Blog-Archiv

Mittwoch, 24. April 2019

Film-Rezensionen: Avengers: Endgame


Captain America stirbt! Oder doch vielleicht eher Tony Stark? Black Widow? Hawkeye? Stirbt überhaupt jemand, und gelingt es, die Auslöschung des halben Universums nach dem tödlichen Fingerschnips des mächtigen Thanos am Ende von Infinity War wieder rückgängig zu machen? Keine Angst, hier wird nichts verraten, wer es wissen will, muss sich schon die volle Dröhnung der 181 Minuten geben, aber so viel sei verraten: es lohnt sich, denn dieser Film ist – episch!!

Zunächst sieht es nach einer einfachen Sache aus, ziemlich schnell haben die verbliebenen Rächer Thanos ausfindig gemacht und machen kurzen Prozess mit ihm, damit hätte der Film zu Ende sein können. Aber so einfach ist es natürlich nicht, und was dann folgt, zeigt noch einmal alles, was diese Reihe so beliebt gemacht hat: jede Menge Spannung, Humor, Action, und alle Facetten des Avengers-Universums werden noch einmal beleuchtet. Einige Heldengeschichten kommen zu einem (würdigen) Ende, dramatische Szenen wechseln sich mit sentimentalen ab, letztere werden am Ende bis zum Äußersten ausgereizt, aber auch das verzeiht man gerne, weil es einfach hervorragend inszeniert und von dem größten Starreigen aller Zeiten mit absolutem Ernst vorgetragen wird. Ein furioser Abschluss einer Ära, bei dem kein Auge trocken bleibt, mal lachend, mal weinend. Versprochen!

Dies richtet sich natürlich nur an die an diesem Genre interessierten Zuschauer, alle anderen werden ohnehin fern bleiben. Unabdingbar ist darüber hinaus eine möglichst genaue Kenntnis der Vorgeschichte der Avengers, sonst dürfte es kaum möglich sein, an diesem Punkt in die Story hineinzufinden. 



Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely, b/a den Comicvorlagen von Stan Lee, Jack Kirby, Jim Starlin
Kamera: Trent Opaloch
Schnitt: Jeffrey Ford, Matthew Schmidt
Musik: Alan Silvestri

Darsteller:

Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Chris Hemsworth, Chris Evans, Josh Brolin, Jeremy Renner, Brie Larson, Mark Ruffalo, Tom Holland, Paul Rudd, Evangeline Lilly, Hayley Atwell, Gwyneth Paltrow, Chadwick Boseman, Anthony Mackie, Don Cheadle,

in weiteren Rollen:
Natalie Portman, Tom Hiddleston, Sebastian Stan, John Slattery, Samuel L. Jackson, Cobie Smulders, Michelle Pfeiffer, Tilda Swinton, Robert Redford, Michael Douglas, William Hurt, Stan Lee und der Stimme von Bradley Cooper (Rocket)

und viele andere...

Marvel Studios/
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
181 min.
Deutscher Kinostart: 24. April 2019


Film-Rezensionen: Ein Letzter Job (King of Thieves)


Eine Rentnergang geht noch einmal auf Raubzug und zeichnet verantwortlich für den größten Coup der britischen Geschichte: den Hatton-Garden-Raub von 2015, bei dem den Tätern Juwelen, Bargeld und Gold im Wert von 200 Millionen Pfund in die Hände fallen. Brian Reader (Michael Caine) rekrutiert seine alten Freunde, allesamt gestandene Gauner mit jahrzehntelanger Erfahrung im Gewerbe, um noch einmal so richtig altmodisch eine Bank auszurauben. Sie sind erfolgreich, aber wie lange werden sie sich auch ihrer Beute erfreuen können und welche Rolle spielt dabei der junge Basil, den sie zur Unterstützung dabei haben?

Nach „The Mule“ mit Clint Eastwood und „Ein Gauner & Gentleman“ mit Robert Redford ist dies in kurzer Zeit der dritte Film, der in die Jahre gekommene alte Männer auf ihren kriminellen Streifzügen begleitet und alle drei Filme berufen sich darauf, dass diese Geschichten tatsächlich passiert sind. Dieses Mal ist es die britische Legende Michael Caine, der sich die Ehre gibt, umringt von einer Riege weiterer honoriger britischer Darsteller. Trotz dieser Voraussetzungen zündet der Film, der als schwarz-humorige Kriminalkomödie beworben wird, leider nicht so richtig. Die kauzig-knarzigen alten Herren entwickeln sich mehr und mehr zu einer zickigen, von Alterswehwehchen geplagten Truppe, in der man sich gegenseitig nicht traut, die Witze hierüber laufen sich jedoch schnell tot. So richtig sympathisch sind sie alle nicht, weswegen der Zuschauer auch mit keinem von ihnen wirklich mitfiebert, sondern relativ gelassen dabei zusieht, ob sie am Ende mit ihrer Beute davonkommen. Dabei bildet die unterschiedliche Arbeitsweise der alten Profis auf der einen und die unaufgeregte aber effizienten Recherche der Polizei auf der anderen Seite, hier der minutiös und altmodisch durchgeplante Raubzug des Rentnerteams, dort die moderne Polizei, die sich mit Computern und Überwachungskameras ohne viele Worte an die Aufklärung macht, zwar einen netten Kontrast, insgesamt ist dies aber leider ein bisschen zu wenig, um wirklichen Spaß aufkommen zu lassen. So plätschert der Film ein wenig lau dahin und daran kann auch die hochkarätige Besetzung mit dem Zugpferd Michael Caine nichts ändern.


Regie: James Marsh
Drehbuch: Joe Penhall, b/a auf Artikeln von
Mark Seal und Duncan Campbell
Kamera: Danny Cohen
Schnitt: Jinx Godfrey, Nick Moore
Musik: Benjamin Wallfisch

Darsteller:
Michael Caine, Jim Broadbent, Tom Courtenay, Michael Gambon, Ray Winstone, Charlie Cox

Studiocanal
108 min.
Deutscher Kinostart: 25. April 2019


Donnerstag, 18. April 2019

Film-Rezensionen: Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit (At Eternity's Gate)


Dass zwischen Genie und Wahnsinn nur ein schmaler Grat entlang führt, scheint auf kaum jemanden so zuzutreffen, wie auf den Maler Vincent van Gogh. Der Film widmet sich in beeindruckenden Bildern Van Goghs Aufenthalt in den südfranzösischen Orten Arles und Auvers-sur-Oise und hat ihm mit seinem grandiosen Darsteller Willem Dafoe ein weiteres be- und anrührendes Denkmal errichtet.

Van Goghs Blick  auf die Welt und dessen bildliche Umsetzung widerspricht zu seinen
Lebzeiten völlig dem Empfinden seiner Zeitgenossen. Sie können nicht mit ihm, er aber auch nicht mit ihnen, sein soziales Verhalten macht es ihm oft schwer, zu kommunizieren, er riecht, ist ungeschickt im Umgang mit anderen und driftet so immer weiter in eine unheilvolle Isolation. Zugang hat zunächst noch sein Freund aus alten Tagen, Paul Gauguin (Oscar Isaac), der ihn jedoch irgendwann in Südfrankreich alleine lässt, ab da bleibt ihm nur sein Bruder Theo (Rupert Friend), der ihn finanziell unterstützt und ihm in seinen schlimmsten Momenten beisteht.

Der Film schildert diese Lebensphase, die mit dem bekannten Abtrennen seines linken Ohres ihren verstörenden Höhepunkt findet, basierend auf  Briefen des Malers, aus denen immer wieder Passagen aus dem Off vorgetragen werden. Es öffnet sich so ein Blick auf seine innere Zerrissenheit, während die Kamera ihm auf seinen Streifzügen durch die flirrende Landschaft der Provence folgt, immer auf der Suche nach Motiven, an denen es nicht mangelt. Fast rauschhaft bewegt er sich mit Staffelei und Farben durch die Felder und Wiesen, immer bereit, seine Eindrücke an Ort und Stelle festzuhalten. Ein so entstandenes Skizzenbuch ruhte nach seiner Abreise angeblich lange Zeit vergessen in seiner ehemaligen Unterkunft und wurde erst im Jahr 2013 wiederentdeckt.

Der Regisseur Julian Schnabel, der auch für den Schnitt seines Films verantwortlich
zeichnet, hat für sein Porträt des Malers Van Gogh teils ungewöhnliche, teils irritierende Bilder verwendet, wackelig, unscharf und mit schiefen Blickwinkeln, ein zumindest zu Anfang gewöhnungsbedürftiges Mittel, um sich seinem Protagonisten zu nähern, herausgekommen ist ein kunstvoller Film voller sinnlicher Eindrücke dieser bereits vielfach verfilmten und erzählten Geschichte eines ungewöhnlichen Künstlers.


Vielleicht werden immer wieder Menschen zu früh geboren, vor der Zeit, in die sie besser hineingepasst hätten. Vielleicht braucht es diese Menschen, um die Welt immer wieder mit ihrer Gewöhnlichkeit zu konfrontieren und sie mit Hilfe des Künstlerauges und den neuen Blickwinkeln eines Genies aus der Konformität des Banalen zu holen und zu erleuchten.
 



Regie: Julian Schnabel
Drehbuch: Jean-Claude Carrière, Julian Schnabel, Louise Kugelberg
Kamera: Benoit Delhomme
Schnitt: Louise Kugelberg, Julian Schnabel
Musik: Tatiana Lisovskaya

Darsteller:
Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaac, Mads Mikkelsen, Emanuelle Seigner, Mathieu Amalric, Niels Arestrup, Anne Consigny, Amira Casar

CBS Films
111 min.
Deutscher Kinostart: 18. April 2019



Film-Rezensionen: Der Fall Collini


Als der bekannte Unternehmer Jean-Baptiste Meyer (Manfred Zapatka), ein von allen geachteter alter Mann, eines schönen Tages im Jahr 2001 scheinbar ohne jedes Motiv von einem anderen alten Mann namens Collini (Franco Nero) brutal ermordet wird, stehen sowohl Meyers Familie als auch die Staatsanwaltschaft vor einem Rätsel, denn Collini schweigt beharrlich zu seinen Motiven. 

Junganwalt Caspar Leinen (Elyas M`Barek), frisch zugelassen und gänzlich unerfahren,
erhält sein erstes Pflichtmandat und macht sich voller Elan an die Arbeit. Ein Schock für ihn, der ohne Eltern aufwuchs: der Tote war sein Ziehvater, der ihn über lange Jahre unterstützt und gefördert und ihm auch sein Jurastudium ermöglicht hat, und so ist es für den Rest der Familie eigentlich selbstverständlich, dass er sein Mandat sofort wieder niederlegt. Hier bezieht der Film, der auf einer Romanvorlage des Juristen Ferdinand von Schirach beruht, das erste Mal Stellung, indem er betont, dass es bei juristischen Auseinandersetzungen stets und ausschließlich um die Sache und niemals um persönliche Befindlichkeiten zu gehen hat. Als Anwalt ist es Caspar Leinens Aufgabe, jeden Mandanten so gut er kann zu vertreten und seine persönlichen Gefühle dabei auszublenden. Collini macht es ihm allerdings durch sein Schweigen fast unmöglich, eine Verteidigungsstrategie zu finden und um dessen scheinbar unerklärliche Tat zu verstehen, beginnt er zu recherchieren. Was er bei seinen Nachforschungen entdeckt, führt ihn weit zurück in die Vergangenheit, als gegen Ende des zweiten Weltkriegs Täter und Opfer in einem kleinen italienischen Dorf schon einmal aufeinandergetroffen sind…

Wie immer bei von Schirach geht es in dessen Roman um die Frage nach menschlicher Schuld und den oft schwierigen Umgang der Justiz damit. Der Film, der einige der Handlungsstränge der Vorlage unnötigerweise verändert hat, konzentriert sich in weiten Teilen auf die Darstellung des Strafprozesses, angesichts der – im Vergleich zu den sattsam bekannten amerikanischen Vorbildern – wenig unterhaltsamen deutschen Gerichtswirklichkeit kein ganz leichtes Unterfangen. Das Ergebnis ist stellenweise dennoch durchaus spannend, trotz der etwas holzschnittartig gezeichneten Figuren und der eher konventionell choreographierten Gerichts- und Rechercheszenen.

Eine tragende Rolle spielt ein weiteres Anliegen von Schirachs, nämlich ein in seinen Augen wenig bekanntes, aber skandalöses Gesetz der deutschen Nachkriegsgeschichte anzuprangern, worauf auch der Film sein Augenmerk richtet, und es gelingt, die für den Laien oft eher trockenen juristischen Gedankengänge verständlich zu machen. Da Collini als Täter von Anfang an feststeht, geht es jedoch in erster Linie darum, wie ein Gericht seine Handlung einzuordnen hat, um zu einer angemessenen Strafe zu gelangen, und der Film bietet hierzu zunächst durchaus interessanten Diskussionsstoff. Aber sowohl Film als auch Vorlage enttäuschen am Ende, weil sie sich durch einen scheinbar cleveren Schlusspunkt aus der Affäre ziehen und sich damit vor der Beantwortung dieser interessantesten und von Anfang an im Mittelpunkt stehenden Frage drücken. Schade.


Regie: Marco Kreuzpaintner
Drehbuch: Robert Gold, Jens-Frederick Otto, Christian Zübert, b/a Roman von Ferdinand von Schirach
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Schnitt: Johannes Hubrich
Musik: Pia Hoffamn

Darsteller:
Franco Nero, Elyas M`Barek, Manfred Zapatka, Alexandra Maria Lara, Rainer Bock, Jannis Niewöhner, Heiner Lauterbach, Hannes Wegener, Stefano Cassetti

Constantin Film
118 min.
Deutscher Kinostart: 18. April 2019


 Copyright Fotos und Video: Constantin Film

Donnerstag, 11. April 2019

Film-Rezensionen: Hellboy - Call of Darkness


Big Red is back – Der Halbdämon Hellboy kehrt in einem Reboot in die Kinos zurück! Für alle, die ihn noch nicht kennen: Hellboy wird einst während des Zweiten Weltkriegs mittels eines schaurigen Rituals aus der Hölle heraufbeschworen, um das Ende der Welt zu beschleunigen und ein neues Zeitalter einzuläuten. Glücklicherweise wächst er bei den Guten auf, sein Ziehvater ist Professor Broom, der aus seinem „Sohn“ einen Spezial-Agenten im Einsatz der B.U.A.P. (Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen) macht. Soweit deckt sich die Geschichte mit der Verfilmung „Hellboy“ von 2004 und deren Fortsetzung „Hellboy – The Golden Army“ von 2008.

In der aktuellen Version gibt nicht mehr Ron Pearlman sondern David Harbour das Höllenwesen, die Rolle seines Ziehvaters hat Ian McShane übernommen, und Hellboy hat es mit fürchterlichen Gegner zu tun, allen voran der mächtigen Hexe Nimue (Milla Jovovich) und deren eilfertigem Diener Gruagach, einem schweinemäßig fiesen Monster. Nimue wurde vor langer Zeit von König Arturs Mannen besiegt, zerstückelt und in diversen Kisten über ganz England verteilt, um sie für immer zu verbannen. Nun aber steht sie, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen vor ihrer Wiederauferstehung und Hellboy hat alle Hände voll zu tun, ihren Zug der Verwüstung, den sie umgehend in Gang setzt, aufzuhalten. Dabei wird er von zwei Mitstreitern unterstütz, Alice (Sasha Lane) und Ben (Daniel Dae Kim), und bei ihrem gemeinsamen Kampf gegen alle Dämonen der Hölle muss sich letztlich auch Hellboy fragen, auf welcher Seite er wirklich steht.

Offensichtlich ermutigt von einer Reihe erfolgreicher Comicverfilmungen mit einer höheren Altersfreigabe als 12, haben die Macher dieses Films einen entfesselten Reigen von Blut- und Schlachtszenen auf die Leinwand gebracht. Dabei haben sie leider aus der zuvor von Ron Pearlman so liebevoll gestalteten Figur des wütenden, grantelnden, aber tief in seinem Inneren liebenswerten Hellboy einen uncharmanten, unkomischen Monsterjäger gemacht, der es inmitten all der fiesen Gestalten, mit denen er es zu tun bekommt, schwer hat, sich die Sympathien der Zuschauer zu erhalten. Aber das wäre das einzig Ansprechenden, was der Film noch zu bieten gehabt hätte, denn alles übrige wird von einer Blut- und Schleimspur übergossen, für die die Altersfreigabe von 16 an manchen Stellen noch zu niedrig erscheint.

Für wen dieses Reboot letztlich gemacht wurde, erschließt sich nicht, ob die Freunde der Comicreihe ihren Helden so mögen, ist fraglich, die Freunde der ersten Hellboyfilme werden jedenfalls enttäuscht sein, und die Zuschauer, die weder die Comicvorlage noch die anderen beiden Filme kennen, werden sich, abgestoßen von vielen widerlichen Szenen, verstört abwenden.




Regie: Neil Marshall
Drehbuch: Andrew Cosby & Mike Mignola,
b/a der Comic-Reihe (Dark Horse)
Kamera: Lorenzo Senatore
Schnitt: Martin Bernfeld
Musik: Benjamin Wallfisch

Darsteller:
David Harbour, Milla Jovovich, Ian McShane, Daniel Dae Kim, Sasha Lane, Brian Gleeson

Universum Film
FSK 16
120 min.
Deutscher Kinostart: 11. April 2019

Donnerstag, 4. April 2019

Film-Rezensionen: Unheimlich perfekte Freunde


Die Freunde Frido (Luis Vorbach) und Emil (Jona Gaensslen) haben es nicht immer leicht in der Schule. Fridos Noten sind nicht die besten und der von seiner Mutter sehr behütete Emil gilt bei seinen Mitschülern als ziemlich uncool. Als Frido eines Tages auf einem Jahrmarkt eine Begegnung der besonderen Art mit seinem Ebenbild in einem unheimlichen Spiegel hat, scheint sich alles zu wenden, denn dieses Spiegelbild nimmt seinen Platz ein und ist dabei in allem so perfekt, wie es Frido nie sein wird. Auch Emil generiert daraufhin einen Doppelgänger, der so cool ist, wie er immer sein wollte.

Doch was zunächst wie die Lösung aller Probleme klingt, entwickelt sich schnell zu einem Albtraum, denn er und Frido müssen dabei zusehen, wie sie langsam aber sicher aus ihrem Leben verdrängt werden. Dass sie in der Schule von ihrem perfekten Ich vertreten werden, lässt sich noch hinnehmen, aber aus ihrer Familie herausgedrängt zu werden, gefällt ihnen überhaupt nicht.

Richtig schlimm wird es, als nach und nach alle Mitschüler durch ihre Doppelgänger ersetzt werden und die Klassenlehrerin, Frau Klawitter (Margarita Broich), sich einer Armee von kleinen neunmalklugen Nervensägen gegenüber sieht, denen sie eigentlich nichts mehr beibringen kann. Aber wie soll man die immer selbstbewusster auftretenden Klone wieder loswerden? Frido glaubt schließlich entdeckt zu haben, dass diese in all ihrer Perfektion doch ein Defizit haben, und hier gilt es, mit vereinten Kräften und der Hilfe von Frau Klawitter anzusetzen, will man dem Spuk doch noch ein Ende bereiten.

Die Botschaft des Films ist schlicht und nicht neu, bleibt aber dennoch eine wertvolle: Jeder ist gut, so wie er ist. Auch wenn dies nicht ausschließt, an seinen persönlichen Schwächen zumindest zu arbeiten, sollte niemand weniger geliebt und akzeptiert werden, wenn es nicht immer perfekt gelingt. Marcus H. Rosenmüller hat mit seiner Geschichte kein Neuland betreten, sein Ansatz ist eher konventionell und bewährt, es gibt Anleihen an Filme wie „Big", aber diese Defizite macht der Film vor allem durch seine guten Darsteller wett. Sein junger Hauptdarsteller Luis Vorbach überzeugt, und auch Margarita Broich gibt dankenswerterweise nicht die Knallcharge einer Lehrerin, sondern zeigt, dass Lehrkräfte auch für patente Aktionen zu gebrauchen sind. Einige Schauplätze, wie der Jahrmarkt und ein stillgelegtes Schwimmbad, geben dem Film das besondere Flair, das der Geschichte ein wenig fehlt, so dass am Ende doch noch ein unterhaltsamer Kinderfilm herausgekommen ist.


Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch und Idee: Simone Höft, Nora Lämmermann
Kamera: Stefan Biebl
Schnitt: Barbara Toennieshen
Musik: Andrej Melitta, Ina Meredi Arakelian, Florian Paul

 Darsteller:
Luis Vorbach, Jona Gaensslen, Marie Leuenberger, Margarita Broich, Maja Beckmann, Serkan Kaya, Colin Badura, Xari Wimbauer, Max von Thun


SquareOne/ 20th Century Fox
92 min.
Deutscher Kinostart: 04. April 2019


Film-Rezensionen: Monsieur Claude 2 (Qu'est-ce qu'on a encore fait au Bon Dieu?)


Nachdem die Eheleute Claude und Marie Verneuil (Christian Clavier und Chantal Lauby) sich von dem Schock erholt haben, den ihnen ihre vier Töchter mit den multikulturellen Schwiegersöhnen David aus Israel, Rachid aus Algerien, Chao aus China und Charles von der Elfenbeinküste bereitet haben, sind sie inzwischen ziemlich stolz auf ihre Toleranz und Integrationsfähigkeit und machen sich in dieser Fortsetzung des Erfolgsfilms „Monsieur Claude und seine Töchter“ von 2014 auf eine Reise in die Herkunftsländer der Schwiegersöhne. Zurück kommen sie mit einer Fülle von Eindrücken, einschließlich einer vierstündigen Leibesvisitation am Flughafen Tel Aviv und der Verkostung von 100jährigen Eiern in China, sowie der gefestigten Überzeugung, dass Frankreich das wunderbarste aller Länder bleibt.

Wieder im Schoß ihrer ländlichen Idylle könnte alles so schön sein, aber es droht neues, nicht erwartetes Ungemach. Die Schwiegersöhne fühlen sich, obwohl im Land geboren, als Franzosen zweiter Klasse und bei jeder Gelegenheit auf ihre jeweilige Herkunft reduziert und diskriminiert. 
Zum Entsetzen von Claude und Marie beschließen sie daher, mit ihren Familien auszuwandern, nach Algerien, China, Israel und Indien, wo Schwiegersohn Charles seine Schauspielkarriere in Bollywood starten möchte.

Der Gedanken, den Töchter nicht mehr nahe zu seine und die Enkelkinder nicht aufwachsen zu sehen, löst in Marie eine schwere Krise aus und guter Rat ist im wahrsten Sinne des Wortes teuer, denn nun muss Claude sehr viel Fantasie und noch mehr Geld aufwenden, um David, Rachid, Chao und Charles von den Schönheiten Frankreichs und den Vorzügen des heimeligen Landlebens zu überzeugen, um sie doch noch zum Bleiben zu bewegen. Währenddessen wird auch die Toleranzgrenze der Eltern Koffi ausgetestet, ein Umstand, der Monsieur Claude bei all seinem eigenen Frust eine gewisse Schadenfreude bereitet. 

Wer einen platten zweiten Aufguss des ersten Films befürchtet hat, wird angenehm enttäuscht, die gelungene Fortsetzung spielt erneut gekonnt mit den alltäglichen Vorurteilen und Fettnäpfchen, vor denen auch der politisch Korrekteste nicht gefeit ist und den damit verbundenen Empfindlichkeiten auf allen Seiten. Bei dem steten Kampf um den richtigen Ton im Umgang miteinander bekommt jeder sein Fett weg, der Finger wird lustvoll in jede Wunde gelegt, auch solche, die man sich im Eifer des Gefechts gegenseitig zufügt. Die bewährten und wieder bestens aufgelegten Akteure überzeugen, wenn auch die Töchter etwas blass bleiben. Christian Clavier und Chantal Lauby als verschrobene Relikte der alten französischen Bourgeoisie haben dieser von den Altmeistern des französischen Kinos so gegeißelten Klasse ihren Schrecken genommen, sie sind auf dem Weg in die Moderne und solange die Verneuils und ihre Familie nicht aufgeben, bleibt die begründete Hoffnung, dass es eines Tages doch noch gelingen wird, friedlich und harmonisch miteinander leben zu können, gleich wo man seine Wurzeln hat.


 Regie: Philippe de Chauveron
Drehbuch: Philippe de Chauveron, Guy Laurent
Kamera: Stéphane le Parc
Schnitt: Alice Plantin
Musik: Marc Chouarain

Darsteller:
Claude Verneuil – Christian Clavier
Marie Verneuil – Chantal Lauby
David – Ary Abittan
Rachid – Medi Sadoun
Chao – Frédéric Chau
Charles – Noom Diawara
Isabelle – Frédérique Bel
Odile – Julia Piaton
Ségolène – Émilie Caen
Laure – Élodie Fontan
André Koffi - Pascal Nzonzi
Madeleine Koffi – Salimata Kamate
Viviane Koffi – Tatiana Rojo
Nicole – Claudia Tagbo
 
Neue Visionen Filmverleih
99 min.
Deutscher Kinostart: 04. April 2019