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Donnerstag, 28. Oktober 2021

Im Kino: Antlers

Die Grundschullehrerin Julia Meadows (Keri Russell) bemerkt eines Tages, dass ihr Schüler Lucas (Jeremy T. Thomas) ein Problem hat, mit dem er sich ihr aber nicht anvertrauen will. Als sie der Sache auf den Grund gehen will, kommt sie einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur...

Der vordergründige Horror dieses Films speist sich aus indigenen Mythen, in denen ein Wendigo, ein hirschartiges, menschenfressenden Ungeheuer sein Unwesen treibt. Aber jenseits dieser Mythen und Sagen werden ganz reale Ungeheuerlichkeiten ans Licht gezerrt. Folgt man der Westküste der USA von Kalifornien in den Norden, so wandelt sich die heitere, sonnige Landschaft in regenfeuchte Wälder, in denen die Vergessenen vergangener Zeiten ihr tristes Leben fristen. Wo vormals Menschen Arbeit und Brot in Bergwerken fanden, verfallen die Orte, und Tragödien, die sich anderswo unter blauem Himmel abspielen, bleiben hier im Verborgenen, solange, bis ein Akt der Gewalt sie an die Oberfläche holt.

Missbrauch, Alkohol- und Drogensucht sind der eigentliche Horror, jenseits der Mythen und der Film - glänzend bebildert - zeigt diesen eindringlich genug, um einem immer wieder einen Schauer über den Rücken zu jagen, bedrückend vor allem angesichts des Schicksals der beiden Kinder Lucas und seines jüngeren Bruders, deren Darsteller beide eine herzergreifende Leistung zeigen.

Ein Film, der aus verschiedenen Gründen unter die Haut geht, wenn auch vielleicht etwas anders, als der gemeine Horrorfilmliebhaber es erwartet, aber auch für diesen gibt es ein paar schaurige Szenen, in denen die Maskenbildner sich ausleben durften. Trotz einiger Schwächen, weil sich die Handlung doch einigermaßen erwartbar entwickelt, ist „Antlers“ etwas für Liebhaber des morbiden Horrors, aber definitiv nichts für einen beschaulichen Kinoabend.

 


 

Regie: Scott Cooper

Drehbuch: C. Henry Chaisson & Nick Antosca, Scott Cooper, b/a Kurzgeschichte „The Quiet Boy" von Nick Antosca

Kamera: Florian Hoffmeister

Schnitt: Dylan Tichenor

Musik: Javier Navarrete

 

Besetzung:

Keri Russell, Jesse Plemons, Jeremy T. Thomas, Graham Greene, Scott Haze, Rory Cochrane, Amy Madigan, Sawyer Jones

 

FOX Searchlight Pictures

USA 2021

99 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: 28. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=2aiYxwVuZ1o

 

 

Im Kino: Ron läuft schief (Ron's Gone Wrong)

Wenn alle in der Schule das neueste technische Spielzeug haben nur man selber nicht, ist man schnell ein Außenseiter, zumal, wenn das technische Spielzeug ein B*Bot, ein "Best Friend out of the Box" ist, der Freundschaften im Stile von FBook generiert. Barney ist ein Teenager, der sich mit den coolen Kids ohnehin schwer tut, und ohne B*Bot sieht er keine Chance, dazuzugehören. Sein Vater und die herzensgute aber schrullige Großmutter sind mehr der Typus „pädagogisches Holzspielzeug", möchten ihm aber dann doch helfen. Leider sind die superschicken Bots gerade ausverkauft und so geraten sie an einen vom Lastwagen gefallenen Bot namens Ron mit kleinen Macken. Barney, zunächst überglücklich, merkt schnell, dass er mit Ron mehr Probleme dazubekommt, als er ohnehin schon hatte, aber dann entwickelt sich zwischen beiden tatsächlich so etwas wie eine echte Freundschaft, um den ihn die coolen Kids am Ende sogar beneiden…

Der Film aus dem Hause Disney ist eine weitere animierte Parabel über das, was wirklich wichtig ist im Leben und nimmt sich diesmal die künstliche Welt der algorithmisch gesteuerten Online-Freundschaften vor. Dabei wird der Konzern hinter den Freundschaftsgenerierern als Datenkrake porträtiert, die mittels ihrer Bots so viele Informationen wie möglich über die jugendlichen Nutzer sammelt, um diese dann kommerziell zu verwerten. Der fiese CEO an der Spitze des Unternehmens sieht aus wie eine Mischung aus Steve Jobs und Mark Zuckerberg, wobei Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sicher zufällig und nicht beabsichtigt sind…

Die Kritik an der Social-Media-Hörigkeit wird vielleicht nicht konsequent bis zum Ende betrieben, aber die Zeiten, als man Kinder einfach zum Spielen nach draußen schickte, sind nun einmal vorbei und die völlig Eliminierung aller elektronischen Hilfsmittel im täglichen Umgang miteinander wäre lebensfremd. Insofern ist der Film ein Plädoyer für einen kontrollierten Umgang mit elektronisch generierten Freundschaften, nicht mehr, aber auch nicht weniger: Etwas weniger blindes Vertrauen in bestimmte Arten von digitaler Überwachungstechnik und etwas mehr analoge Sorgfalt beim Auswählen von Freunden und man bekäme das Beste aus beiden Welten.

Die Figuren, allen voran die Hauptperson Barney, aber auch einige der Nebenfiguren, sind charmant animiert und der von Fehlermeldungen geplagte Ron ist ein Überraschungsei voller origineller Anspielungen und übersprudelnder Ideen, der einfach Spaß macht. Ein Film nicht nur für die ganz jungen Zuschauer, der auch Erwachsenen mit Sinn für animierte Geschichten im zeitgemäßen Kontext gefallen sollte.  

 


 

Regie: Sarah Smith, Jean-Philippe Vine, Octavio E. Rodriguez

Drehbuch: Peter Baynham, Sarah Smith

Kamera: David Peers, Hailey White

Schnitt: David Burrows, James Cooper, Sim Evan-Jones

Musik: Henry Jackman

 

Besetzung/ Sprecher (original):

Jack Dylan Grazer, Zack Galifianakis, Ed Helms, Olivia Colman, Rob Delaney

 

20th Century Studios/ Locksmith Animation/ Walt Disney Pictures

USA 2021

106 min.

FSK 0

Deutscher Kinostart: 28. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=A8Ll63EuGNs (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=fG0bY_UbtH8 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=8I8nMtzN05s (Englisch)

https://www.youtube.com/watch?v=fCqGfjBSk0I (Englisch)

 

Im Kino: Dear Evan Hansen

Der unter massiven Angststörungen leidende Evan Hansen (Ben Platt) bekommt von seinem Therapeuten die Aufgabe, einen Brief an sich selbst zu schreiben, in dem er sich selber Mut für sein letztes Schuljahr zuspricht. Ohne wirkliche Freunde und mit einer völlig überarbeiteten Mutter wird Evan beim Schreiben erst recht bewusst, was alles falsch läuft in seinem Leben und genauso formuliert er seinen Brief dann auch. Fatalerweise gerät dieser in die Hände eines anderen Problemschülers, Connor (Colton Ryan). Als dieser sich das Leben nimmt, findet man als dessen vermeintlichen Abschiedsbrief Evans an sich selbst adressierte Zeilen und schießt daraus, dass Evan und Connor befreundet waren. Evan ist zu verstört und möchte Connors Eltern nicht die Illusion rauben, dass ihr Sohn einen guten Freund hatte, außerdem ist Evan heimlich in Connors Schwester Zoe (Kaitlyn Dever) verliebt, der er nun auf diese Weise näher kommt. Das Lügengespinst, einmal begonnen, wird immer größer und Evan wird plötzlich zum Mittelpunkt an seiner Schule. Er entwickelt ein nie gekanntes Selbstbewusstsein, aber er weiß, dass alles in sich zusammenbrechen wird, wenn eines Tages die Wahrheit ans Licht kommen sollte...

Der Film basiert auf einem äußerst erfolgreichen Musical, das am Broadway mit vielen Preisen bedacht wurde und ist nun auch als Film-Musical mit den bekannten Bühnensongs und der Musik des Erfolgsduos Pasek & Paul inszeniert worden. Beide standen auch hinter dem Sound der Erfolge "La La Land" und " The Greatest Showman“ und haben offensichtlich ein Händchen für ins Ohr gehende Melodien und griffige Texte. Der Bühnen-Darsteller des Evan durfte auch die Filmrolle übernehmen und entgegen vielen kritischen Stimmen ist sein vermeintlich für einen Highschool-Schüler nicht mehr passendes Alter kein wirkliches Problem. Seine Darstellung ist anrührend und sein Gesang überzeugt ebenso, und er ist wahrhaftig nicht der erste, der in Wirklichkeit älter als die dargestellte Figur ist (Benjamin Braddock lässt grüßen...).

Das eigentliche Problem des Films dagegen ist ein anderes, und ein noch größeres verbirgt sich hinter dessen deutscher Fassung.

Es erstaunt, wie ein solch schwieriges Thema – psychische Probleme und Suizid – überhaupt den Stoff für die ansonsten so heile Broadway-Welt abgeben konnten, aber offensichtlich hat das Bühnenstück, gepaart mit den gefühlvollen und ansprechenden Songs, einen Nerv berührt. Kein Außenseiter sondern Teil einer Gemeinschaft zu sein, wenn sich die Zuschauer von diesem Motiv aufgrund einer starken Bühneninszenierung mitreißen ließen, so springt dieser Funke im Film nicht so ganz über, insbesondere stehen die Gesangseinlagen immer wieder wie ein Fremdkörper dem eigentlichen Drama im Weg. Die Figur des Connor wird ein paar Mal kurz in Rückblenden eingebunden, hier hätte für die filmische Umsetzung noch einiges mehr an Potenzial gesteckt, das leider verschenkt wurde, um daraus vielleicht sogar einen richtig guten Teenager-Film zu machen, so ist es leider nur die nicht ganz so gelungene Umsetzung eines Bühnen-Dramas.

Wenn dann allerdings in der synchronisierten Fassung die in die Handlung eingebundenen Songs auf deutsch eingesungen werden, entwickelt sich das Ganze zu einem Desaster, denn dann stimmt plötzlich nichts mehr. Die Kenner des Bühnenmusicals werden ihre Originalsongs vermissen und Fans des Hauptdarstellers Platt dürften ebenso wenig entzückt sein, ihn plötzlich mit einer fremden Stimme singen zu hören, warum nur erkennt niemand, dass man Gesang nicht einfach durch anderen Gesang ersetzen kann? Wenn man Ed Sheeran auf der Bühne erleben will, möchte man Ed Sheeran hören und nicht einen danebenstehenden Sänger, der seine Songs auf Deutsch vorträgt, auch wenn er dabei noch so schön singt. Wer die Texte nicht versteht: es gibt Untertitel oder die Möglichkeit, sich vor- oder nachher mit den Inhalten zu beschäftigen, aber bitte, verhunzt allen anderen nicht den Film!

 



Regie: Stephen Chbosky

Drehbuch: Steven Levenson, b/a dem Bühnen-Musical von Steven Levenson, Benj Pasek & Justin Paul

Kamera: Brandon Trost

Schnitt: Anne McCabe

Musik & Songtexte: Benj Pasek & Justin Paul

 

Besetzung:

Ben Platt, Amy Adams, Julianne Moore, Kaitlyn Dever, Amandla Stenberg, Nik Dodani, Danny Pino, Colton Ryan, DeMarius Copes

 

Universal Pictures

USA 2021

137 min.

FSK 6

Deutscher Kinostart: 28. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=R_DKb-TA4-g (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=dN7md7yl6mc (Englisch)

 

 

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Im Kino: The French Dispatch

Der Verleger der amerikanischen Zeitung „Liberty Kansas Evening Star“, Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray), leitete auch dessen französischen Ableger „The French Dispatch“ in dem (fiktiven) Städtchen Ennui-sur-Blasé (Was für ein hübsches Wortspiel!). Als er stirbt, erinnern sich seine Angestellten voller Wehmut an ihn und die große Zeit, für die er stand, und in vier ausgewählten Geschichten lassen sie diese noch einmal Revue passieren.

Wir begegnen dem im Gefängnis sitzende Maler Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) und Simone (Lea Seydoux), gleichzeitig Wärterin und Modell für seine außergewöhnlichen Werke, die bald auf dem Kunstmarkt für Furore sorgen. Die Reporterin Lucinda Krementz (Frances McDormand) berichtet über Studentenunruhen und begegnet dem rebellischen jungen Zeffirelli (Timothée Chalamet), bei dem sie ihre Informationen aus erster Hand recherchiert. Wir folgen dem Reporter Herbsaint Sazerac (Owen Wilson) auf seinem Fahrrad, der seine Berichte über unerhörte Begebenheiten in der Stadt aus dem Sattel heraus recherchiert, und erfahren von Roebuck Wright (Jeffrey Wright), welche Rolle der Polizeikoch Nescaffier (Steve Park) bei einer Entführung des Sohns des Kommissars (Mathieu Amalric) spielte…

Wer die Filme von Wes Anderson kennt und liebt, wird auch an diesem seine Freude haben und wer Sinn hat für skurrilen Witz, originelle bis abstruse Ideen und eine liebevoll-verrückte Inszenierung zu schätzen weiß, der kommt hier wieder einmal auf seine Kosten. Nebenbei ist dieser Episodenfilm eine Liebeserklärung an die gute alte Zeit(ung) und den Magazinjournalismus, wobei Ähnlichkeiten mit dem berühmten „New Yorker“ sicher beabsichtigt und nicht zufällig sind.

Filmisch wechseln Stilmittel, Farb- und Schwarzweißbilder, Trick- und Realsequenzen, kurz, ein bunter Bilderbogen – wie eben in einem bunten Magazin –  wird vor unseren staunenden Augen aufgeblättert. Die Episoden orientieren sich am Aufbau und den Rubriken eines solchen Magazins, vom Kunst- und Kulturteil, über die Politik und Vermischtes bis zur Kochseite, das Ganze übersprühend vor Ideen und gespickt mit einer Riege von Schauspielern, von denen einige bereits seit längerem Teil des Anderson-Universums sind, wie Bill Murray und Owen Wilson, daneben jeder Menge anderer, die auch einmal dabei sein wollten.

Abseits vom gewohnten Einerlei ist „The French Dispatch“ eine erfrischende Abwechslung, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, auch wenn Anderson selbst irgendwann Gefahr läuft, sich zu wiederholen und in seinen Manierismen zu verlieren. Aber noch kann man seinen Spaß haben an diesem nostalgisch anmutenden Episodenfilm. Erwartet das Ungewöhnliche! Und wer die meisten Schauspieler erkennt, gewinnt ein Essen bei Nescaffier…

 

 

Regie: Wes Anderson

Drehbuch: Wes Anderson, Jason Schwartzman, Roman Coppola, Hugo Guiness

Kamera: Robert D. Yeoman

Schnitt: Andrew Weisblum

Musik: Alexandre Desplat

 

Besetzung:

Bill Murray, Benicio Del Toro, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Adrien Brody, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Owen Wilson, Jeffrey Wright, Bob Balaban, Henry Winkler, Cristoph Waltz, Rupert Friend, Alex Lawther, Liev Schreiber, Willem Dafoe, Edward Norton, Saoirse Ronan, Elisabeth Moss, Griffin Dunne, Anjelica Huston

 

Searchlight Pictures

USA 2021

108 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 21. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=NCqxlUXblJ8 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=TcPk2p0Zaw4 (Englisch)

 

 

Im Kino: Cry Macho

Der alte Haudegen Mike Milo (Clint Eastwood), ehemaliger Cowboy und Rodeoreiter, erhält von seinem Ex-Boss Howard Polk (Dwight Yoakam) den Auftrag, dessen unehelichen Sohn Rafo (Eduardo Minett) aus Mexiko nach Texas zu bringen. Mike macht sich in seinem klapprigen Truck auf den Weg, spürt den von dessen Mutter Leta (Fernanda Urrejola) als renitent und wild beschriebenen Jungen auf und nimmt ihn und dessen Kampf-Hahn „Macho“ mit. Rafo entpuppt sich als eher zahm und zwischen ihm und Mike entwickelt sich auf der Fahrt eine Beziehung, die dem Jungen nach und nach zeigt, was es mit dem von ihm so verehrten Machotum wirklich auf sich hat und was nicht. Verfolgt werden sie dabei von Letas Handlangern, außerdem machen sie die Bekanntschaft der ihnen zugetanen Witwe Marta (Natalia Traven), immer begleitet von einem gut aufgelegten „Macho“…

Clint Eastwood legt mit nunmehr 91 Jahren ein weiteres Alterswerk unter seiner Regie vor, in dem er auch die Hauptrolle übernommen hat. Das Roadmovie plätschert ruhig und bedächtig dahin und Eastwood hat sich ein paar nette lakonische Sprüche ins Drehbuch schreiben lassen, daneben werden kontrapunktisch Altersweisheiten gegen jugendliche Sprüche gesetzt, nicht immer originell, aber geprägt von einer berührenden Menschlichkeit, alles wunderbar transportiert durch den zerfurchten, gleichermaßen zerbrechlich wie zäh wirkenden Eastwood .

Der Film an sich tut niemandem weh, ergeht sich allerdings ein bisschen zu sehr in trivialen Erkenntnissen und einem allzu vorhersehbaren Gang der Handlung, die im Jahr 1979 angesiedelt ist. Mikes Vergangenheit weist die üblichen Eckpunkte auf: ehrlicher, rechtschaffener ganzer Kerl mit Erfolg als Rodeoreiter verliert Frau und Familie auf tragische Weise, stürzt ab in Alkohol und Selbstmitleid und berappelt sich am Ende wieder, weil er ein ehrlicher, rechtschaffener ganzer Kerl ist. Hier hätte ein wenig Abweichen vom üblichen Klischee gut getan, ebenso wie etwas originellere Dialoge, die man vor allem dem jungen Eduardo Minett hätte gönnen können. Seine Rolle bleibt leider farblos und fad, hier wäre mehr drin gewesen, wobei diese Schwäche von Hahn „Macho“ genial ausgebügelt wird, der eine grandiose Vorstellung abliefert!

Für Freunde des gepflegten Roadmovies, die sich einmal mehr an Clint Eastwoods Alterslakonie erfreuen möchten, ein Film ohne große Höhen und Tiefen, dabei aber berührend und menschlich. Eastwood, der den Film bereits vor 40 Jahren machen wollte, hat sich dieses Projekt nun doch noch gegönnt, Hut ab davor, in diesem Alter noch einen Film zu stemmen, das ist aller Ehren wert!

 


 

Regie: Clint Eastwood

Drehbuch: Nick Schenk, N. Richard Nash, b/a Buch von N. Richard Nash

Kamera: Ben Davis

Schnitt: David S. Cox, Joel Cox

Musik: Mark Mancina

 

Besetzung:

Clint Eastwood, Eduardo Minett, Dwight Yoakam, Natalia Traven, Fernanda Urrejola

 

USA 2021

104 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 21. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=cjyEKSzWNWQ (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=JVc8SI5CAKw (Englisch)

 

Im Kino: Halloween Kills

Michael Myers – wir ahnten es schon lange – ist nicht totzukriegen. Auch nachdem er zuletzt in Laurie Strodes (Jamie Lee Curtis) Haus scheinbar bei lebendigem Leib geröstet wurde, ist er wieder zur Stelle, um seinen blutigen Weg durch das kleine Städtchen Haddonfield unbeirrt fortzusetzen, wo sich ihm diesmal eine entschlossene Bürgerwehr entgegen stellt. Wir es ihm diesmal endgültig an den Kragen gehen? 

Ohne zu spoilern: Nein, wird es nicht, denn Teil 3 der neuerlichen Trilogie ist bereits angekündigt…

Um einigermaßen den Überblick zu behalten: Begonnen hat die Geschichte im Jahr 1978 mit dem ersten Film der Reihe "Halloween - Nacht des Grauens" von Altmeister John Carpenter, mittlerweile ein Klassiker des Genres. Untermalt von einer simplen aber eindringlichen, von Carpenter selbst eingespielten Pianomelodie mit Kultcharakter, wird darin erzählt, dass ein kleiner Junge namens Michael Myers in der Halloweennacht des Jahres 1963 seine Schwester nach dem Treffen mit ihrem Freund in ihrem Zimmer mittels eines großen Messers niedermetzelt. Nach 15 Jahren in der Psychiatrie erscheint er überraschend in Haddonfield und tötet dort zwei Mädchen, die als Babysitter tätig sind, das dritte Mädchen, auf das er es abgesehen hat, Laurie Strode (die damals noch blutjunge Jamie Lee Curtis), kann ihm entkommen, sie ist dann im Folgenden der Grund, dass Michael immer wieder, wenn er es einrichten kann, ins Städtchen Haddonfield zurückkehrt

Danach gab es sieben (!) Fortsetzungen, einen Relaunch in zwei Teilen in den Jahren  2007 und 2009 und schließlich startete eine finale (?) Trilogie mit "Halloween" (2018), dem aktuellen "Halloween Kills" (2021) und dem angekündigten „Halloween Ends“ (2022). Jamie Lee Curtis war in den meisten Teilen nicht mehr dabei, kehrt aber nun, 40 und 43 Jahre später, in ihre alte Rolle zurück, wie auch einige andere der damaligen Schauspieler, eine schöne Reminiszenz an alte Zeiten... Die sieben Fortsetzungen und den Relaunch braucht man für das aktuelle Werk nicht zu kennen, hilfreich wäre der Ur-Film von 1978 und der von 2018, an dessen Ende die Handlung von „Halloween Kills“ nahtlos anknüpft.

Die Inszenierung des Horrors hat sich im Laufe der Jahre dem heutigen Kino und dessen Zuschauern insofern angepasst, als auf subtilen Spannungsaufbau fast gänzlich verzichtet wird, in wohlkakulierter Taktung kommt es zu brutalen und blutigen Slasher-Szenen, Grusel entsteht insofern weniger aus nervenaufreizenden Suspense- sondern eher aus Ekel- und Schockmomenten, dabei wird eines der nettesten Schwulenpärchen – auch dies kann man ohne etwas wirklich vorwegzunehmen spoilern – gemeuchelt und anschließend hübsch drapiert, hier und an einigen anderen Stellen entwickelt Michael einen bizarren Schöngeist, der nicht wirklich zu ihm passt.

Das Hauptthema, Michael als „das Böse“ an sich zu inszenieren, wird fortgeführt, es gibt keine Erklärung, wie er/ es heraufbeschworen wurde, außer dass der kleine Michael zu Anfang seine Schlampe von Schwester und ein paar ähnlich aufgelegte junge Mädchen "bestrafen" wollte, was dem ganzen einen explizit frauenfeindlichen Touch verleihen würde. Von diesem Schema, wenn es denn eins war, hat sich Michael allerdings längst verabschiedet, inzwischen tötet er einfach nur bis zum Unfallen, wahllos und ohne dass bisher eine oder seine Erlösung angeboten wird. Einen sozialkritischen Touch erhält der Film durch den Auftrieb eines wütenden Mobs und den Auswirkungen, wenn dieser nicht mehr zu stoppen ist, aber ein wirklich neuer Aspekt ist dies auch nicht, außer dass hier endlich einmal die Strafe auf dem Fuße folgt.

Alles in allem ein der Jahreszeit entsprechendes Kinoerlebnis für Hartgesottene und solche, die es werden wollen, alle anderen bleiben Halloween besser zu Hause!

 


  Regie: David Gordon Green

Drehbuch: John Carpenter & Debra Hill, Scott Teems, Danny McBride, David Gordon Green

Kamera: Michael Simmonds

Schnitt: Timothy Alverson

Musik: Cody Carpenter, John Carpenter, Daniel A. Davies

 

Besetzung:

Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak, James Jude Courtney/ Nick Castle/ Airon Armstrong, Will Patton, Thomas Mann, Jim Cummings, Anthony Michael Hall, Charles Cyphers,

 

 Universal Pictures Germany

USA 2021

105 min.

FSK 18

Deutscher Kinostart: 21. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=IfgyJaZGxPk (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=hL6R3HmQfPc (Englisch)

 

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Im Kino: The Last Duel

Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver) kämpfen im ausgehenden 14. Jahrhundert in so mancher Schlacht für König und Vaterland, dies macht sie – zumindest in Carrouges’ Augen – zu Freunden, die füreinander einstehen. Le Gris ist jedoch im weiteren Leben immer der Erfolgreichere, der mit Leichtigkeit vieles erreicht, was dem tumben Carrouges verwehrt bleibt, so erfreut er sich zum Beispiel der nicht zu unterschätzenden Gunst des Grafen Pierre d'Alençon (Ben Affleck). Zwar wird Carrouges im Gegensatz zu Le Gris schließlich zum Ritter geschlagen und darf die wunderschöne Lady Marguerite (Jodie Comer) ehelichen, aber als eben jene Marguerite eines Tages behauptet, Le Gris habe sie vergewaltigt, werden aus den beiden Männern  erbitterte Feinde, die schließlich in einem martialischen Duell auf Leben und Tod um die Wahrheit ringen…

In mittelalterlichen Zeiten war es üblich, in einem gerichtlichen Streit, bei dem Aussage gegen Aussage stand, die Wahrheit durch ein „Gottesurteil“ feststellen zu lassen, d.h. die Kontrahenten in einem Duell auf Leben und Tod gegeneinander antreten zu lassen, an dessen Ende der Überlebende das Recht auf seiner Seite hatte. Dem Film zugrunde liegt eines der letzten Duelle, die auf diese Weise ausgefochten wurden, insofern ein historischer Fall, der so oder so ähnlich tatsächlich stattgefunden hat.

Altmeister Ridley Scott hat daraus ein wuchtiges Drama geschaffen, das er, wie es Akira Kurosawa in seinem berühmten Werk „Rashomon“ vorexerziert hat, aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten erzählen lässt. Auch wenn man auf diese Weise denselben Film scheinbar drei Mal sieht, unterscheiden sich die Versionen in vielen Details, auf die es auch ankommt, und es bleibt spannend, all die kleinen Abweichungen zu erkennen, wenn man am Ende die Wahrheit erfahren will. Nun mag man Scott hierbei vorwerfen, dass er selbst sich bereits auf eine Wahrheit festgelegt hat, der Zuschauer also nur vermeintlich die Wahl hat, aber da eine vierte, womöglich neutrale Perspektive fehlt, bleibt es eine höchst subjektive Darstellung der Beteiligten.

Neben all den Ritterspielen und Kampfszenen zu Anfang dauert es eine Weile, bis sich das eigentliche Thema des Films herausschält, es geht nämlich um nichts anderes als eine mittelalterliche #MeToo-Geschichte: eine Frau beschuldigt einen Mann der Vergewaltigung, dieser streitet die Gewalt ab und beruft sich auf Einvernehmlichkeit – sie wollte es doch auch. Damit betritt Scott natürlich vermintes Gelände und kann eigentlich nur verlieren, denn recht machen wird er es inmitten der aufgeheizten Diskussionen, die um dieses Thema in den letzten Jahren geführt werden, wahrscheinlich keiner Seite.

Dass der Film dennoch großartig funktioniert, liegt an den überzeugenden Darstellern – allen voran Jodie Comer, aber auch Ben Affleck in einer launigen Nebenrolle – und der kraftvollen, kompromisslosen Inszenierung. Er ist ein Sittengemälde seiner Zeit und der ihr innewohnenden Gewalt, sowohl der physischen in den klirrenden, dampfenden Kampfszenen, als auch der psychischen, der Frauen unterworfen waren, aber, wie die Ausnutzung von Macht- und Einflussstrukturen durch Männer wie den Filmmogul Harvey Weinstein gezeigt hat, auch heute noch unterworfen sind. Früher allerdings gehörten Frauen einfach zum Eigentum ihres Mannes und waren als solches zu verteidigen, und so wird Marguerites Stellung plakativ und gleichnishaft in einer Szene vorgeführt, in der eine wertvolle Stute Carrouges von einem unerwünschten, schwarzen und wilden Hengst besprungen wird, eine Schande, die Carrouges nicht einfach hinnehmen kann.

Marguerite aber, die nun darauf besteht, nicht die Ehre ihres Mannes sondern ihre eigene zu verteidigen und dabei ihr Leben in die Waagschale wirft, sorgt damit für einen unerhörten Vorgang. Sie muss sich von allen Seiten denselben hochnotpeinlichen Fragen unterwerfen, wie sie auch heute noch gestellt werden: Hat sie ihren Vergewaltiger nicht eigentlich ermutigt, musste er deswegen nicht glauben, sie wollte es in Wirklichkeit? Hat sie sich genug gewehrt? Hat sie sich überhaupt gewehrt? Als Marguerite auch noch schwanger wird, spricht dies, sollte das Kind von Le Gris sein, gegen eine Vergewaltigung, denn eine Frau kann nur schwanger werden, wenn sie Spaß am Geschlechtsverkehr hatte – so legen sich die Männer die Welt zurecht, wie sie ihnen gefällt und genau dies führt der Film eindrucksvoll vor Augen: Es geht nicht um die Wahrheit, solange Männer bestimmen, wo es lang geht – „The truth does not matter – there is only the power of men“.

Visuell erinnert der Film oft an alte Gemälde von Schlachtenszenen und düsteren Interieurs vergangener Epochen, klanglich untermalt von einem passend opulenten Soundtrack. Ein Vergleich mit aktuellen Ereignissen ist sicher beabsichtigt und auch legitim, aber nicht notwendig, denn der Film hat die Kraft, für sich alleine zu stehen. Er braucht für die Beurteilung seiner Qualität keine Einordnung in die heutigen Verhältnisse – diese Diskussion wird bereits an anderen Stellen geführt – sondern ist eindrucksvoll und bewegend und, trotz seiner Länge und Sperrigkeit an manchen Stellen, unbedingt sehenswert.

Zum Schluss sei allerdings die Frage erlaubt, ob dieser Film eine Art Wiedergutmachung und Unterstützung der Sache der Frauen bedeuten soll, denn die Beteiligten Damon und Affleck verdanken ihre Karriere maßgeblich dem bereits benannten Harvey Weinstein, der ihr erstes gemeinsames Projekt „Good Will Hunting“ auf den Weg brachte, und beide waren mit ihm auch später noch eng verbunden. Weder Damon noch Affleck konnten im Folgenden glaubhaft bestreiten, seinen Charakter nicht gekannt und von seinen miesen Methoden nichts gewusst zu haben, aber trotz ihres späteren Einflusses in Hollywood haben beide so lange geschwiegen, bis ein paar mutige Frauen endlich bereit waren, Weinsteins Treiben ein Ende zu bereiten. Warum habt ihr solange weggesehen und geschwiegen, Matt Damon und Ben Affleck? Nur eine Frage, nicht mehr…

 


 Regie: Ridley Scott

Drehbuch: Nicole Holofcener, Ben Affleck, Matt Damon, b/a Bücher von Eric Jager

Kamera: Dariusz Wolski

Schnitt: Claire Simpson

Musik: Harry Gregson-Williams

 

Besetzung:

Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck, Harriet Walter, Alex Lawther, Adam Nagaitis

 

Walt Disney Studios/ 20th Century Studios

USA 2021

FSK 16

152 min

  

Deutscher Kinostart: 14. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=mgygUwPJvYk (Englisch)

https://www.youtube.com/watch?v=kswm63I3WhM (Deutsch)

 

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Im Kino: Hinterland

Nach Ende des ersten Weltkriegs, damals noch der Große Krieg genannt, und Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft, kehrt der ehemalige Kriminalinspektor Peter Perg (Murathan Muslu) in das Wien der 1920ger Jahre zurück, wo nichts mehr ist, wie es einst war. Frau und Tochter leben ohne ihn auf dem Land, seine Heimatstadt ist geprägt vom Nachkriegselend und dann meuchelt auch noch ein Serienmörder Kriegsveteranen, ehemalige Kameraden von Perg, auf äußerst grausame Weise dahin. Gegen den anfänglichen Widerstand seines jungen Kollegen Paul Severin (Max von der Groeben) beginnt Perg zu ermitteln und kommt dabei dem Killer immer näher – zu nah?

Die ungewöhnliche visuelle Gestaltung der Films wirkt auf den ersten Blick befremdlich, wird aber schnell zum zweiten Star neben dem kraftvoll agierenden Murathan Muslu. Die Gebäude der Stadt, die Ausstattung der Innenräumen, alles ist so krumm und schief wie sich die Welt für den Heimkehrer Perg anfühlt, die Außenwelt wird zum Spiegelbild seines Innenlebens. Dabei entstehen Bilder voller expressionistischer Schönheit, ganz im Stil des Stummfilmkinos der 1920ger Jahre, die eine einzigartige Atmosphäre schaffen und aus einem eher konventionellen Krimi-Plot, der gar nicht so raffiniert gesponnen ist, wie es zunächst scheint, ein kleines Meisterwerk machen. Die bizarren Morde sorgen für schaurige Momente, werden jedoch nie voyeuristisch ausgeschlachtet, der historische Kontext ist reizvoll und die Düsternis der Welt nach einer Katastrophe, wie sie der Große Krieg für die Menschen darstellte, wird durchgehend spürbar. Die Charaktere sind gut besetzt, auch wenn Liv Lisa Fries in ihrer Charlotte-Ritter-Figur gefangen zu bleiben scheint, dafür darf Matthias Schweighöfer einmal mehr zeigen, dass er nicht nur den dummen August kann.

Alles in allem ein besonderer Krimi in bizarrer Kulisse, für experimentierfreudige Krimiliebhaber und alle, die einen Sinn für das Ungewöhnliche haben.

 


 

Regie: Stefan Ruzowitzky

Drehbuch: Robert Buchschwenter, Hanno Pinter, Stefan Ruzowitzky

Kamera: Benedict Neuenfels

Schnitt: Oliver Neumann

Musik: Kyan Bayani

 

Besetzung:

Murathan Muslu, Max von der Groeben, Liv Lisa Fries, Marc Limpach, Timo Wagner, Stipe Erceg, Trystan Pütter, Matthias Schweighöfer, Margarete Tiesel

 

SquareOne Entertainment

D 2021

FSK 16

98 min.

 

Deutscher Kinostart: 07. Oktober 2021

 Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=jnAS2eVaR7g

 

Im Kino: Titane

Das Mädchen Alexia hat einen Autounfall und bekommt danach die titelgebende Platte in ihren Kopf eingesetzt. Zur jungen Frau herangewachsen, führt sie ein Leben voller Extreme, tanzt erotisch in einer Autoshow und wird lästige Verehrer und Verehrerinnen los, indem sie sie tötet. Als Serienkillerin gesucht, nimmt sie den Platz eines als Kind verschwundenen Jungen ein, indem sie den Vater (Vincent Lindon) überzeugt, dass sein Sohn nunmehr als Erwachsener zu ihm zurückgekehrt ist. Wird er merken, dass sein vermeintlicher Sohn eine Frau ist, die darüber hinaus auch noch selbst ein Kind erwartet?

Wahnsinn oder Liebesgeschichte, wer liebt wen, und warum? Nach „Raw“ hat Julia Ducournau ihren zweiten Film vorgelegt, der beim diesjährigen Festival in Cannes 2021 mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. „Titane“ ist radikal brutal und zärtlich zugleich, verstört durch kompromisslose Härte und versöhnt durch eine ebenso kompromisslose Suche nach Wärme und Geborgenheit. Dabei verweigert sich der Film jeglicher Einordnung in herkömmliche Schemata, reißt durch seine schonungslose und manchmal über die Schmerzgrenze hinausgehende Erzählweise mit und die Trennungslinien zwischen den Geschlechtern auf. 

Im Gesicht der Schmerzensfrau Alexia, von Agathe Rousselle gnadenlos gut dargestellt, spiegelt sich alles und nichts zugleich. Ihre Nacktheit hat, im Gegensatz zu ihrem Job, nichts Erotisches, hier wird ein Mensch – nicht ganz Frau, nicht ganz Mann, nicht ganz Maschine – in seiner Verletzlichkeit gezeigt, von allen Hüllen befreit, wie ein Neugeborenes, das den Weg in sein Leben erst noch finden muss. Spektakuläre Szenen erhöhen die Schauwerte – Sex im Auto ist wahrscheinlich manchem bekannt, aber Sex mit einem Auto? – dieses absolut ungewöhnlichen Films, der die Zuschauer auf einen rasanten Trip mitnimmt, um sie  hinterher etwas verstört wieder auszuspucken.

Kein Film für den Mainstream, aber in jedem Fall ein hochinteressantes Erlebnis, für alle, die bereit sind, sich darauf einzulassen!

 


 Regie: Julia Ducournau

Drehbuch: Julia Ducournau, Jacques Akchoti, Jean-Christophe Bouzy, Simonetta Greggio

Kamera: Ruben Impens

Schnitt: Jean-Christophe Bouzy

Musik: Séverin Favriau, Jim Williams

 Besetzung:

Agathe Rousselle, Vincent Lindon, Garance Marillier, Dominique Frot

 

 Koch Films

Frk. 2021

FSK 12

108 min.

 

Deutscher Kinostart: 07. Oktober 2021

 Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=htqcfPJd-oU

 

Im Kino: Töchter

Martha (Alexandra Maria Lara) und Betty (Birgit Minichmayr) sind langjährige Freundinnen und haben jeweils ein Vaterproblem. Während Marthas Vater Kurt (Josef Bierbichler) zum Sterben in die Schweiz gefahren werden möchte, trauert Betty ihrem verschollenen italienischen Stiefvater Ernesto nach. Da Martha sich die Fahrt in die Schweiz nicht ohne Hilfe zutraut, machen sie sich zu dritt in Kurts altem Wagen auf den Weg, aber schon bald kommt es zu einer überraschenden Planänderung: Papa hat gar nicht vor zu sterben, sondern möchte in Wirklichkeit seine verflossene große Liebe am Lago Maggiore wiedersehen, und als auch die beiden Frauen immer neue Ideen entwickeln, was oder wen sie gerne aufsuchen möchten, beginnt ein Roadtrip, der die drei quer durch die Schweiz, Italien und Griechenland führt…

Der Film lässt seine Protagonisten auf einen Selbstfindungstrip durch halb Europa mäandern, wobei die Reiseroute sich einigermaßen verwirrend entwickelt. Wie man, gerade noch in Italien, plötzlich auf einer griechischen Insel landet, sei’s drum, entscheidend sind natürlich die inneren Reisen der drei durch ihre Gefühlswelten, die jeweils von Dingen aus der Vergangenheit bestimmt werden, und dies entwickelt sich, wie es im Leben so ist, teilweise chaotisch. Das Ganze ist durchaus unterhaltsam inszeniert, die eigentlich Tiefe, die den Themen Liebe, Tod und Vergänglichkeit innewohnen, wird aber trotz des gefühligen Endes leider nicht erreicht. Trotz allem eine heiter-besinnliche, tragikomische Odyssee durch Zeit und Raum mit drei bestens aufgelegten Darstellern, von denen vor allem das grantelnde Urviech Josef Bierbichler glänzen kann.

 


Regie: Nana Neul

Drehbuch: Lucy Tanja Fricke, Nana Neul

Kamera: Bernhard Keller

Schnitt: Stefan Stabenow

 

Besetzung:

Alexandra Maria Lara, Birgit Minichmayr, Josef Bierbichler, Andreas Konstaninou, Giorgo Colangeli, Gundi Ellert, Hans-Jochen Wagner,

 

Warner Bros Pictures Germany

D 2021

FSK 12

122 min.

 

Deutscher Kinostart: 07. Oktober 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=MS8fG4vDlnA