Blog-Archiv

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Film-Rezensionen: Bumblebee

 Man hat es nicht leicht als Teenager, dem das Leben so gar nichts zu bieten scheint und man sich fühlt, als gehöre man nirgendwo so richtig dazu. Es ist das Jahr 1987, Charlie Watson lebt in einer kalifornischen Kleinstadt, ihr Vater ist verstorben, der Stiefvater zwar bemüht, aber weder er noch ihre Mutter scheinen sie richtig zu verstehen, und der kleine Stiefbruder nervt.   Geld für ein eigenes Auto gibt es auch nicht, bis Charlie an ihrem 18. Geburtstag auf einem Schrottplatz einen alten knallgelben VW Käfer entdeckt. Sie liebt es, an Autos herumzuschrauben, ein Hobby, das sie mit ihrem verstorbenen Vater geteilt hat, und so holt sie den Käfer heim, um ihn wieder auf Vordermann zu bringen. 

Was sie nicht weiß ist, dass es sich bei dem Gefährt um den Autobot B-127 handelt, der von seinem Anführer Optimus Prime auf die Erde geschickt wurde, um dort nach dem verlorenen Kampf um Cybertron eine neue Basis aufzubauen. Aber B-127 hatte einen schlechten Start, eine Armeeeinheit um Agent Burns (John Cena) und ein kurzes Scharmützel mit dem hinterhergereisten Decepticon Blitzwing hat ihn arg ramponiert. Vor allem hat er seine Stimme verloren und ist ziemlich verängstigt und verstört, als Charlie bei ihrem Versuch, den gelben Käfer zu reparieren, auf sein Geheimnis stößt und der Autobot plötzlich in seiner ganzen (auseinandergefalteten) Größe vor ihr steht. Nachdem beide ihren anfänglichen Schrecken überwunden haben, entwickelt sich schnell eine rührende Beziehung zwischen ihnen, ohne dass es allzu kitschig wird.

Als Vorgeschichte zu den späteren Transformers-Abenteuern angelegt, erfahren wir hier, wie B-127 zu seinem Namen und zu seiner Radiosprache kommt, aber der Film ist mehr als ein Prequel, das Fragen beantwortet, die nie gestellt wurden. Es ist der Versuch, aus der actionlastigen und stellenweise als sexistisch verschrienen Bombastreihe ein familientaugliches Abenteuer mit Seele zu machen, und der Versuch darf als gelungen angesehen werden. Die Protagonistin Hailee Steinfeld  füllt ihre Rolle überzeugend aus und eröffnet der Filmreihe aufgrund ihrer schauspielerischen Qualitäten eine neue ungekannte Dimension.
„Bumblebee“ ist ein charmanter Ausflug in die zur Zeit so angesagten 80ger Jahre und die Geschichte um Charlie und Bumblebee erlaubt sich augenzwinkernd jede Menge musikalische oder filmische Anspielungen auf diese Zeit. Daneben gibt es nette King-Kong-Momente, aber mehr noch steckt in Bumblebee ein heimatloser, verängstigter E.T., der jede Menge Zuwendung braucht, und die Älteren werden sich hin und wieder an Herbie, den „tollen Käfer“ erinnern, wenn Charlie und Bumblebee die Straßen unsicher machen. Absolutes Highlight sind bezeichnenderweise nicht die Tranformers-Kampfsequenzen, von denen es auch hier ein paar gibt, sondern der neugierige, aber absolut tapsige und ungeschickte Bumblebee, der ein Wohnzimmer zerlegt, das einfach nicht auf seine Körpermaße zugeschnitten ist.

So machen die „Transformers“ wieder Spaß, ein Wohlfühlfilm für alle Generationen!



 Regie: Travis Knight
Drehbuch: Christina Hodson
Kamera: Enrique Chediak
Production Design: Sean Haworth
Musik: Dario Marianelli

Darsteller:
Hailee Steinfeld, Dylan O'Brian, Megyn Price

FSK 12
113 min
Deutscher Kinostart: 20. Dezember 2018



Mittwoch, 12. Dezember 2018

Film-Rezensionen: Mortal Engines

Wenn Peter Jackson sich daran macht – wenn auch, wie in diesem Fall nur als Produzent und Drehbuchschreiber – fantastische Welten zu erschaffen, dann ist die Erwartung hoch, dass Großes auf uns zu kommt. Die Geschichte von "Mortal Engines" geht auf eine Jugendbuchreihe zurück und der Film wurde bewährterweise in Neuseeland gedreht.

Die Menschheit hat sich in einem 60 Minuten dauernden Krieg mit einer neuen Superwaffe fast komplett vernichtet und brauchte ein paar Jahrhunderte, um sich davon einigermaßen zu erholen. Die Erde ist nun zum größten Teil öde und leer, auf der Suche nach überlebensnotwendigen Ressourcen fahren gigantische Städte auf Rädern umher, walzen panzergleich alles platt und verschlingen kleinere Städte, um sich alles Brauchbare – Mensch und Material – einzuverleiben und den unverdaulichen Rest auszuscheiden. Eine der mächtigsten dieser Städte ist London, und gleich zu Beginn werden wir Zeuge einer Städtejagd, beeindruckend und in faszinierenden Bildern in Szene gesetzt, das macht Spaß und Lust auf mehr. Als Gegenpart zu den Raubstädten gibt es irgendwo in der Ferne hinter einer riesigen Mauer eine Kolonie von Widerständlern gegen diese Art der Städteplanung, sogenannte Anti-Traktionisten, sesshafte Freigeister, die sich widersetzen.

Und es gibt eine spezielle Rebellin, Hester Shaw (Hera Hilmar), deren tapfere Mutter von
einem Bösewicht ermordet wurde. Hester ist wild und verwegen und trägt als äußeres Zeichen dessen eine ungezähmte Haarpracht sowie eine Narbe im Gesicht, die ihr bei dem Mord an ihrer Mutter zugefügt wurde. Ihr Ziel ist es, deren Mörder zu töten, dafür muss sie nach London, wo sie auf den braven Historiker Tom (Robert Sheehan) trifft. Beide werden hineingestoßen in eine Schicksalsgemeinschaft – in Toms Fall im wahrsten Sinne des Wortes – von demselben Schurken (Hugo Weaving), den es zu bekämpfen gilt, bis zum leider in allen Facetten vorhersehbaren Ende.


Die Geschichte ist so konventionell erzählt, dass der Zuschauer an manchen Stellen die Dialoge mitsprechen könnte, und die Figuren und Handlungsstränge gehorchen einer Dramaturgie, die sich bis ins Detail an jedes, wirklich jedes Klischee dieses Genres hält. So muss am Ende wieder einmal ein tödlicher Countdown buchstäblich in letzter Sekunde gestoppt werden, und als beim unvermeidlichen Showdown als besondere Überraschung ein vermeintlich großes Geheimnisses aufgedeckt wird, ist dies ein weiteres unglückliches Glied in der Kette von platten Versatzstücken, bei dem das Publikum im Saal nur gequält aufstöhnen kann.

So gehen die ansonsten guten Ansätze leider unter, wie das mit viel Liebe gestaltete Innenleben der rollende Stadt London, die neben ihrer Kommandozentrale ein wunderbar altmodisches Bild bietet, mit Bibliothek und Museum, wo all das aufbewahrt, aufgearbeitet und wiederhergestellt werden soll, was der Menschheit durch ihren zerstörerischen letzten Krieg und ihre Lebensweise davor beinahe verloren gegangen ist.

Die zahlreichen Nebenfiguren helfen ebenfalls nicht, die dünne Geschichte aufzuwerten, auch sie können sich nicht aus ihrer schablonenhaften Rolle lösen, obwohl sie Potential für Größeres gehabt hätten, wie zum Beispiel die taffe Widerstandskämpferin Anna Feng (Jihae). Einzig der unheimliche Shrike (Stephen Lang), eine Menschmaschine ohne Herz, aber mit Seele, hat ansatzweise den vielschichtigen Charakter, den man allen anderen Figuren auch gewünscht hätte, damit dieser Film mit so viel Potential zu einem wirklich großen Ereignis hätte werden können.

Fraglich ist schließlich, ob es in Zeiten des Brexits eine glückliche Entscheidung war, London als Protagonisten auftreten zu lassen, es wirkt aktuell wenig pietätvoll, wenn man dabei zusieht, wie eine honorige und verdienstvolle Stadt bei dem Versuch, sich zu Großem aufzuschwingen, krachend scheitert…




Regie: Christian Rivers
Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, b/a Romanen von: Philip Reeve
Kamera: Simon Raby
Produktionsdesign: Dan Hennah
Musik: Tom Holkenborg
Produzenten: Zane Weiner, Amanda Walker, Deborah Forte,
Fran Walsh, Peter Jackson
Darsteller: Hugo Weaving, Hera Hilmar, Robert Sheehan, Jihae, Ronan Raftery,
Leila George, Patrick Malahide und Stephen Lang
 

Universal Pictures International Germany
FSK 12
129 min.
 Deutscher Kinostart: 13. Dezember 2018




Montag, 12. November 2018

Film-Rezensionen: Assassination Nation

Lily ist Schülerin und lebt mit ihrer Clique von Freundinnen in Salem, USA. Ihr Leben besteht, wie das aller Teenager auf der ganzen Welt, aus Handynachrichten, Postings und Selfies, jeder lagert sein privatestes Leben auf diese kleinen Geräte aus und gewährt seinen engsten „Freunden“ Einblicke darin. 

Unangenehm wird es, als diese Geheimnisse durch einen anonymen Hacker publik gemacht werden und jeder plötzlich entblößt für alle dasteht. Auf der Suche nach dem Schuldigen geraten Lily und ihre Freundinnen unter Verdacht und auf einmal bricht die für bürgerlich gehaltene Fassade auf. Unter den so entstandenen Rissen kommt all das Hässliche, Gemeine und Brutale zum Vorschein, das offenbar überall im Verborgenen schlummert und es ist wieder Hexenjagt in Salem…

Sam Levinson ist ein kompromissloser Film über die Abgründe in den scheinbar so bürgerlichen Gesellschaften gelungen, wobei die USA nur exemplarisch für alle anderen auf der Welt stehen. Überall scheint es zu brodeln und der kleinste Funke genügt, um in einer furchtbaren Detonation alles hinwegzufegen, was an zivilisatorischem Verhalten scheinbar so selbstverständlich Bestand hatte. Diese Idee ist nicht neu, aber gerade zur Zeit gibt es überall auf der Welt Anzeichen für unheimliche Kräfte, die an der Fassade kratzen, bis die Masken abgerissen werden und die darunter liegende Fratze von Gewalt, Rassismus, Faschismus auch bei den biedersten Nachbarn zum Vorschein kommt, der Schoß ist nach wie vor fruchtbar... Die Opfer sind mal Frauen, mal Schwarze, mal Ausländer, je nachdem welche Gruppe gerade in den Fokus rückt, und die Wutbürger übernehmen das Regiment.


Der Film verwendet drastische Bilder für seine Parabel, die sicher nicht jedem gefallen werden und das Ende ist mit ein wenig Gespür vielleicht vorhersehbar, die Spannung bleibt jedoch bis zum bitteren Ende hoch. Es ist eine Abrechnung mit gesellschaftlichen Tendenzen, wie dem maßlosen Gebrauch von Handy und Social Media, aber auch mit der Politik der USA, die die Gesellschaft spaltet und aufwiegelt und hinterlässt keinerlei Trost auf Erlösung, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Fraglich ist, ob die Schlussszene endgültiger Abgesang oder doch eher Aufbruch zu mehr ist, der Titel des Films ist jedenfalls Programm.





Regie: Sam Levinson
Drehbuch: Sam Levinson
Kamera: Marcell Rév
Musik: Ian Hultquist
 
Darsteller:
 Odessa Young, Hari Nef, Suki Waterhouse, Bella Thorne, Abra, Bill Skarsgård, Colman Domingo
Universum Film
108 min.
FSK 16
Deutscher Kinostart: 15. November 2018



Mittwoch, 31. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Nur ein kleiner Gefallen ( A Simple Favor)

Stephanie (Anna Kendrick) ist alleinerziehend und hat einen Kochrezept-Videoblog im Internet. 

Ihr kleiner Sohn Miles ist mit Nicky, dem Sohn von Emily (Blake Lively) befreundet, einer mondän auftretenden PR-Chefin in der Modebranche, die wenig Zeit für ihr Kind hat und deshalb froh ist, wenn Stephanie ihr hin und wieder aushilft. 
Für Stephanie scheint es Freundschaft zu sein, die sie mit Emily verbindet, aber vielleicht wird sie auch nur ausgenutzt. 

Als Stephanie Nicky wieder einmal bei sich hat, wartet sie vergeblich, dass Emily ihn abholt. Auch deren Mann Sean (Henry Golding) weiß nicht, was mit Emily geschehen sein könnte. Alle Nachforschungen und auch die späteren Ermittlungen der Polizei verlaufen im Sande, wobei Stephanie immer mehr den Eindruck bekommt, dass in die völlig falsche Richtung ermittelt wird. Mit Hilfe ihres Blogs und ihrer Aufrufe über das Internet ist sie in kurzer Zeit einer unglaublichen Geschichte auf der Spur, die noch unglaublicher wird, als tatsächlich Emilys Leiche gefunden wird, denn auch danach lässt Stephanie nicht locker und entdeckt weitere Details, die alles noch einmal in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.

Regisseur Paul Feig ist bisher überwiegend durch Komödien mit eher burschikosem Humor
bekannt. Nun legt er einen furiosen Thriller vor, in dem hier und da eine Prise schwarzer Humor aufblitzt. Seine beiden Hauptdarstellerinnen glänzen in ihren unterschiedlichen Rollen. Ist Anna Kendrick zunächst die naive Blogger-Mama, die bei allen Schul- und Nachbarschaftsaktivitäten verlässlich hilft, kommt Blake Lively als die erfolgreiche Geschäftsfrau daher, die bestens gestylt in ihrem ebensolchen Haus ihren nachmittäglichen Drink zu sich nimmt. Aber beide Figuren sind nicht das, was sie zunächst zu sein scheinen, und die Art, wie die trutschige Stephanie Emilys Geheimnis aufdeckt, hätte ihr wiederum niemand zugetraut.


Dem Film gelingt es, in schönen Bildern eine bitterböse Geschichte zu entwickeln, die spannend ist und Spaß macht bis zum überraschenden Ende, ein Psychothriller, der zunächst ein wenig an "Gone Girl" erinnert, der aber mehr als das Vordergründige zu bieten hat und auch als eine Satire auf das zunehmende Streben nach dem perfekten und durchgestylten Leben daherkommt.





   Regie: Paul Feig
Drehbuch: Jessica Sharzer, b/a Romanvorlage von Darcey Bell
Kamera: John Schwartzman

                                             

                                                     Darsteller:

Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding, Rupert Friend

Studiocanal/Lionsgate
117 min.
Deutscher Kinostart: 8. November 2018









Dienstag, 30. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Aufbruch zum Mond (First Man)


Es gab eine Zeit – die Älteren werden sich erinnern – da hatte das Interesse am Universum noch reale Bezüge. Der Traum und die Sehnsucht nach den er Sternen war zwar da, aber der Blick hinauf in die unendlichen Weiten des Sternenhimmels war noch nicht verstellt von zahllosen filmischen Weltraumabenteuern, allesamt in Hochglanz und mit Warp-Geschwindigkeit im Hyperspace. Damals in den 60ger Jahren gab es reale Menschen, die einem Handwerk nachgingen, das darauf ausgelegt war, möglichst bald einen Fuß auf den so verheißungsvoll über der Erde leuchtenden Trabanten zu setzen und damit einen vorläufigen Schlussstrich unter das sogenannte Space Race zu ziehen, das sich Amerikaner und Russen im Rahmen ihres Kalten Krieges miteinander lieferten.

Der Film „Aufbruch zum Mond“ schildert dieses Unternehmen, das mit Neil Armstrongs
Betreten des Mondes seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte, auf altmodische und im Vergleich zu allen Star Wars- und Star Trek-Abenteuern wenig glanzvolle Weise. Armstrong, gespielt von dem Kritikerdarling Ryan Gosling, ist ursprünglich Kampfflugzeug- und Testpilot und an ruckelnde und gefährliche Missionen im Luftraum gewöhnt, als er sich erfolgreich bei der NASA bewirbt, um bei dem Weltraumprogramm dabei zu sein.

Armstrong wird als  ein spröder, verschlossener Mensch gezeichnet, der sich nach dem Tod seiner kleinen Tochter immer mehr in sich zurück gezogen hat. Das einzige, was er noch an sich heranzulassen scheint, ist diese Mission, und wie er seinen Teil dazu beitragen kann, worunter vor allem seine Frau Janet (Claire Foy) und die beiden anderen Kinder leiden. Nach verschiedenen technischen Rückschlägen und dramatischen Unfällen rückt er plötzlich ganz nach vorne und ist als neuer Kommandant der Apollo 11-Mission derjenige, der die Mondlandefähre auf der Mondoberfläche landen wird, um dann als erster Mensch den Mond zu betreten.

Der Film nimmt sich viel Zeit, um alle technischen Details der Vorbereitung dieser Mission zu beleuchten und erzählt ausführlich von den Schwierigkeiten und Gefahren, die diese Weltraumpioniere und ihre Crews im Hintergrund zu bewältigen hatten. Der Zuschauer ist immer auf Augenhöhe dabei und hockt schließlich quasi mit in der engen Kapsel, in der die Astronauten zusammengepfercht und heftig durchgeschüttelt ihrem ungewissen Schicksal entgegenfliegen. Diese Sequenzen sind beeindruckend, der eigentliche Teil der Mondlandung fällt dagegen relativ knapp aus, noch knapper die Rückkehr. Hier hätte man sich eine andere Gewichtung gewünscht, mit einer strafferen Inszenierung zu Beginn, um dem eigentlichen Höhepunkt, der Landung auf dem Mond, die gebührende Zeit widmen zu können.

Der Film schwelgt zudem in Großaufnahmen von Gesichtern, um den Zuschauer noch näher heranzurücken. Weniger wäre auch hier mehr gewesen, denn vor allem in Armstrongs Gesicht ist selten eine Regung zu erkennen. Ryan Gosling bring das Kunststück fertig, durch den gesamten Film zu gehen, ohne einen einzigen Gesichtsmuskel nennenswert zu bewegen. 

Claire Foy hingegen beeindruckt als Frau eines in der Öffentlichkeit stehenden Mannes mit einem gefährlichen Job, die keinen Zugang bekommt, weder zu ihrem Mann selbst, noch zu dem, was er beruflich macht. Sie ist dazu verdammt, zu Hause am Bildschirm oder teilweise über einen für sie eingerichteten Radioempfänger zu verfolgen, was die Männer dort draußen treiben. Frauen zur damaligen Zeit waren noch weniger Teil der Berufswelt, auch wenn sie, wie wir aus dem Film „Hidden Figures“ wissen, ebenfalls im Weltraumbusiness tätig waren, jedoch gut versteckt im Hintergrund. Ansonsten war diese Welt eine komplette Männerwelt, und eine Astronautengattin hatte die Last zu tragen, zu Hause für ein geordnetes Umfeld zu sorgen, während der Mann auf einem gigantischen Abenteuerspielplatz Geschichte schreibt, und Claire Foy ist großartig in ihrer ohnmächtigen Opferrolle, aus der sie in einer eindrucksvollen Szene auszubrechen versucht.

Ob sich die heutige Generation von jungen Kinogängern von diesem Weltraumabenteuer mitreißen lassen wird, ist fraglich, das Spektakuläre der ersten Mondlandung hat inzwischen fast nur noch einen nostalgischen Touch für Leute, die noch eine Vorstellung davon haben, mit wie wenig Computerkapazität dieser Ausflug ins All bewerkstelligt wurde. Alle anderen sind wahrscheinlich mit dem Milleniumfalcon oder der Enterprise bereits in weit entferntere Galaxien unterwegs.


Regie: Damien Chazelle 
Drehbuch: Josh Singer b/a Buch von James R. Hansen
Kamera: Linus Sandgren
Musik: Justin Hurwitz
Darsteller:
Neil Armstrong – Ryan Gosling
Janet Armstrong – Claire Foy
Buzz Aldrin – Corey Stoll
Mike Collins – Lukas Haas
Jim Lovell – Pablo Schreiber
Jason Clarke, Kyle Chandler, Patrick Fugit, Christopher Abbott, Olivia Hamilton


Universal Pictures International Germany
141 min.
Deutscher Kinostart: 8. November 2018

 https://www.youtube.com/watch?v=iM6DSW7G2w4&feature=youtu

Film-Rezensionen: Leto


Leningrad in den frühen Achtzigern: Sommer, Musik und Alkohol, und außerhalb der offiziellen Vergnügungsstätten eine wilde Underground-Rockszene, in der sich rebellische Jugendliche auf allen möglichen und unmöglichen Wegen Musikalben von Legenden wie Lou Reed, David Bowie oder Marc Bolan besorgen, um auf von der Obrigkeit kontrollierten Rockkonzerten ihren Idolen nachzueifern.

 Der Star der Szene ist Mike (Roman Bylik), der mit seiner Band Vorbild für viele seiner Anhänger ist. Gegen alle Versuchungen durch weibliche Fans gefeit, lebt er privat ein glückliches, fast schon spießiges Familienleben mit Frau Natascha (Irina Starshenbaum) und ihrer beider Kind. 

Als eines Tages der charismatische Musiker Viktor Zoi (Teo Yoo) in ihr Leben tritt, gerät das Glück in Gefahr, weil Natascha sich in Viktor verliebt. Da sich Mike mit Viktor wiederum durch die Musik verbunden fühlt, entsteht eine Dreiecksgeschichte, in der Mike hofft, dass seine Frau eines Tages zu ihm zurückkehren wird.


Der Film zeichnet ein leichtfüßiges Porträt der jungen russischen Musiker, die ihre Einflüsse zwar aus dem westlichen Rock ziehen, dabei aber ihren eigenen Stil entwickeln. Mitreißend und euphorisch, mit frischen und originellen Rocksongs in russischer Sprache, mischen sie die Musikwelt des Landes auf, immer in Gefahr von der Zensur zur Räson gebracht zu werden, aber das ist ja das Spannende an jeder jugendlichen Rebellion. Regisseur Serebrennikow montiert bunte, phantasievolle Sequenzen in den in schwarzweiß gehaltenen Film, bahnt sich einen Weg durch die Welt seiner jugendlichen Helden zwischen Alltag und Spaß und schafft es so, das Lebensgefühl dieser Generation zwischen Musik, Liebe und Freundschaft fühlbar zu machen.

Serebrennikow hat sich inspirieren lassen von der wahren Geschichte der russischen Sänger und Songwriter Victor Zsoi (1962 bis 1990) und Mike Naumenko (1955 bis 1991), die mit ihren Rockbands "Kino" und „Zoopark" großen Einfluss auf die Rockszene dieser Zeit hatten und der Film macht den Song „Leto“ ("Sommer") zu ihrer Hymne.



Regie: Kirill Serebrennikow 
Drehbuch: Mikhail Idov, Lily Idova, Kirill Serebrennikow 
Kamera: Vladislav Opelyants
Musik: Roman Bilyk

Darsteller:
Roman Bilyk, Irina Starshenbaum, Teo Yoo

Russland/ Frankreich 2018
128 min.
FSK 12
Deutscher Kinostart: 8. November 2018

Freitag, 26. Oktober 2018

Film-Rezensionen: 25 km/h


Die Brüder Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) haben sich seit 30 Jahren nicht gesehen. Während Georg als Tischler im heimischen Schwarzwald geblieben ist, zog es Christian hinaus in die Welt. Nun kehrt Christian als erfolgreicher und weitgereister Manager zur Beerdigung des Vaters zurück und mit Georg scheint ihn nicht mehr viel zu verbinden. Aber während einer durchzechten Nacht, in der sie das Elternhaus, ihre alten Zimmer und den Dachboden durchstöbern, kehren schnell all die gemeinsamen Erinnerungen zurück. Als sie auf ihre Pläne für eine Deutschlandtour stoßen, die sie nie gemacht haben, machen sie sich spontan und beflügelt vom Alkohol, auf ihren alten Mofas auf den Weg, vom Schwarzwald an die Ostsee und es beginnt eine Reise, voller schräger, witziger aber auch berührender Begegnungen, und am Ende erreichen sie nach vielen Irrungen und Wirrungen das damals gesetzte Ziel: Einmal in die Ostsee pinkeln…

Einer der schönsten deutschen Filme seit langem, mit bestens aufgelegten Protagonisten
und einer Riege von namhaften Stars in Gastrollen, die ihresgleichen sucht: Sandra Hüller, Jella Haase, Franka Potente, Alexandra Maria Lara und Jördis Triebel geben sich ein vergnügliches Stelldichein, und Wotan Wilke Möhring darf sich auch noch richtig austoben, bis Georg und Christian auch an ihm als letztem Hindernis vor ihrer Missionserfüllung vorbei rauschen, inzwischen reduziert auf nur noch einem Mofa. 

Lars Eidinger muss endlich einmal nicht den Psychopathen geben und darf zeigen, dass er auch komisch kann, die Chemie zwischen ihm und Bjarne Mädel stimmt in jeder Szene. Die Abenteuer auf ihrer Reise machen Spaß, augenzwinkernde Bezüge zur Mutter aller Roadmovies „Easy Rider“ sind nicht zu verleugnen, glücklicherweise bleibt ihnen das tragische Ende erspart. Dafür entwickelt sich ganz nebenbei die Annäherung des ungleichen Brüderpaares, behutsam und anrührend offenbaren beide einander nach und nach ihre innersten Geheimnisse, und arbeiten so verschüttet geglaubte Gefühle und vernachlässigte und verpasste Chancen aus ihrer Vergangenheit auf.

Das Ganze ist leicht und unverkrampft in Szene gesetzt, ohne plumpe oder unter die Gürtellinie zielende Gags, die so gerne genutzt werden, um auf den schnellen Lacher zu zielen, insofern hebt sich der Film wirklich wohltuend von vielen deutschen Komödien der letzten Zeit ab – Empfehlung: unbedingt ansehen!




Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Kamera: Frank Griebe
Musik: Andrej Melita

Darsteller:
Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, Jella Haase, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jördis Triebel, Wotan Wilke Möhring, Martin Brambach

Sony Pictures
116 min.
Deutscher Kinostart: 31.Oktober 2018






Film-Rezensionen: Bohemian Rhapsody


Es war einmal ein Junge namens Farrokh Bulsara, Sohn indischer Einwanderer parsischen Glaubens, geboren auf der Insel Sansibar vor der Küste Afrikas, der mit seiner Familie Mitte der 60ger Jahre des letzten Jahrhunderts den Weg nach London findet. Dort schließt er sich einer unbekannten Band an und wird binnen kurzer Zeit deren exzentrisches Aushängeschild und die Band Queen zu einer der erfolgreichsten aller Zeiten.

Der Film zeichnet den Weg des Farrokh Bulsara nach, der sich den Namen Freddie Mercury gibt, vom unbekannten, aber bereits äußerst selbstbewussten jungen Mann, der den unbändigen Drang hat, auf der Bühne zu stehen, bis zu dem legendären Live-Aid Konzert 1985 im Londoner Wembley-Stadion und gibt Einblicke in eine Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen, die das Ende Mercurys nicht zum Aufhänger macht, sondern als tragischen Schlusspunkt mitschwingen lässt.

Eine besondere Schwierigkeit dürfte es gewesen, einen geeigneten Hauptdarsteller zu finden, jemanden, der es sich zutraut, in die Haut einer so bekannten und unverwechselbaren Ikone zu schlüpfen. Rami Malek gelingt dieses Kunststück größtenteils, er hat nicht ganz die Statur Mercurys und die Gebissprothese für den charakteristischen Überbiss ist gerade zu Beginn des Films gewöhnungsbedürftig. Aber in der späteren Phase und vor allem beim Höhepunkt des Wembley-Konzerts kommt Malek in seinem Auftreten und seinen Bewegungen auf der Bühne dem Original sehr nahe. Stimmlich gibt es neben dem O-Ton der bekannten Songs einen geschickten Mix aus Original- und hinzugemischtem Ton, bei dem sowohl Malek selbst, als auch ein Stimmenimitator beteiligt waren. Exzellent besetzt ist die Rolle des Brian May mit Gwilym Lee, der dem Original zum Verwechseln ähnelt.

Details der Bandgeschichte und Mercurys Biographie werden ausgebreitet, nicht immer
zeitlich korrekt, um das Wembley-Konzert als Höhepunkt des Films präsentieren zu können, das ist legitim, weil dramaturgisch nachvollziehbar und schadet dem Gesamteindruck des Films nicht. Sexuelle und sonstige Ausschweifungen werden dezent und familienfreundlich angedeutet, einen besonderen Stellenwert nimmt Mercurys lebenslange Beziehung zu seiner Jugendliebe Mary Austin ein, und seine von ihm selbst nie öffentlich thematisierte Bisexualität wird als Teil seiner Zerrissenheit gezeigt, ein Mensch, immer getrieben, nie wirklich ankommend, aber aus diesem Stoff sind Legenden gemacht.

Herausgekommen ist kein Jahrhundertwerk, sondern ein eher konventionelles Biopic mit einigen Kitschmomenten, aber die emotionale Achterbahnfahrt dieses Künstlerlebens und seines Umfeldes reißt mit, woran die klug eingesetzten Musiktitel natürlich einen großen Anteil haben, und die letzten 20 Minuten bilden den bewegenden Höhepunkt eines durchaus sehenswerten Filmes.

Erwähnt sei noch, dass der Film unter der Regie von Bryan Singer entstand, der vor Schluss jedoch ausschied und durch Dexter Fletcher ersetzt wurde.




Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Anthony McCarten, b/a story von Anthony McCarten, Peter Morgan
Kamera: Newton Thomas Sigel
Musik: John Ottman
Soundrack: Queen

Darsteller:
Rami Malek, Lucy Boynton, Gwilym Lee, Joseph Mazzello, Ben Hardy, Aidan Gillen, Mike Myers, Tom Hollander, Allen Leech, Aaron McCusker

20th Century Fox
134 min.
Deutscher Kinostart: 31.Oktober 2018



Dienstag, 23. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Intrigo - Tod eines Autors (Intrigo: Death of an Author)


David Moerk (Benno Führmann), eigentlich Übersetzer, versucht sich an einem Roman und um sich ein paar Tipps zu holen, sucht er den zurückgezogen lebenden Autor Henderson (Sir Ben Kingsley) in dessen Haus am Meer auf, wo er ihm aus seinem Manuskript vorliest.


Sein Buch handelt zunächst vom mysteriösen Verschwinden einer Frau namens Eva, die sich im Laufe der Geschichte als Davids eigene verschwundene, mittlerweile für tot erklärte Frau (Tuva Novotny) entpuppt. Mehr und mehr wird klar, dass David in dem Buch seine eigene Geschichte verarbeitet, die ihn später in einen kleinen Ort führt, wo er das letzte Buch des bekannten verstorbenen Schriftstellers Germund Rein übersetzen soll.

Von seiner Verlegerin (Veronica Ferres) hat er ein Manuskript und einen Brief von Rein erhalten, der sich offensichtlich das Leben genommen und in dem Brief bestimmt hat, dass sein Buch nicht in seiner Originalsprache veröffentlicht werden darf. Nachdem sich David an die Übersetzung gemacht hat, stößt er immer wieder auf seltsame Parallelen zum Verschwinden seiner Frau, bis eines Tages etwas Unheimliches geschieht: David hört während einer Konzertaufnahme im Radio ein Husten, das er meint, unter tausenden wiederzuerkennen: das Husten seiner Frau Eva. Bedeutet dies, dass sie noch lebt? Besteht ein Zusammenhang zwischen ihrem Verschwinden und dem Tod des Schriftstellers Rein? Und welche Rolle spielt sein Gastgeber Henderson dabei?

Der Film entfaltet ein Verwirrspiel auf mehreren Ebenen – hier David Moerk, der dem Autor Henderson vorliest, dort David und Eva bei einem fatalen Urlaub, in dem Eva verschwindet, und schließlich Davids Versuche, Licht ins Dunkel von Germund Reins Tod zu bringen. Wer es mag, dunklen Geheimnissen nachzuspüren, wird gespannt allen Wendungen der Geschichte folgen, muss dabei allerdings genau aufpassen, um nicht den Überblick über alle Fäden zu verlieren, die kreuz und quer ausgelegt sind, um am Ende irgendwie miteinander verknüpft zu werden.

Die Handlung wird allerdings ein bisschen dadurch gebremst, dass der Film die Bilder nicht für sich sprechen, sondern in weiten Teilen von Benno Fürmann als Erzähler aus dem Off begleiten lässt. Ein weiteres Manko liegt darin, dass nicht erkennbar wird, in welchem Land die Handlung eigentlich spielt. Außer Hendersons Haus mit Meerblick wirken manche Schauplätze irgendwo angesiedelt zwischen Österreich, der Schweiz und dem Schwarzwald, dabei wird in der Originalfassung fast durchgehend Englisch gesprochen, und vor allem sieht man Beschilderungen in englischer Sprache, eine Merkwürdigkeit, die sicher der internationalen Vermarktbarkeit des Films geschuldet ist, den Film aber irgendwie heimatlos macht. Auch wenn mit dem internationalen Star Ben Kingsley geworben wird, der Film wird einzig und allein von dem sehr intensiv agierenden Benno Fürmann getragen, ein zunächst Getriebener, der mehr und mehr die Hoheit über das Geschehen gewinnt.

Vorlage für den Film ist ein Buch des schwedischen Autors Håkan Nesser, dem Dritten des erfolgreichen Schwedentrios neben Henning Mankell und Stieg Larsson. Er ist der erste Teil einer „Intrigo“-Trilogie, drei Filme, die inhaltlich nicht aufeinander aufbauen sollen, deren zweite und dritter Teil („Samaria“ und "Dear Agnes") aber bereits im nächsten Jahr folgen und ebenfalls von Daniel Alfredson inszeniert wurden, dem Regisseur, der bereits bei zwei Teilen der „Millenium“-Filme Erfahrung im Genre gesammelt hat.




Regie: Daniel Alfredson
Drebuch: Daniel Alfredson, Birgitta Bongenhielm, b/a Roman Håkan Nesser
Kamera: Pawel Edelman
Musik: Anders Niska, Klas Wahl

Darsteller:
Sir Ben Kingsley, Benno Fürmann, Tuva Novotny, Veronica Ferres, Michael Byrne, Daniela Lavender

20th Century Fox
106 min.
Deutscher Kinostart: 25.Oktober 2018