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Mittwoch, 27. März 2019

Film-Rezensionen: Dumbo

Ein kleiner Elefant wird in einem Zirkus geboren, aber niemand findet ihn niedlich, weil er viel zu große Ohren hat. Erst als dieses vermeintliche Handicap ihm eine außergewöhnliche Fähigkeit beschert, wird er akzeptiert.

 










Die Geschichte des kleinen, fliegenden Elefanten mit dem zunächst nicht nett gemeinten Spitznamen „Dumbo“, gehört zu den Disney-Klassikern, und nun hat Tim Burton die Zeichentrickvorlage aus dem Jahr 1941 in die reale Welt geholt, mit echten Schauspielern und einem hinreißend animierten kleinen Elefanten mit riesigen Segelohren.

 Angesiedelt bleibt der Film im Zirkusmilieu, wo Direktor Max Medici (Danny DeVito) um das Überleben seines Unternehmens kämpft, unterstützt von seiner bunten Artistenschar, die angeführt wird von dem eben aus dem Krieg zurückgekehrten Holt Farrier (Colin Farrell). Ein Elefantenbaby, im Zirkus geboren, könnte helfen, wieder mehr Zuschauer anzulocken, aber dann entspricht es wegen seiner übergroßen Ohren nicht dem Niedlichkeitsanspruch des Publikums. Erst ein Missgeschick mit einer Feder, das den kleinen Dumbo zum Niesen und gleich darauf zum Fliegen bringt, scheint die Rettung – einen fliegenden Elefanten gibt es sonst nirgendwo zu sehen.
Die Nummer weckt Begehrlichkeiten und damit die Aufmerksamkeit des Vergnügungsparkunternehmers V.A. Vandevere (Michael Keaton), der es schafft, die gesamte Medici-Truppe in sein Unternehmen, eine hypermoderne Spaßfabrik zu locken. Natürlich wird dort niemand so richtig glücklich, vor allem wird das Versprechen gebrochen, Dumbo wieder mit seiner Mutter zu vereinen, die, als sie ihr Baby beschützen wollte, als vermeintlich gefährlicher Elefant aussortiert wurde. Jetzt sind vor allem Holts Kinder gefragt, die ein wenig zu altkluge Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins), sowie die wunderschöne Artistin Colette Marchant (Eva Green), die zusammen nicht nur an einer spektakulären Flugshow arbeiten, sondern auch noch an einem Plan, um alles doch noch zu seinem guten Ende bringen. Ob es ihnen gelingen wird?

Tim Burton ist bekannt für seine bunten, oft schrillen und schrägen Ausflüge in Phantasiewelten und er findet hier natürlich eine angemessene Spielwiese, die er so farbenfroh und fantasievoll ausschmückt, wie es die moderne Filmtechnik zulässt. Unterstützt von seinem langjährigen Protagonisten Michael Keaton entsteht ein bunter Zirkus mit allem, was dazu gehört, natürlich auch einer Reihe von Tieren, die größtenteils so geschickt am Computer animiert wurden, dass sie keine Angriffsfläche für Tierschützer und Zirkusgegner bieten, und politisch korrekt werden diese Tiere am Ende des Films auch noch aus ihren Käfigen befreit, denn kein Tier sollte zum Vergnügen des Menschen eingesperrt sein. Die zweite Botschaft ist ebenso klar: eine (vermeintliche) Behinderung ist kein Grund, jemanden auszugrenzen, jeder ist wertvoll, so wie er ist, und oft kann das Anderssein eine Bereicherung darstellen.

So bietet der Film „Dumbo“ auch einem heutigen Publikum, jung wie alt, eine Projektionsfläche für bunte Träume und transportiert dabei spielerisch seine Botschaften, die nicht oft genug wiederholt werden können. Und einen fliegenden Elefanten sieht man in der Tat nicht alle Tage.





Regie: Tim Burton
Drehbuch: Ehren Kruger, b/a den Romanvorlagen
von Helen Aberson und Harold Pearl
Kamera: Ben Davis
Schnitt: Chris Lebenzon
Musik: Danny Elfman

Darsteller:
Colin Farrell, Danny DeVito, Eva Green, Michael Keaton, Nico Parker, Finley Hobbins, Lars Eidinger 

Walt Disney Studios
114 min.
Deutscher Kinostart: 28. März 2019


Film-Rezensionen: Ein Gauner & Gentleman (The Old Man & the Gun)


Nach Clint Eastwood (in „The Mule“) und Michael Caine (in dem noch anlaufenden „Ein letzter Job“) ein weiterer Film aus der Reihe „Alte weiße Männer begehen Straftaten“. Nun also Robert Redford, der als Forrest Tucker in einer (fast) wahren Geschichte einen Bankräuber und König der Ausbrecher darstellt, der auch auf seine alten Tage noch Spaß am Job hat.

Der Film spielt zu Beginn der 80ger Jahre,
Tucker und zwei Komplizen (Danny Glover und Tom Waits) haben sich darauf spezialisiert, in Banken hineinzuspazieren und nach dem diskreten Zeigen einer Waffe mit dem von ihnen gewünschten Geldbetrag wieder hinauszuspazieren, eine Masche, mit der sich in kurzer Zeit viel verdienen lässt, wenn man bereit ist, zu reisen und seinen Aktionsradius dabei immer weiter zieht. Da die Polizei eine Weile braucht, um den Zusammenhang herzustellen, ist es erst der Ermittler John Hunt (Casey Affleck), der ihnen auf die Spur kommt, eine Rundumvideoüberwachung gibt es noch nicht, so behilft man sich mit angefertigten Phantombildern.

Auf der Flucht vor der Polizei lernt Tucker die ebenfalls in die Jahre gekommene Jewel (Sissy Spacek) kennen, die allein auf einem Pferdehof lebt. Die beiden kommen sich näher, Jewel erfährt aber nichts von Tuckers Tun und so gibt es kein Senioren-Bonnie & Clyde-Gespann, dafür entwickelt sich eine anrührende Liebesgeschichte.
Der Film macht sich nicht die Mühe, die Motivation seines Protagonisten zu hinterfragen, Tucker ist, was er ist und offensichtlich ist er glücklich dabei. Sein ganzes Berufsleben hat er auf diese Weise verbracht und auch Gefängnisaufenthalte konnten ihn nicht davon abhalten, 17 Ausbrüche stehen auf seinem Konto, zuletzt im gesetzten Alter ein besonders origineller aus St. Quentin.

Erzählt wird die Geschichte in einem ruhigen, unaufgeregten Ton, an manchen Stellen plätschert sie etwas blutleer dahin, aber Robert Redford besitzt immer noch seinen umwerfenden Charme, der auch manche Länge des Films erträglich macht, und es ist schön, dem gealterten Paar zuzuschauen und die wunderbare Sissy Spacek noch einmal auf der großen Leinwand zu erleben. Warum sich Redford letztlich für diesen Film, der nach eigener Aussage sein letzter sein soll, entschieden hat, weiß man nicht, vielleicht ist es die augenzwinkernde Reminiszenz an lange zurückliegende Klassiker wie „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ oder „The Sting“ („Der Clou“), vielleicht ist es eine Anspielung darauf, dass es auch einen Schauspieler, genau wie ein altes Zirkuspferd, immer wieder zurück in die Manege zieht, so wie Forrest Tucker in die nächste Bank. Bleibt also abzuwarten, ob es nicht doch noch einen nächsten Film mit Robert Redford geben wird. Und danach vielleicht noch einen…




Regie: David Lowery
Drehbuch: David Lowery, David Grann
Kamera: Joe Anderson
Schnitt: Lisa Zeno Churgin
Musik: Daniel Hart

Darsteller:
Robert Redford, Sissy Spacek, Casey Affleck, Danny Glover, Tom Waits

dcm
93 min.
Deutscher Kinostart: 28. März 2019




Film-Rezensionen: Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour


Die Punk-Band aus Düsseldorf ist seit Anfang der 80ger Jahre im Geschäft und mittlerweile auch bei Leuten bekannt, die keine expliziten Punkfans sind, nicht zuletzt wegen ihres charismatischen Frontmannes Campino und einiger Balladen, die fast jeder kennt.

Dieser Film begleitet die Hosen auf ihrer Tour 2018 und ist hautnah dabei, wenn vor den Konzerten die Setlisten zusammengestellt werden, reist mit Campino, Breiti, Kuddel, Andi und Vom im Tourbus, zeigt, wie die einzelnen Bandmitglieder sich auf ihre Auftritte vorbereiten und wie sie danach wieder runterkommen. 

Es gibt Hintergrundgeschichten, über den Spagat der Band zwischen Mega-Hallen und kleinen Clubs, vom Berliner SO36 bis Buenos Aires, Argentinien, und in Einzelinterviews kommt zum Ausdruck, was die Toten Hosen von Anfang an ausgemacht hat, nämlich Haltung zu zeigen und mit ihrer Meinung zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht hinterm Berg zu halten, sondern, wenn es angesagt ist, auch öffentlich Stellung zu beziehen, wie beim #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz

Dabei wird aber auch deutlich, dass selbst der überzeugteste Punker sich irgendwann den Mechanismen des Musikbusiness nicht entziehen kann, wenn aus der Punk-Band am Ende ein Unternehmen geworden ist, in dem ziemlich viel Geld umgesetzt wird.

Für Hosen-Fans ist dieser Film sicher ein Muss, für alle anderen lüftet er das Geheimniss des Hosen-Hobels und bietet darüber hinaus die überraschende Erkenntnis, wie viele ihrer Lieder man tatsächlich mitsingen kann.




Regie: Cordula Kablitz-Post
Konzertregie: Paul Dugdale
Drehbuch: Cordula Kablitz-Post
Kamera: Christopher Rowe
Schnitt: Mechthild Barth
Konzertschnitt: Simon Bryant
Musik: Die Toten Hosen

NFP/ Filmwelt
107 min.
Deutscher Kinostart: 28. März 2019



Dienstag, 26. März 2019

Film-Rezensionen: Loro - Die Verführten (Homerelease 29.03.2019)


Wer den Namen Silvio Berlusconi hört, bei dem werden wohl automatisch Assoziationen zu Bunga-Bunga-Partys, Skandalen und ins Leere laufende Strafverfahren geweckt. All dies wird zwar in diesem Film von Paolo Sorrentino angerissen, aber wer ausschweifende Gelage erwartet, wird am Ende enttäuscht. Es ist auch keine bissige Polit-Satire geworden, aber vor allem wird die Figur des Berlusconi nicht vorgeführt, wie es sich mancher gewünscht haben mag.

Der Film nähert sich dem Phänomen Berlusconi auf andere, unerwartete Art, es wird ein bunter Bilderbogen im Stile des frühen Peter Greenaway aufgefächert, opulent und verführerisch. Dabei ist nicht Berlusconi der Skandal, sondern all jene, die ihn soweit haben kommen lassen, die anderen – loro = sie – die keine Skrupel kennen, einen Mann wie ihm Macht zu geben, um ihre eigene Gier nach Ruhm und Geld zu befriedigen. Berlusconi selbst – von Toni Sercillo kongenial verkörpert – erscheint dabei weder diabolisch noch besonders raffiniert, er ist einfach ein Mann, der von sich glaubt, alles, was er erreicht hat, stehe ihm auch zu, weil er sein Vermögen schließlich nicht wie ein Agnelli ererbt, sondern mit eigenen Händen erarbeitet hat. Sein Anspruch „Alles ist nicht genug" weist ihm zwangsläufig einen Platz an der Spitze zu, und er versteht nicht, wie man ihm diesen Platz verwehren kann. Fast philosophisch reflektiert er – und hier ergeben sich zwangsläufig Parallelen zu einem anderen Politikegomanen – warum man ihn nicht das Land führen lässt, wie seine Firma, sondern linke Richter ihn stattdessen mit ihren Prozessen drangsalieren. Tagtäglich fühlt er sich von seinen Gegnern attackiert und alle stecken ihre Nasen krankhaft in sein Privatleben.

Dieses scheint allerdings gar nichts so spektakulär zu sein, wie alle glauben, auch wenn es
Partys gibt und er sich in seiner Villa und den angrenzenden Ländereien wie ein kleiner Fürst geriert, verheiratet ist er mit seiner langjährigen Gefährtin Veronica Lario (Elena Sofia Ricci), und beide verbindet anscheinend eine große Liebe. Als diese am Ende dennoch zu zerbrechen droht, streiten sich die Eheleute in einem epischen Duell, bei dem sie ihm ein paar Wahrheiten ins Gesicht schleudert, wie nur sie es sich erlauben kann, unter anderem die, dass seine Stärke als Geschäftsmann hauptsächlich darin bestünde, zu betrügen, was in seinen Augen natürlich alle anderen auch machen. Seine eigentliche Kunst allerdings wird in eine kurzen Szene eindrucksvoll demonstriert, als er sich auf seine Anfänge als Immobilienverkäufer besinnt, und er, wie um sich zu beweisen, dass er es noch kann, eine willkürliche Nummer aus dem Telefonbuch anruft und es tatsächlich schafft, innerhalb kürzester Zeit, allein mit der Kraft seiner Worte und seiner Stimme, einer wildfremden Frau am anderen Ende eine Wohnung zu verkaufen, die es gar nicht gibt.

So entsteht das Bild eines gerissenen, schlauen Bauernfängers, der für sich persönlich kein Bunga-Bunga braucht, um höchste Regierungsämter zu ergattern, damit hält er aber die bei Laune, die ihn hofieren und es zulassen, dass er immer wieder zurückkommen wird, bis ans Ende seiner Tage, weil er gar nicht anders kann. Deswegen darf man ihm jedoch keinen Vorwurf machen, wer so einen Mann immer wieder in höchste Staatsämter wählt, ist eindeutig selbst schuld.




Regie: Paolo Sorrentino
Drehbuch: Paolo Sorrentino, Umberto Contarello b/a story von
Paolo Sorrentino
Kamera: Luca Bigazzi
Schnitt: Cristiano Travaglioli
Musik: Lele Marchitelli
  
Darsteller:
Toni Sercillo, Elena Sofia Ricci, Riccardo Scamarcio, Kasia Smutniak
Universum Film 
Ab 29. März auf DVD, Blu-ray & digital
FSK 12

Details:

DVD:
Laufzeit: 151 min.
Sprachen: Deutsch, Italienisch
Untertitel: Deutsch
Bild: 2,40:1
Ton: DD 5.1
Best.-Nr.: UF10300
PC: U015
Anzahl der Discs: 1

Blu-ray
Laufzeit: 157 Min
Bild: 2,40:1
Ton: DTS HD 5.1
Best.-Nr.: UF10301
PC: U018
Anzahl der Discs: 1

Extras:
Trailershow



Mittwoch, 13. März 2019

Film-Rezensionen: Destroyer


Siebzehn Jahre ist es her, dass LAPD-Detective Erin Bell (Nicole Kidman) bei einer verdeckten Ermittlung eine berufliche und persönliche Katastrophe einstecken musste, die sie nie verwunden hat. Eine Leiche, die zu Beginn des Films gefunden wird, scheint diese alte Geschichte wieder heraufzubeschwören.

Erin taucht in absolut desolater Verfassung
am Tatort auf, sie wirkt ausgebrannt und müde, aber Ihre Ermittlungen führt sie trotzdem zielstrebig, die Aussicht, endlich eine alte Rechnung begleichen zu können, weckt offensichtlich unerwartete Energien in ihr. Allerdings lässt die Leere in ihrem Gesicht und ihren Augen erschauern, hier ist eine gebrochene Frau auf einem finalen Feldzug und wer ihr auf den Straßen von Los Angeles in die Quere gerät, bekommt ihre Härte und Entschlossenheit zu spüren. Dass Erin sich in ihrem Privatleben noch um ihre aufmüpfige pubertierende Tochter zu kümmern hat, macht ihr Leben nicht leichter, aber auch hier verfolgt sie ihren Weg entschlossen und nicht immer zur Freude des Mädchens.

So hat man Nicole Kidman sicherlich noch nie gesehen: ungeschminkt, hart und rau, spielt sie einen Cop, mit dem nicht zu spaßen ist, nichts ist zu sehen von der oft vornehm-blassen Person, die sie sonst verkörpert. Der Film kommt ebenso kompromisslos daher wie seine Heldin und baut ein geschicktes Handlungsgeflecht aus Rückblenden und aktuellen Szenen auf, die die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers fordern. Manchmal etwas zu schwer und düster, erweist sich der Film am Ende doch als gelungener Thriller, der unter die Haut geht, mit einer mutigen und grandiosen Hauptdarstellerin.


Regie: Karyn Kusama
Drehbuch: Phil Hay und Matt Manfredi
Kamera: Julie Kirkwood
Schnitt: Plummy Tucker
Musik: Theodore Shapiro

Darsteller:
Nicole Kidman, Sebastian Stan, Tatiana Maslany, Toby Huss, Scoot McNairy, Bradley Whitford, Jade Pettyjohn, Beau Knapp, Toby Kebbell

 Concorde Film
123 min.
Deutscher Kinostart: 14. März 2019


Film-Rezensionen: Trautmann


Es gab einmal eine Zeit, als der englische Fußball kein Torwartproblem hatte und schuld daran war ein Deutscher namens Bernd Trautmann. Der Film von Marcus Rosenmüller erzählt diese Geschichte.

Der junge Wehrmachtssoldat Bernd Trautmann (David Kross) kommt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in britische Kriegsgefangenschaft. Bei einem Fußballspiel im Lager fällt er dem Trainer des örtlichen Fußballclubs Jack Friar (John Henshaw) auf, der händeringend einen brauchbaren Torwart für sein Team sucht. Für Trautmann bietet sich die Chance, den Schikanen des Lagers für eine Weile zu entkommen, wenngleich es erhebliche Ressentiments ihm, dem Deutschen, gegenüber gibt. Mit seiner Leistung, aber auch seiner zurückhaltenden und freundlichen Art, gelingt es ihm nach und nach, die Menschen für sich einzunehmen, und als dann noch mit seiner Hilfe der Klassenerhalt des Clubs geschafft wird, sind ihm Anerkennung und Respekt sicher.

Als sich Trautmann und Friars Tochter Margaret (Freya Mavor) ineinander verlieben, beschließt er, auch nach Auflösung des Gefangenenlagers in England zu bleiben. Er und Margaret heiraten, und dann erhält „Bert", wie er von den Engländern genannt wird, das Angebot, für Manchester City zu spielen.

Dort löst die Verpflichtung des „Nazis“ zunächst einen – heute würde man sagen – Shitstorm aus, zumal sich herausstellt, dass Trautmann sich als 17-Jähriger freiwillig zur Wehrmacht gemeldet und einige Auszeichnungen erhalten hat. Aber wiederum gelingt es ihm, die Fans durch seine Leistung zu überzeugen, und dann kommt das legendäre FA-Cup-Finale 1956 im Wembley-Stadion: Trautmann erleidet während der Partie einen Halswirbelbruch, spielt dennoch bis zum Ende weiter und Manchester gewinnt den Pokal, was ihn bei den fußballverrückten Engländern zu einem wahren Helden werden lässt, nicht nur respektiert, sondern auch geliebt.

Marcus Rosenmüller erzählt Trautmanns Geschichte mit viel Gefühl, zeigt, wie sich Hass und Ablehnung überwinden lassen, und wie die verbindende Kraft des Fußballs es schafft, einen ehemaligen Feind zum Volkshelden werden zu lassen. Die Kamera fängt Bilder von nostalgischer Sepia-Färbung ein, bietet mitreißende Fußballsequenzen und lässt so die Stimmung der Zeit wiederaufleben. David Kross gelingt es, seine Figur des „hässlichen Deutschen" von Anfang an zu einem Sympathieträger zu machen, seine Freundlichkeit und sein Charme ziehen nicht nur die Engländer, sondern auch die Zuschauer sogleich auf seine Seite. Einen düsteren Aspekt erhält die Geschichte durch die Bilder eines Kriegserlebnisses, die Trautmann quälen, eine Schuld, die er mit sich herumträgt und die er schließlich durch einen familiären Schicksalsschlag bezahlt sieht.

Der Film ist alles in allem eine zu Herzen gehende Aufforderung, Grenzen und Vorurteile zu überwinden, durch Verzeihen von Schuld zur Versöhnung zu gelangen, auch wenn es nicht einfach ist, gerade deshalb ein Thema, das niemals seine Aktualität und Berechtigung verliert.


Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch: Marcus H. Rosenmüller, Nicholas Schofield
Kamera: Daniel Gottschalk
Schnitt: Alexander Berner
Musik: Gerd Baumann

Darsteller:
David Kross, Freya Mavor, John Henshaw, Dave Johns, Harry Melling, Gary Lewis

 SquareOne Entertainment
20th Century Fox Germany
120 min.
Deutscher Kinostart: 14. März 2019



Donnerstag, 7. März 2019

Film-Rezensionen: White Boy Rick


Richard „Rick“ Wershe Jr. (Richie Merritt), ein Junge von 14 Jahren, lebt mit seinem Vater Rick Sr. (Matthew McConaughey), der den Lebensunterhalt mit dem Kauf und Verkauf von Waffen verdient, und seiner Schwester Dawn (Bel Powley) im Detroit der 80ger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die einstige Auto-Stadt hat einen beispiellosen Niedergang hinter sich, entsprechend trostlos sind die Straßen und Viertel, in denen sich Rick bewegt. Seine Freunde findet er im kriminellen Milieu der Crack-Dealer und seine genauen Kenntnisse der Szene führen eines Tages dazu, dass das FBI ihn, der alle wichtigen Leute und Vorgänge kennt, als Informanten anheuert, ein Glücksfall für die Behörden, denn wer wäre in diesem schwierigen Terrain unverdächtiger als ein Kind? Mit seiner Hilfe soll der berüchtigten Curry Crew, dem Drogenkartell der Brüder Johnny „Lil Man“ und Leo Curry in einem unübersichtlichen Geflecht zwischen Politik und Gangstern – immerhin ist Johnnys Frau die Nichte des Bürgermeisters – das Handwerk gelegt werden.

Als Rick angeschossen wird, deckt er die Täter, was ihm noch mehr Respekt und Vertrauen der Drogenbosse einbringt. Dem FBI gelingt mit Ricks Hilfe schließlich durch einige Verhaftungen ein Schlag gegen das Kartell, danach lassen sie Rick jedoch fallen. Auf sich allein gestellt nutzt dieser seine Kenntnisse nun für sich selbst und steigt tatsächlich zum jüngsten Drogenboss Detroits auf, bis ihn die Polizei 1987 mit acht Kilo Kokain verhaftet und er eine lebenslange Freiheitsstrafe erhält.

Wer dies für die absurde Handlung eines Drehbuchautors hält: Den Fall des Rick Wershe gibt es wirklich, seit mehr als 30 Jahren sitzt er nunmehr seine Haftstrafe ab, Ende dieses Jahres soll er vorzeitig entlassen werden.

Der Brite Yann Demange hat aus dieser Geschichte ein berührendes Drama gemacht, eine Milieustudie ohne spektakuläre Szenen, aber dafür authentisch und mit intensiven Momente zwischen den Protagonisten, die unter die Haut gehen. Der junge Richie Merritt meistert seine schwierige Rolle beeindruckend, sein Spiel zwischen kindlicher Unbedarftheit und kaltschnäuzigem Drogenbarongehabe nimmt man ihm jederzeit ab. Matthew McConaughey verfolgt konsequent seine Abkehr vom einstigen Beachboy zum Darsteller schwieriger, kaputter Charaktere und Bel Powley überzeugt als Ricks von Drogen und falschen Freunden gezeichnete Schwester.

Insgesamt sehenswert ist der Film kein „J’accuse", er klagt nicht an, sondern vermerkt im Abspann lakonisch, welche Konsequenzen die Taten des echten Rick Wershe für diesen hatten, aber er gibt keine Antwort auf die Frage, wie ein modernes Rechtssystem in dieser Weise mit Kindern verfahren kann. Ohne Zweifel hat Rick Wershe schwere Straftaten begangen – Crack- und Kokainhandel im großen Stil sind keine Kavaliersdelikte – aber ein Kind als Informant zu missbrauchen, danach sich selbst zu überlassen, anschließend zu einer lebenslangen Haftstrafe zu verurteilen und es dann drei Jahrzehnte davon auch verbüßen zu lassen, wäre nach deutschem Strafrecht und unserem Rechtsverständnis völlig undenkbar, und das ist auch gut so!


Regie: Yann Demange
Drehbuch: Andy Weiss, Logan Miller, Noah Miller
Kamera: Tat Radcliffe
Schnitt: Chris Wyatt
Musik: Max Richter

Darsteller:
Matthew McConaughey, Richie Merritt, Bel Powley, Jennifer Jason Leigh, Eddie Marsan

Sony Pictures
111 min.
Deutscher Kinostart: 07. März 2019



Mittwoch, 6. März 2019

Film-Rezensionen: Captain Marvel

Für alle, die eine Marvel-Timeline-Übersicht haben, empfiehlt es sich, diese bereit zu halten, um die Geschichte von Anfang an zeitlich richtig einordnen zu können. Für alle anderen der Hinweis: S.H.I.E.L.D.-Agent Nick Fury besitzt noch beide Augen und sein Darsteller Samuel L. Jackson hat eine bemerkenswerte digitale Verjüngungskur durchgemacht.

Die Titelheldin (Brie Larson) wird als Vers, Kriegerin des außerirdischen Volkes der Kree vorgestellt, das sich in einem Krieg mit einem Volk von Gestaltwandlern, den Skrull, befindet. Hiefür wurde Vers von ihrem Mentor Yon-Rogg (Jude Law) ausgebildet, allerdings leidet sie, wie so viele ihrer Superheldenkollegen, unter Vergangenheitsproblemen, in ihren Erinnerungen gibt es einen Widerstreit an Bildern, die nicht zueinander zu passen scheinen. Dies verstärkt sich, als sie sich nach einem Gefecht plötzlich auf der Erde des Jahres 1995 wiederfindet, wo sich ihr nach und nach immer mehr Facetten einer Vergangenheit als Kampffliegerin Carol Danvers offenbaren, bis sich schließlich die Puzzleteile von Carol Danvers Weg von der Erde zu den Kree und zurück zu einem überraschenden Bild zusammenfügen. Erschwert wird ihre Mission noch, weil einige der Skrull ihr auf die Erde gefolgt sind, und sobald Gestaltwandler im Spiel sind, kann man nicht mehr sicher sein, wem man vertrauen kann, und wem nicht…

Es macht durchaus Spaß, dabei zuzusehen, wie aus Carol Danvers die mächtige
Superheldin Captain Marvel wird, der Film ist unterhaltsam und gewohnt actionreich inszeniert, auch wenn die Geschichte am Ende, wenn sich alles aufgelöst hat, nicht mehr so kompliziert ist, wie es zunächst den Anschein hat. Samuel L. Jackson und Brie Larson geben ein schwungvolles Team ab, getoppt nur noch von den Szenen zwischen Jackson und einer orangefarbenen Katze, die für die meisten Lacher sorgen dürften. Aber auch ein paar der anderen Charaktere sind sehenswert, allen voran der charismatische Talon (Ben Mendelsohn), der seiner Figur eine überraschende Tiefe gibt.

Insgesamt ist dieser 21. Film aus dem Marvel Cinematic Universe vielleicht kein herausragender Meilenstein der Reihe, trotz der Tatsache, dass nach DC nun auch Marvel eine Superheldin ins Rennen schickt. Solange dies allerdings nach wie vor herausgehoben wird, bedeutet es, dass immer noch ein weiter Weg vor uns liegt, bis es irgendwann einmal keiner besonderen Erwähnung mehr bedarf. Ob die Figur Captain Marvel Potenzial hat, kann sich schon bald zeigen, wenn diese ins Team der Avengers aufgenommen wird, ab April im Kino: „Avengers: Endgame.

Ach ja: Der leider nach Drehende verstorbene Stan Lee ist in seinem letzten Cameo zu sehen, und natürlich gibt es, wie gewohnt, zwei kleine Szenen, die es erfordern, will man sie sehen, bis zum letzten Buchstaben des Abspanns hocken zu bleiben…


Regie: Anna Boden + Ryan Fleck
Drehbuch: Anna Boden, Ryan Fleck, Geneva Robertson-Dworet b/a story von Nicole Perlman, Meg LeFauve, Anna Boden, Ryan Fleck, Geneva Robertson-Dworet
Kamera: Ben Davis
Schnitt: Debbie Berman, Elliot Graham
Musik: Pinar Toprak

Darsteller:
Brie Larson, Samuel L. Jackson, Ben Mendelsohn, Djimon Hounsou, Lee Pace, Lashan Lynch, Gemma Chan, Algenis Perez Soto, Rune Tempte, Annette Bening, Jude Law

Walt Disney Studios
124 min.
Deutscher Kinostart: 7. März 2019
 
Bilder und Clips: © Marvel Studios