kurze Episode mit der wunderbaren Ana de Armas, sexy und witzig zugleich, so viel frischer Wind war lange nicht! Und wenn darüber nachgedacht wird, aus der Bondfigur vielleicht eine Frauenrolle zu machen…

Ob der Film in diesen schwierigen Kino-Zeiten den erhofften Erfolg bringt, wird sich bald zeigen, aber verdient hätte er es allemal, denn schlecht ist er beileibe nicht, vielleicht kann er nur nicht alle in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen.

 


 Regie: Cary Joji Fukunaga

Drehbuch: Neil Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge, b/s der Vorlage und den Charakteren von Ian Fleming

Kamera: Linus Sandgren

Schnitt: Tom Cross, Elliot Graham

Musik: Hans Zimmer

 

Besetzung:

Daniel Craig, Rami Malek, Léa Seydoux, Lashana Lynch, Ralph Fiennes, Christoph Waltz, Ben Wishaw, Naomi Harris, Jeffrey Wright, Ana de Armas, Rory Kinnear

 

MGM/ Universal Pictures

2021

FSK 12

163 min.

 

Deutscher Kinostart: 30. September 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=TXp-oF5TCo0 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=A9bAepYiDRI (Englisch)

 

 

Donnerstag, 23. September 2021

Heimkino: Mein Jahr in New York (My Salinger Year)

Die blutjunge Joanna (Margaret Qualley) kommt in den 1990ger Jahren nach New York, um Schriftstellerin zu werden. Über einen Assistentinnen-Job in einer Literaten-Agentur, deren berühmtester Autor der legendäre J.D. Salinger ("Der Fänger im Roggen") ist,  möchte sie Erfahrungen im Literaturbetrieb sammeln, aber ihre Hauptaufgabe besteht darin, Fanbriefe an Salinger zu schreddern. Als ihre Chefin Margaret (Sigourney Weaver) ihr schließlich das Angebot macht, selbst Autoren zu betreuen, muss sie sich entscheiden: Anderen Stimmen zum Durchbruch verhelfen, oder ihre eigene Stimme finden?

Der Film des kanadischen Regisseurs Falardeau war der Eröffnungsfilm der Berlinale 2020 und wurde ein weiteres Opfer von Corona. Vordergründig eine leidenschaftliche Hommage an die Literatur und den Literaturbetrieb hätte die autobiographische Geschichte der Autorin Joanna Rakoff es verdient gehabt, ihr Publikum im Kino zu bekommen. Nun besteht die Möglichkeit, sich dieses kleine aber feine Werk ins Heimkino zu holen.

Was den Film neben den Bezügen und Einsichten in den Literaturbetrieb sehenswert macht, ist das Porträt seiner Protagonistin, einer jungen Frau auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Mehrfach steht die unerfahrene Joanna sowohl privat als auch beruflich vor einem Scheideweg und sie wählt jeweils mit Bedacht, aber vor allem ihrer Leidenschaft folgend. So hätte sie zu Anfang eigentlich ihrem in Berkeley studierenden Freund folgen sollen, aber sie geht nach New York, weil sie sich da als zukünftige Schriftstellerin besser aufgehoben fühlt. Dort ist sie zunächst nicht auf Rosen gebettet, aber sie ist bereit, auch Umwege in Kauf zu nehmen, zu lernen, dann aber auch mit etwas abzuschließen, wenn es für die Verwirklichung ihrer Träume notwendig wird. Eine weitere Beziehung beendet sie, als ihr klar wird, dass sie darin nicht glücklich ist, ebenso verfährt sie mit ihrer möglichen Karriere in der Autorenbetreuung, die für sie nur einen Schritt auf ihrem eigenen Weg bedeutet.

So jung und unbedarft Joanna zunächst scheint, so kompromisslos und stark zeigt sie sich bei ihren Entscheidungen, niemals den einfachen Weg zu wählen, sondern das anzugehen, was sie sich vorgenommen hat, und zu sehen, wie weit sie damit kommt.

Das Ganze ist bedächtig und mit viel Wärme erzählt und lässt den beiden Hauptdarstellerinnen den Raum, den sie für ihre Charakterzeichnungen brauchen, dabei sind es manchmal kleine Gesten, die eine große Wirkung entfalten. Sigourney Weaver darf glänzen, aber auch die junge Margaret Qualley behauptet sich eindrucksvoll neben dieser Ikone des Kinos, alles in allem starkes Erzählkino ohne spektakuläre Höhepunkte, dafür mit der eindringlichen Dramaturgie, die nur das Leben so schreibt.


 Regie: Philippe Falardeau

Drehbuch: Philippe Falardeau, b/a Biographie von Joanna Smith Rakoff

Kamera: Sara Mishara

Schnitt: Frédérique Broos, Mary Finlay

Musik: Martin Léon

 

Besetzung:

Sigourney Weaver, Margaret Qualley, Brian F. O’Byrne, Colm Feore, Yanic Truesdale,

 

Koch Films

Can/ Irland 2020

101 min.

FSK 0

 

Ab 23. September 2021 auf Blu-ray und DVD (Digital ab 09. September 2021)

 

Details Blu-ray:

Sprachen: Englisch, Deutsch

Untertitel: Deutsch

Bild: 1,85:1 (1080p)

Ton: DTS-HD Master Audio 5.1

Bonusmaterial:

- Interviews mit Margaret Qualley, Philippe Falardeau  und Joanna Rakoff

- Mein Jahr in New York auf der Berlinale 2020

- Trailer deutsch/englisch

  Trailershow

EAN-Code 4020628719180

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=um1mwGnHjXg (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=05jdkAUwGPM (Englisch)

Im Kino: Schachnovelle

Kurz vor dem Einmarsch der Nazis in Österreich im Jahr 1938 erhält der Wiener Anwalt und Vermögensverwalter Josef Bartok (Oliver Masucci) die Warnung, dass er in Gefahr ist. Bevor er und seine Frau Anna (Birgit Minichmayr) das Land verlassen können, vernichtet Bartok Unterlagen, deren Daten er sich vorher einprägt. Er wird tatsächlich verhaftet und soll diese Daten preisgeben. Als er sich weigert, schickt ihn der Gestapo-Leiter Böhm (Albrecht Schuch) in Isolationshaft im Hotel Métropole, eine perfide Art der Folter, der sich Bartok mithilfe imaginärer Schachpartien zu entziehen versucht, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen.

Die Verfilmung der berühmten Novelle des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig lehnt sich in einigen Teilen sehr eng an die Vorlage an, erlaubt sich aber auch davon abweichende Freiheiten. So streicht der Film den Erzähler, der in der Novelle die ganze Geschichte nur vom Hörensagen, nämlich durch die Schilderungen des Dr. B. erfährt, und setzt an die Stelle des Erzählers den Anwalt Bartok selbst. Wo es in der Novelle fast ausschließlich um geschlossene und verengte Räume geht, schwelgt der Film in der Darstellung einer hinzugefügten Vorgeschichte etwas zu sehr in plüschigem, ausladend ausgestattetem Ambiente, wenngleich durchaus eine morbide Stimmung heraufbeschworen wird, der sich das Ehepaar Bartok an seinem letzten Abend zusammen noch zu entziehen versucht: „Solange Wien tanzt, kann die Welt nicht untergehen.“ Natürlich kann sie das, und dafür steht, was danach folgt.

Dem Film gelingt dabei das Kunststück, sozusagen in den Kopf des Protagonisten einzudringen, in dem sich große Teile der weiteren Handlung abspielen und die Qualen eines Menschen spürbar werden zu lassen, der, wie die Figur des Bartok zu Anfang selbst sagt, zu seinem Wohl und seiner Gesundheit unbedingt auf geistige Nahrung angewiesen ist, um nicht zu "verhungern" und führt eindrucksvoll vor Augen, was es bedeutet, ohne Anregung und Ansprache über Wochen und Monate in der klaustrophobischen Enge des eigenen Ichs auf engstem Raum eingesperrt zu sein. Dies ist zum einen der großartigen Darstellung des Bartok durch Oliver Masucci zu verdanken, aber auch seinem Gegenspieler, dem einmal mehr brillierenden Albrecht Schuch, der sich als sanfter Folterknecht die Hände nicht schmutzig macht und dennoch ohne mit der Wimper zu zucken die schlimmste aller Grausamkeiten anordnet. Sowohl die einsamen Leiden des Bartok wie auch das intensive Duell der beiden Kontrahenten während der Verhöre bieten die stärksten Momente des Films.

Die Rahmenhandlung auf dem Schiff, das den befreiten Bartok später nach Amerika bringen soll, wo seine besiegt geglaubten Dämonen wieder geweckt werden, als auch das Ende des Films fallen zwar gegenüber den zuvor geschilderten starken Momenten ein wenig ab, aber dennoch ist der Film die gelungene Umsetzung eines, trotz der historischen Einbettung in eine schreckliche Zeit, zeitlos bedeutenden literarischen Werks.

Der Autor Stefan Zweig, der sich noch vor Veröffentlichung seiner Novelle im Jahr 1942 im brasilianischen Exil selbst tötete, hat weder das Ende der Naziherrschaft noch den Erfolg seines Werks miterlebt, Erlösung hat ihm seine Reise gen Amerika ebenso wenig gebracht, wie seinem Protagonisten Dr. B., was bleibt ist jedoch das bewegende Porträt eines Kämpfers, der sich nicht brechen lässt, auch wenn es ihn am Ende seinen Verstand und seine Gesundheit kostet.

 



 

Regie: Philipp Stölzl

Drehbuch: Eldar Grigorian b/a der Novelle von Stefan Zweig

Kamera: Thomas W. Kiennast

Schnitt: Sven Budelmann

Musik: Ingo Frenzel

 

Besetzung:

Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Rolf Lassgård, Samuel Finzi, Andreas Lust

 

Studiocanal Film/ StudioCanal Germany

D/ Au 2021

FSK 12

110 min,

 Deutscher Kinostart: 23. September 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pNy72-VYXx4

Dienstag, 14. September 2021

Im Kino: Dune

Arrakis, der Wüstenplanet, wäre ein Ort voller Schönheit und Stille, hätte man dort nicht den begehrten Stoff Spice gefunden, ohne den die interstellare Raumfahrt nicht möglich ist. Seither wird der Planet von wechselnden Herrscherhäusern ausgebeutet und die Bewohner von Arrakis, das Volk der Fremen, unterdrückt. Als das Haus Atreides das bisherige Haus Harkonnen als Spice-Schürfer ablösen soll, kommt es zum Kampf aller gegen alle: Während die Harkonnen ihr Privileg nicht kampflos abgeben wollen, stemmen sich die Fremen gegen die Ausbeutung ihres Planeten, durch wen auch immer. Dabei erwarten sie die Ankunft eines Mahdi/ Messias, und dieser könnte in Gestalt des jungen Paul Atreides (Timothée Chalamet) nach Arrakis gekommen sein. Paul, Sohn von Leto (Oscar Isaac), Chef des Hauses Atreides und dessen Geliebter Jessica (Rebecca Ferguson), ihrerseits Mitglied der geheimnisvollen Gilde der Bene Gesserit, wird von Träumen und Visionen geplagt, aber ist er tatsächlich der von den Fremen so sehnsüchtig erwartete Erlöser?

Die Geschichte von „Dune“, wie sie einst der Autor Frank Herbert Mitte der 1960ger Jahre ersonnen hat, spielt in ferner, ferner Zukunft in einem feudalistischen Gesellschaftssystem, in dem Familienclans, die Großen Häuser, ausführen, was ein Imperator an der Spitze bestimmt. Teile des Weltalls wurden besiedelt, Computer und künstliche Intelligenz hingegen sind verpönt, weil die Menschen dadurch das Denken verlernen. So haben sich einige geistig hoch stehende Gruppierungen entwickelt, wie die Mentaten und die Schwesternschaft der Bene Gesserit, die spirituell, wissenschaftlich und wirtschaftlich ihren Einfluss geltend machen. Diese und viele weitere Details erklärt der Film nicht, für Kenner des Werks von Frank Herbert sind sie selbstverständlich, für alle anderen zumindest ansatzweise zu erschließen, was gleichzeitig Stärke und Schwäche des Films bedeuten kann. So kommt er ohne lange Erklärungen aus dem Off aus, abgesehen von einer kurzen Einführung durch die Figur der Fremen-Frau Chani (Zendaya), und lässt dadurch der Handlung ganz elegant ihren Lauf, was die Dune-Adepten entzücken dürfte, während es für die Uneingeweihten einiges an Vor- oder Nacharbeiten bedeutet, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Ob sich hierdurch mehr Zuschauer angezogen als abgeschreckt fühlen werden, bleibt abzuwarten, allerdings dürfte dies darüber entscheiden, ob es eine Fortsetzung dieses opulenten Films geben wird. Dass Herberts Vorlage unverfilmbar sei, wie es der Versuch des exzessiv-surreal-verqueren David Lynch aus dem Jahr 1984 bestätigt habe, sollte aber bereits jetzt widerlegt sein.

Auch ohne die komplizierte Hintergrundgeschichte zu kennen und auch wenn beim mächtigen Soundtrack von Hans Zimmer manches Mal weniger mehr gewesen wäre, ist der Film ein Erlebnis, das seine ganze Wirkung natürlich nur auf der großen Leinwand entfalten kann. Grandiose Bilder von riesigen wie Kathedralen anmutende Hallen, allerdings ohne jeglichen das Auge erfreuenden Schmuck, beeindrucken ebenso, wie die Weiten der Wüsten mit ihren unheimlichen Phänomenen. Archaisch anmutende Kämpfe, geheimnisvolle Charaktere und Figuren lassen eine gleichzeitig fremde und vertraut wirkende Welt erstehen, in der die Menschen ihren Drang zur Macht und ihren Hang zu dessen Missbrauch nicht abgelegt haben, aber durch mentale Kräfte und mystische Elemente – auch mit Hilfe des „Spice“ genannten Stoffes – eine neue Dimension des menschlichen Denkens und Handelns entwickelt haben, diese Aspekte des Dune-Universums sind beeindruckend umgesetzt. Menschliche Wärme sucht man allerdings vergeblich, Emotionalität spielt sich im Kopf, nicht so sehr im Herzen ab.

Die Charaktere sind durchgehend solide besetzt, wobei die großartige Rebecca Ferguson einmal mehr überzeugt. Die wackeren Kämpen Jason Momoa, der unvermeidliche Josh Brolin oder Dave Bautista erfüllen ihre Rollen, ebenso wie Oscar Isaac und der fremenhaft blauäugige Javier Bardem, während von der zur Zeit so angesagten Zendaya noch nicht allzu viel zu sehen ist, was sich wohl erst in der Fortsetzung ändern wird. Gelungen auch der Auftritt der für Arrakis so wichtigen Sandwürmer, nicht einfach zu adaptieren bieten sie eine teilweise atemberaubende Show. Dem jungen und immer wieder hochgelobten Timothée Chalamet fehlt allerdings etwas die für seinen so wichtigen Charakter notwendige Ausstrahlung, sein Paul Atreides zeigt die Zweifel und zögernde Zurückhaltung angesichts seiner künftigen bedeutenden Rolle, bietet aber zu wenig Tiefe und bleibt insgesamt leider zu farblos.

Dessen ungeachtet: Wer sich auf „Dune“ einlässt, wird in diese von Herbert ersonnene und von Villeneuve filmisch grandios zum Leben erweckte Welt förmlich hineingesogen,  was einmal mehr manifestiert, dass das Kino (neben dem Buch) ein Ort der Magie ist und bleibt, an dem alles möglich ist, sobald es seine Zauberkraft entfaltet, etwas, das niemand ermessen kann, der Filme ausschließlich am heimischen Fernseher, oder, noch schrecklicher, mittels Tablet oder Handy konsumiert. 


 

Regie: Denis Villeneuve

Drehbuch: Jon Spaihts, Denis Villeneuve, Eric Roth, b/a Roman von Frank Herbert

Kamera: Greig Fraser

Schnitt: Joe Walker

Musik: Hans Zimmer

 

Besetzung:

Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Timothée Chalamet, Jason Momoa, David Dastmalchian, Josh Brolin, Dave Bautista, Javier Bardem, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Zendaya, Chen Chang,

 

 USA 2021

Warner Bros. Pictures/ Warner Bros. Germany

FSK 12

155 min.

Deutscher Kinostart: 16. September 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=NHMCcXjD7Ak (deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=8g18jFHCLXk (englisch)

 

Im Kino: Saw – Spiral (Spiral: From the Book of Saw)

Mehrere Polizisten werden bestialisch ermordet und der Killer fordert die ermittelnden Detectives Ezekiel “Zeke” Banks (Chris Rock) und seinen noch unerfahrenen Partner William Schenk (Max Minghella) zu einem perfiden Spiel heraus, bei dem auch der angesehene Polizeiveteran und Vater von Zeke, Marcus Banks (Samuel L. Jackson), eine Rolle spielt.

Das erfolgreiche Horror-Franchise geht nach „Saw“-I bis VI, „Saw 3D“ und „Jigsaw“ mit diesem neuen Kapitel in die neunte Runde. US-Komiker Chris Rock, nach eigenen Angaben großer Fan der Reihe, fungiert hier als Mitproduzent und hat auch – leider – die Hauptrolle übernommen. Seine Darstellung ist mimisch und stimmlich (zumindest im Original – vielleicht hilft in diesem Fall die deutsche Synchronisation) wenig überzeugend, man nimmt ihm den harten, zynischen Cop einfach nicht ab. Ansonsten hat der Film neben den erwartbar brutalen Morddetails eine plausible Geschichte, die, wenn auch einigermaßen vorhersehbar, einen passablen Krimi abgibt und einen kleinen Überraschungsmoment am Ende bereithält.

Für „Saw“-Fans sicher ein Muss, für Krimifans vielleicht ein bisschen zu heftig (FSK: 18), aber alles in allem keine ganz schlechte Fortsetzung einer Erfolgsreihe.

 


  Regie: Darren Lynn Bousman

Drehbuch: Josh Stolberg, Pete Goldfinger

Kamera: Jordan Oram

Schnitt: Dev Singh

Musik: Charlie Clouser

 

Besetzung:

Chris Rock, Max Minghella, Samuel L. Jackson, Marisol Nichols, Richard Zeppieri, Dan Petronijewic

 

 Lionsgate/ StudioCanal Germany

FSK 18

93 min.

 Deutscher Kinostart: 16. September 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=FKSnJdaLuU8 (deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=rgNlWypWmtw (englisch)

Dienstag, 7. September 2021

Im Kino: Stillwater - Gegen jeden Verdacht (Stillwater)

Bill Baker (Matt Damon) ein wortkarger Arbeiter aus Stillwater, Oklahoma, reist nach Marseille, wo seine ihm entfremdete Tochter Allison (Abigail Breslin), die zu einem Auslandsstudiums nach Frankreich gegangen war, seit fünf Jahren wegen eines Tötungsdelikts im Gefängnis sitzt. Als Allison ihm eine neue Spur präsentiert, die ihre Unschuld beweisen soll, geht Bill dieser sofort nach, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, aber sein Kampf gegen Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede, eine unruhige Großstadt und ein für ihn undurchschaubares Justizsystem wäre ohne die Hilfe der alleinerziehenden Schauspielerin Virginie (Camille Cottin) zum Scheitern verurteilt. Und dann entwickelt sich ganz allmählich sogar eine zarte Beziehung zwischen dem bulligen Amerikaner, Virginie und deren kleiner Tochter Maya...

„Stillwater“ lehnt sich stark an die wahre Geschichte einer jungen Amerikanerin an,
die in Italien wegen Mordes verurteilt wurde, ohne explizit darauf Bezug zu nehmen, insofern hat der Film alle Freiheiten, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln. Dreh- und Angelpunkt und sicherer Anker ist Matt Damon in der Rolle des schwerfälligen und in sich gekehrten Bill aus Oklahoma, wenn es ein Underacting – im Gegensatz zum oft zitierten Overacting – gibt, dann sehen wir es hier in Vollendung. Damons Bill ist ein zupackender Arbeiter, der nicht mit Worten umgehen kann, aber stoisch und hartnäckig sein Ziel verfolgt und der sich aus dem ländlichen, hinterwäldlerischen Ort Stillwater hineinkatapultiert sieht in die pulsierende und unübersichtliche Großstadt Marseille. Hier kann man nicht auf den ersten Blick erkennen, wer Freund und wer Feind ist, wie Bill immer wieder feststellen muss und manchmal fällt es schwer, zu glauben, dass dieser einsame, einfache aber stolze Mann mit religiösen Anwandlungen in der Lage ist, ohne Sprach- und sonstige Kenntnisse, komplizierte Recherchen in einem fremden Land zu durchzuführen. 

Wenig erfährt man über sein Verhältnis zu Allison, nur soviel, dass es einen Selbstmord von Bills Frau bzw. Allisons Mutter gab und eine anschließende Vernachlässigung der Tochter, die mehr oder weniger bei ihrer Großmutter aufwuchs. Bill scheint insofern seine früheres Versagen wiedergutmachen zu wollen, indem er sich nun in ihrer aussichtslosen Lage für die Tochter einsetzt, gleichzeitig sieht man, wie sich ein liebevolles Verhältnis zu Virginies Tochter entwickelt, die es ihm allerdings auch leicht macht, indem sie ihn von Anfang an anhimmelt, etwas, was er von Allison offensichtlich nicht kannte, der er seinerseits aber auch nie seine Liebe und Zuneigung zeigen konnte.

Doch dieses Beziehungsgeflecht ist nur ein Teilaspekt des Films, im Vordergrund steht durchaus die Kriminalstory und die Frage, ob Allison eine Mörderin ist oder nicht. Wie Bill an die Auflösung dieser Frage herangeht, wird langsam und bedächtig erzählt, mit viel Zeit für Details und einer Kamera, die lange und intensiv auf Damons Gesicht ruht, der sich ohne große Regungen vortastet, bis sich ihm am Ende so etwas wie die Wahrheit offenbart, eine Wahrheit, mit der er und seine Tochter nun leben werden, ob und wie sich ihr Verhältnis zueinander dadurch ändert, bleibt offen.

Ein schwermütiger Film mit heiteren Einsprengseln, für Zuschauer mit Geduld, ein Krimi mit romantischen Elementen und einem auf Sparflamme aber solide agierenden Matt Damon.

 


 Regie: Tom McCarthy

Drehbuch: Tom McCarthy, Marcus Hinchey, Thomas Bidegain, Noé Debré

Kamera: Masanobu TakayanagI

Schnitt: Tom McArdle

Musik: Mychael Danna

 

Besetzung:

Matt Damon, Abigail Breslin, Camille Cottin, Deanna Dunagan

 

 Universal Pictures Germany

USA 2021

FSK 12

139 min.

Deutscher Kinostart: 09. September 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=8crV9TPr1eQ

 

Donnerstag, 2. September 2021

Heimkino: Kajillionaire

Die 26-jährige Old Dolio (Evan Rachel Wood) bestreitet gemeinsam mit ihren Eltern Theresa (Debra Winger) und Robert (Richard Jenkins) den Lebensunterhalt der Familie mit Trickbetrügereien und kleinen Gaunereien. Von Anfang an darauf trainiert kennt sie nichts anderes, erst als die temperamentvolle Melanie (Gina Rodriguez) zu dem Trio stößt, merkt Old Dolio, was ihr bisher gefehlt hat: die Liebe und die Zuneigung ihrer Mutter, eine bittere Erkenntnis, die ihr ganzes bisheriges Leben in Frage stellt…

Bei dem Film von Miranda July scheint es sich auf den ersten Blick um eine Gaunerkomödie mit gesellschaftskritischen Ansätzen zu handeln, die sich dann aber immer mehr zu einer tragischen Familiengeschichte entwickelt. So skurril die Eltern Theresa und Robert zunächst agieren und mit ihrer erwachsenen Tochter ein unangepasstes Leben führen, indem sie sich über gesellschaftliche Tabus und Schranken hinweg- und der Konsumwelt widersetzen, so hartherzig verhalten sie sich ihrer Tochter gegenüber, indem sie ihr das Gefühl von Nestwärme und elterlicher Liebe vorenthalten. Old Dolio funktioniert und füllt ihren Part aus, um am Ende ihre Belohnung zu erhalten. Das emotionale Vakuum, in dem sie sich befindet, wird ihr erst durch die unbeschwerte Melanie bewusst, die ihr neues Gangsterleben höchst spannend findet, obwohl sie selbst aus geordneten Verhältnissen stammt. Evan Rachel Wood verleiht der Verlorenheit der jungen Frau mit dem ungewöhnlichen Namen Old Dolio ein eindrucksvolles Gesicht und ihre Darstellung dieser tragischen Figur wirkt noch lange nach.

Der Film führt zunächst in den Mikrokosmos einer dystopischen Familie, um diesen durch Einführung eines neuen Elements in Gestalt der jungen Melanie zu sprengen, die voller Tatendrang in eine für sie neue Welt eindringt, und wie die Regisseurin mit diesen Konstellationen spielt, den Blickwinkel verändert und ihre Figuren mit unnachgiebiger Schärfe beobachtet ist vielleicht nicht jedermanns Sache, denn sowohl die Komik als auch die Tragik kommen ungewohnt und sperrig daher, aber am Ende ist der Film, der seine Weltpremiere 2020auf dem Sundance Film Festival feierte, ein kleines Juwel, erfrischend unangepasst und originell wie seine Protagonisten.

 

 

Regie: Miranda July

Drehbuch: Miranda July

Kamera: Sebastian Winterø

Schnitt: Jennifer Vecchiarello

Musik: Emile Mosseri

 

Cast:

Evan Rachel Wood, Debra Winger, Richard Jenkins, Gina Rodriguez,

 

 Focus Features/ Annapurna Pictures

USA 2020

FSK 0

104 min.

 

Neu auf DVD ab 02. September 2021

 

Details DVD:

Sprachen: Englisch, Deutsch

Untertitel: Deutsch

Bild: 2,35:1 Pal 16:9

Ton: Dolby Audio 5.1 + 2.0

Bonusmaterial: Trailer, Originaltrailer

EAN-Code 4009750207581


Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=xiMPCevu8Wk