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Mittwoch, 31. Januar 2024

Heimkino: Saltburn

Oliver Quick (Barry Keoghan) ist ein ambitionierter Student, der es an die Eliteuniversität Oxford geschafft hat, wo er alles daran setzt, Zugang zur Clique um den reichen und schönen Kommilitonen Felix Catton (Jacob Elordi) zu bekommen. Als dies gelingt und er von Felix eingeladen wird, den Sommer bei dessen Familie auf dem luxuriösen Landsitz Saltburn zu verbringen, lernt Oliver ein Leben kennen, von dem er bisher nur geträumt hat - aber für Oliver soll es nicht beim Träumen bleiben…

Wer sich bei dieser Geschichte womöglich an „Wiedersehen mit Brideshead“ von Evelyn Waugh erinnert fühlt, der soll nicht glauben, hier hätte man sich bei dem englischen Klassiker bedient, denn es ist genau umgekehrt: der Schriftsteller Waugh hat sich vielmehr bei der Entwicklung seiner Figuren die Familie Catton zum Vorbild genommen – so jedenfalls die Erklärung, die Felix liefert, womit augenzwinkernd möglichem Ideenklau der Wind aus den Segeln genommen wird.

Damit enden dann aber auch die Ähnlichkeiten zu dem genannten Werkt, denn frech und respektlos geht es weiter, das ist zumindest der Anspruch. Der junge Oliver fügt sich erwartungsgemäß schnell (der Name ist Programm…) in sein neues, aufregendes Umfeld ein und treibt unaussprechliche Dinge, die bei Erwähnung des Films natürlich genüsslich ausgesprochen und ausgebreitet werden. Und was man sich für ihn in der Schlusssequenz ausgedacht hat, war dann der sichere Weg zu einer BAFTA-Nominierung für Barry Keoghan, der neuen Lieblingsbesetzung für verdruckste oder latent bedrohliche Charaktere, weil man sich bei der Jury offensichtlich vom allzu braven Image und dem Vorwurf, nur dem Mainstream nachzulaufen, lösen und auch einmal etwas wagen möchte...

Leider wird aber nicht ganz klar, was uns der Film letztlich eigentlich sagen möchte, ist es Satire (eher nein), Krimi (eher ja) oder  Gesellschftskritik? Für letzteres werden zwar der dekadente Lebensstil und die Oberflächlichkeit der Beteiligten als durchaus verachtenswert vorgeführt, gleichzeitig stellen sie für den Protagonisten jedoch genau das Lebensmodell dar, das er anstrebt. Was er hierfür zu tun bereit ist, wird zunächst als bewusste und kalkulierte Provokation dargeboten – mit dem Label schmückt sich der Film auch sehr gerne – aber die weitere Entwicklung geht dann in eine etwas andere Richtung, die sogar noch verachtenswerter ist, als alles, was Oliver bei seinen Gastgebern vorfindet, da hat sich Emerald Fennell wohl mehr bei Patricia Highsmith als bei Evelyn Waugh bedient.

Hatte Fennell bei der Entwicklung der weiblichen Heldin in „Promising Young Woman“ noch eine gewisse Moral und das Streben nach Gerechtigkeit im Sinn, auch wenn man sich dafür über Recht und Gesetz erst einmal hinwegsetzen muss, so ist ihr Oliver Quick ein amoralischer Antiheld, was zunächst reizvoll erscheinen mag, am Ende dann aber einen eher schalen Beigeschmack hinterlässt.

 


Regie: Emerald Fennell

Drehbuch: Emerald Fennell

Kamera: Linus Sandgren

Schnitt: Victoria Boydell

Musik: Anthony Willis

 

Besetzung:

Barry Keoghan, Jacob Elordi, Richard E. Grant, Rosamund Pike, Carey Mulligan, Archie Madekwe

 

Amazon MGM Studios

2023

131 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: in ausgewählten Theatern,

ansonsten bei

Amazon Prime

 

Trailer:

https://www.youtube.com/watch?v=ZQ6Zvu71_9M

https://www.youtube.com/watch?v=fNYepvUtYGA

 

Mittwoch, 24. Januar 2024

Im Kino: The Holdovers

Weihnachten 1970: Während fast alle Schüler der Barton Academy, eines Jungeninternats an der amerikanischen Ostküste, über die Ferien nach Hause fahren, müssen ein paar Unglückliche aus unterschiedlichen Gründen die Zeit an der Schule verbringen, beaufsichtigt ausgerechnet von der unbeliebtesten Lehrkraft, dem Geschichtslehrer Paul Hunhum (Paul Giamatti), kulinarisch versorgt von der Schulköchin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph). Für den begabten, aber aufsässigen Schüler Angus Tully (Dominic Sessa) kommt es noch schlimmer, als er plötzlich der einzig Verbliebene (Englisch: Holdover) Aug in Aug mit dem verhassten Lehrer ist…

Letzteres ist eine buchstäbliche Herausforderung, da die Physiognomie des Lehrers bereits viel Stoff für Häme und Abneigung bietet, gepaart mit seiner fast sadistisch scheinenden Attitüde, die meisten seiner Schüler als faule, dumme nichtsnutzige Sprösslinge reicher Eltern zu behandeln, womit er in vielen Fällen sogar Recht hat. Aber das ist keine gute Basis für ein gedeihliches Miteinander, und für Angus scheint sein schlimmster Albtraum wahr zu werden, mit diesem schrecklichen Lehrer in der fast verlassenen Schule eingesperrt zu sein.

Und dann schafft der Film etwas, was vielleicht vorhersehbar, aber dennoch eine wunderschöne Wendung bedeutet: durch Kennenlernen des jeweils Anderen kommt man sich näher – ja, Leute: das geht! Je mehr Angus und Paul voneinander erfahren, desto mehr steigt das Verständnis füreinander. Es ist zwar immer noch ein langer und schmerzvoll-frustrierender Weg, man muss sich schon ein wenig Mühe geben, aber dann entdeckt man Seiten am Anderen – und vielleicht am Ende auch an sich selbst – um zumindest respektvoll miteinander umgehen zu können, eine wunderschöne Botschaft, die dank der großartigen Leistung seiner Besetzug auch absolut überzeugend herübergebracht wird!

Auch die Einbindung der dritten Person, der Köchin Mary Lamb, gelingt in berührender Weise, ihr Schicksal als Kontrapunkt gegenüber der Welt der verwöhnten, reichen Sprösslinge gesetzt, hat auch heute nichts von seiner Aktualität verloren, wenn es immer wieder scheint, dass den Einen stets genommen und den Anderen alles gegeben wird. Hiermit umzugehen, vielleicht manchmal zu verzweifeln, aber am Ende nicht daran zu zerbrechen, eine weitere mutmachende Botschaft des Films.

Jenseits dieser tragischen Elemente kommt aber auch der Spaß nicht zu kurz, ein feiner Humor bricht die Stimmung immer wieder auf, bevor sie allzu düster zu werden droht, Lachen und Leiden liegen eben oft nahe beieinander, und das ist die dritte heitere Botschaft dieses wunderbaren Films!

 


  Regie: Alexander Payne

Drehbuch: David Hemingson

Kamera: Eigil Bryld

Schnitt: Kevin Tent

Musik: Mark Orton

 

Besetzung:

Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph, Carrie Preston

 

Miramax/ Universal Pictures International

2023

133 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 25. Januar 2024

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ZC7jenCwjIg (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=euTcPL9uLu8 (Englisch)

 

Mittwoch, 17. Januar 2024

Heimkino: The Creator

Im Jahr 2065 scheint Künstliche Intelligenz nach der Macht über die Erde zu greifen. Die westliche Welt unter Führung der Amerikaner macht sich daran, KI wieder zu eliminieren, während sich das Neue Asien dagegenstellt, was zu einem erbitterten Krieg beider Seiten führt. Ex-Special-Forces Agent Joshua (John David Washington) erhält den Auftrag, einen geheimnisvollen Schöpfer – Nirmata – zu suchen und natürlich zu vernichten, weil dieser eine ultimative KI-Waffe entwickelt haben soll, die die gesamte Menschheit auslöschen kann. Gleichzeitig sucht Joshua aber auch seine verschwundene Frau Maya (Gemma Chan), die auf der anderen Seite zu stehen scheint, was Joshua zu einem Verräter an seinem eigenen Auftrag werden lässt. Als er dann noch auf ein Kind stößt, das sich als die vermeintliche Killer-Waffe entpuppt, gerät sein Mission endgültig aus den Fugen, während eine gigantische Vernichtungsmaschinerie in Gestalt der Raumstation NOMAD Jagd auf alles macht, was sich ihr in den Weg stellt.

Der Film war die Sci-Fi-Offenbarung des letzten Jahres, der sowohl durch seine großartigen Bilder als auch seine kritische Botschaft punktet und trotz der actiongeladenen Handlung ohne den manchmal doch reichlich sinnfreien und deswegen ermüdenden Bombast der nach oben offenen Emmerich-Skala auskommt. Trotz der eher konventionellen Story und den üblichen Versatzstücken einer kriegerischen Mission in feindlichem Terrain, die er als Gerüst nutzt, schafft er eine aufregende Welt, irgendwo angesiedelt zwischen den ikonischen Blade-Runner-Großstadtimpressionen und den schrecklichen Bildern, die der amerikanische Vietnam-Einsatz hinterlassen hat. Wieder sind es die Amerikaner, die in ihrem Glauben, nur das Gute zu wollen, als Weltpolizisten über jegliches Ziel hinausschießen bis sie nicht mehr in der Lage sind, Zwischentöne zu erkennen und sich weit davon entfernen, zu erkennen, wer die wahren Bösen sind.

Die Auseinandersetzung mit KI steht filmisch erst am Anfang, seit diese sich von der bloßen Vision vergangener Zeiten zu einer mehr und mehr in unseren Alltag vordringen Realität entwickelt hat, und sich, wie bei jedem Fortschritt die üblichen Fragen stellen: Wird sie mehr Gutes als Schlechtes bringen, wem wird sie nützen und wem schaden, wird sie zum Ende der Menschheit oder zu deren endgültiger Vorherrschaft im Universum führen?

Diese Diskussion bereichert „The Creator“ in sehenswerter Weise, unter anderem mit der bestechenden Idee, dass die Entwicklung einer neuen und gefährlichen Waffe vielleicht einmal darin bestehen könnte, etwas zu schaffen, das alle anderen Waffen eliminiert, vielleicht wäre dann endlich Frieden.

 


Regie: Gareth Edwards

Drehbuch: Gareth Edwards, Chris Weitz

Kamera: Greig Fraser, Oren Soffer

Schnitt: Hank Corwin, Scott Morris, Joe Walker

Musik: Hans Zimmer

 

Besetzung:

John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Allison Janney, Ken Watanabe, Sturgill Simpson

 

20th Century Studios/ Walt Disney Studios

2023

133 min.

FSK 12

Ab 19. Januar 2024 auf DVD, Blu-ray und als 4K UHD im limitierten Steelbook

Bonusmaterial Blu-ray + Steelbook: ca. 60 min. Making of, Blick hinter Kulissen und Produktion

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=4_1LIA0P0rI (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=MAZuGdi32bk (Englisch)


Im Kino: Poor Things

Dem brillanten Wissenschaftler Godwin Baxter (William Dafoe) gelingt es, auf äußerst unkonventionelle Weise eine junge Selbstmörderin zurück ins Leben zu holen. Das Ergebnis ist Bella Baxter (Emma Stone), ein Wesen, das in Windeseile die Entwicklung vom Baby zur lebenshungrigen und heftig pubertierenden, aber immer selbstbestimmter werdenden jungen Frau durchmacht, die sämtliche Konventionen ihrer Zeit missachtet und auf ihrem Weg alle Männer, vor allem den schmierigen Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), wie arme Dinger aussehen lässt…

Was zunächst wie die irrwitzige Fantasie eines abgedrehten Filmemachers klingt, ist genau das. Überdreht, komisch und vollkommen schräg, in knalligen Farben liebevoll und bunt bebildert, entsteht eine stets künstlich scheinende Welt, die jedoch unter all diesem Zuckerwerk einen satirischen und durchaus kritischen Blick auf Konventionen wirft, und darauf, wie eine junge Frau sich aus eben diesen befreit, indem sie sie von vorneherein als nicht gegeben anerkennt. Auf dem Weg zu Freiheit und Emanzipation ist nichts eindimensional und schon gar nicht pink, nimm das, Barbie!

Wo der letztgenannte Film nichts anderes ist, als ein aufgeblähtes Vehikel einer unglaublich erfolgreichen Werbekampagne für ein weltbekanntes Spielzeug, der sich dafür den Mantel der Satire mit emanzipatorischen Tupfern und gleichzeitig großen Löchern überstreift, durch die das schamlose Gesicht eines Weltkonzerns blitzt, bietet Lanthimos ein erfrischend originelles, grelles und gleichzeitig liebevoll gezeichnetes Porträt dazu, wie Emanzipation auch gehen kann, und ist dabei auch noch unglaublich unterhaltsam.

Darüber hinaus sehen die in Godwin Baxters Haus herumhuschenden, von ihm neu gestalteten übrigen Geschöpfe nicht aus wie die armen gequälten Kreaturen auf der "Insel des Dr. Moreau", alles wirkt wie ein eigener Kosmos, in dem bei aller Skurrilität Harmonie und Frieden herrscht, ganz im Gegensatz zu der Welt da draußen, und auch Baxter selbst, der von seinem eigenen Vater verunstaltet und tatsächlich gequält worden ist, erscheint als liebenswerter Sonderling, der trotz seiner furchtbaren Erfahrungen optimistisch und ohne Groll seine Welt erschafft, dabei entgegen seinem Äußeren liebenswert und fürsorglich geblieben ist, als Wissenschaftler zwar keine Grenzen anerkennt, aber im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, vor allem im Bereich des Horrorgenres, durchaus Schönes und Gutes zu schöpfen imstande ist.

Wer Sinn für das Schräge hat und den Mut, sich auf das Experiment eines im wahrsten Sinne des Wortes schamlosen, gleichzeitig wunderschönen und auch noch witzigen Filmes einlassen möchte, der ist bei diesem Film goldrichtig! 


Regie: Yorgos Lanthimos

Drehbuch: TonyMcNamara, Alasdair Gray

Kamera: Robbie Ryan

Schnitt: Yorgos Mavropsaridis

Musik: Jerskin Fendrix

 

Besetzung:

Emma Stone, Willem Dafoe, Mark Ruffalo, Ramy Youssef, Christopher Abbott, Hanna Schygulla

 

Searchlight Pictures/ Walt Disney Motion Pictures

2023

141 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: 18. Januar 2024

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=lpLT_EPMq9k (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=-EfYJWRw2FM (Englisch)

 

Mittwoch, 10. Januar 2024

Im Kino: The Beekeeper

Adam Clay (Jason Statham) verbringt seine Tage damit, mitten in der unberührten Natur auf dem Grundstück einer liebenswerten alten Dame (Phylicia Rashad) Bienen zu züchten. Als die Seniorin von skrupellosen Cyber-Gangstern um ihre sämtlichen Ersparnisse gebracht wird, macht sich Clay auf die Suche nach den Verantwortlichen. Da er über eine Spezialausbildung in der Ein-Mann-Kriegsführung verfügt, zeigt er sich dabei nicht zimperlich, aber auch er ahnt nicht, wohin ihn seine Suche letztendlich führen wird…

Bei dieser Rache-Geschichte wird eine ganz klare Selbstjustiz-Philosophie gepflegt, man darf ruhig seine Gesetze haben, sobald diese jedoch versagen, braucht es eine darüberstehende Instanz, die für Gerechtigkeit sorgt. So weit, so fragwürdig, aber wer das nächste Mal erlebt, wie alte Leute mit dem Enkel-Trick über den Tisch gezogen werden, wünscht sich insgeheim dann vielleicht doch, er hätte die Telefonnummer von Adam Clay in Gestalt von Jason Statham, der sich vollem Einsatz durch seine Mission arbeitet. Wo er hinlangt, wächst, nicht überraschend, für lange Zeit kein Gras mehr, deshalb auch das FSK-18-Label, und wie in diversen Ein-Mann-sieht-rot-Geschichten zuvor, wird hier, zumindest virtuell, das Grundbedürfnis nach Gerechtigkeit befriedigt und so etwas hat manchmal durchaus eine kathartische Wirkung.

Die Rechtfertigung, mit der der Film, arbeitet, ist die notwendige Arbeit einer ominösen Geheimabteilung innerhalb des ohnehin schon geheimen Geheimdienstes, die für Gerechtigkeit sorgt, wenn alles andere versagt, damit der Bürger am Ende des Tages wieder ruhig schlafen kann. Gleichnishaft wird hierfür das Bild des Bienenstocks bemüht, in dem ein „Beekeeper“ für Ordnung sorgt, um die Gemeinschaft zu schützen und zu erhalten.

Vielleicht ist es aber auch nur die Rechtfertigung für einen Hau-Drauf-Film, der kompromiss- und schnörkellose Action bietet, wer so etwas sucht und einem gut aufgelegten Jason Statham bei der Arbeit zusehen möchte, der zwar auch schon etwas in die Jahre gekommen ist, es aber immer noch draufhat, der ist hier richtig. Einer ausdrücklichen Warnung, dass es sich hier nicht um einen Arthouse-Film handelt, bedarf es dann wohl nicht mehr.

 


 Regie: David Ayer

Drehbuch: Kurt Wimmer

Kamera: Gabriel Beristain

Schnitt: Geoffrey O‘Brian

Musik: Jared Michael Fry, David Sardy

 

Besetzung:

Jason Statham, Emmy Raver-Lampman, Bobby Naderi, Josh Hutcherson, Jeremy Irons, Minnie Driver, Phylicia Rashad

 

Miramax/ Leonine

2024

105 min.

FSK 18

Deutscher Kinostart: 11. Januar 2024

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ly6hAbN51i0 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=SzINZZ6iqxY (Englisch)

 

 

Mittwoch, 3. Januar 2024

Im Kino: Priscilla

Als die 14-jährige Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny), die im Jahr 1959 mit ihren Eltern auf einem Armeestützpunkt in Deutschland lebt, auf einer Party den zehn Jahre älteren Elvis Presley (Jacob Elordi) kennenlernt, scheint sich für sie der Traum aller Teenager auf diesem Planeten zu erfüllen. Doch der von allen umschwärmte Star hat auch eine andere Seite und zunächst ist nicht ganz klar, was er von diesem jungen Mädchen überhaupt will…

Der Film beruht auf der von Priscilla Presley selbst veröffentlichten Geschichte ihrer Beziehung zu dem allseits verehrten Idol und darf daher Kenntnisse aus erster Hand und damit eine gewisse Authentizität für sich in Anspruch nehmen. Regisseurin Coppola hat daraus eine Frauengeschichte gemacht, in der die Figur Elvis Presley fast im Hintergrund verschwindet.

Im Vordergrund steht dagegen ein zunächst völlig unbedarftes junges Mädchen, das umschmeichelt wird von einem Mann, dem selbst die Frauenwelt zu Füßen liegt. Stets zuvorkommend, höflich und wohlerzogen präsentiert er sich den Eltern der jungen Priscilla, denen dies alles nicht recht geheuer ist, die aber seinen Versprechen glauben, dass er nichts Unehrenhaftes mit ihrer Tochter im Sinne habe, und genau so scheint es tatsächlich gewesen zu sein. Diese Haltung pflegt der von allen Fans als Sexsymbol umschwärmte Mann allerdings auch noch, als Priscilla längst älter geworden und bereit ist, sich ihm hinzugeben, bis ihre diesbezüglichen Avancen fast schon bemitleidenswert erscheinen.

Coppola geht es dennoch in erster Linie nicht darum, ein Idol zu entzaubern, wie gesagt, Elvis steht hier nicht im Mittelpunkt, vielmehr wird das Porträt einer Frau entworfen, die sich vom Teenager zur Ehefrau entwickelt, dabei aber stets auf sich alleine zurückgeworfen ist, denn in der Öffentlichkeit wird sie zwar beneidet, aber sie selbst hat am öffentlichen Leben wenig Anteil. Immer hat sie hinter den Wünschen und Vorstellungen ihres Mannes zurückzustehen, wenn es das Bild vom goldenen Käfig noch nicht gäbe, hierfür hätte es erfunden werden müssen.

Wie sich Priscillas Liebe nach und nach wandelt, bis sie den Schritt der Trennung wagt, das ist sehenswert, vor allem dank der hervorragenden Leistung der jungen Cailee Spaeny, das letzte Feuer will der Film dann aber doch nicht entfachen. Aber er bietet, auch möglicherweise für Elvis-Fans, eine Ergänzung zu dem Bild eines Mannes, dessen Namen zwar (fast) jeder kennt, der aber, wie alle Stars, als Mensch eher unbekannt geblieben sein dürfte. Und dankenswerterweise bleibt der notorische Colonel Parker hier völlig außen vor, dessen Präsenz in Gestalt des ausnahmsweise einmal eine schreckliche Vorstellung abliefernden Tom Hanks den „Elvis“-Film von Baz Luhrman so nachhaltig gestört hat …

 


 Regie: Sofia Coppola

Drehbuch: Sofia Coppola, Sandra Harmon, b/a Buch „Elvis and Me“ von Priscilla Presley

Kamera: Philippe Le Sourd

Schnitt: Sarah Flack

Musik: Phoenix

 

Besetzung:

Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Ari Cohen, Dagmara Dominczyk, Tim Post, Lynne Griffin

 

American Zoetrope/ A24/ MUBI

2023

113 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: 04. Januar 2024 (in ausgewählten Kinos bereits seit 16. Dezember 2023)

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=MmS1kfH3Zzo (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=uUM2-a--dNw (Englisch)

 

 

Im Kino: Next Goal Wins

Bei Fußball-Startrainer Thomas Rongen (Michael Fassbender) läuft es gerade nicht rund, von seinem letzten Job wurde er gefeuert und er nimmt widerwillig das Angebot an, die in einem legendären WM-Qualifikationsspiel gegen Australien mit 0:31 untergegangene Mannschaft von Amerikanisch-Samoa fit zu machen. Das Ziel scheint denkbar einfach: wenigstens einmal ein einziges Tor zu erzielen - Rongen ahnt nicht, welche Herausforderung auf ihn wartt…

Auf wahren Ereignissen beruhende Underdog-Sportgeschichten haben stets einen besonderen Charme, siehe „Cool Runnings“ (Jamaikanische Bobfahrer) oder vor allem „Eddie the Eagle“, die unglaubliche Geschichte des Skispringer-Amateurs Michael „Eddie“ Edwards, der bei den Olympischen Winterspielen in Calgary zum Publikumsliebling wurde.

Hier nun also geht es um eine hoffnungslos untalentierte Fußballmannschaft, die mit ihrer laxen Einstellung ihren Trainer zur Verzweiflung treibt, bis er sich in sein Schicksal fügt und sich in seinem unfreiwilligen Exil und dem für ihn neuen, aber liebenswert-exotisch anmutenden Umfeld immer wohler zu fühlen beginnt.

Soweit nichts aufsehenerregendes Neues, dennoch ist es Regisseur Waititi gelungen, aus diesem bekannten Material einen vergnüglichen und unterhaltsamen Film zu machen, mit gewohnt verschroben Elementen, unterstützt von guten Darstellern, allen voran Michael Fassbender, der dann auch für den tragischen Unterton sorgen darf, der in einer guten Komödie nicht fehlen darf.

Alles in allem der richtige Film zum unbeschwerten Start in das neue Kinojahr.

 


 Regie: Taika Waititi

Drehbuch: Taika Waititi, Iain Morris

Kamera: Lachlan Milne

Schnitt: Tom Eagles, Yana Gorskaya, Nicholas Monsour, Nat Sanders

Musik: Michael Giacchino

 

Besetzung:

Michael Fassbender, Oscar Kightley,

 

Walt Disney Motion Pictures/ Searchlight Pictures

2023

104 min.

FSK 0

Deutscher Kinostart: 04. Januar 2024

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=QyyZPGDpdQY (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=jFkaH84fOJo (Englisch)