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Mittwoch, 22. März 2017

Film-Rezensionen: The Lost City of Z (Die versunkene Stadt Z)


The Lost City of Z – Die Versunkene Stadt Z



Amazonas, Dschungel, eine versunkene Stadt – wer bei solchen Schlüsselwörtern Fernweh bekommt, der ist bei diesem Abenteuerfilm bestens aufgehoben. Indiana Jones war gestern, dies ist die (wahre) Geschichte des britischen Forschers und Abenteurers Percy Fawcett, wahrscheinlich war dieser sogar das Vorbild für den fiktionalen Professor Jones.


Gleich zu Beginn des Films erleben wir Percy Fawcett (Charlie Hunnam) als Draufgänger im Dienst der britischen Armee. Leider erschöpfen sich seine waghalsigsten Abenteuer darin, auf der Jagd ein Beutetier zur Strecke zu bringen, weiterer Ruhm und Ehre bleiben ihm verwehrt, was auch mit seinem Schicksal zu tun haben mag, dass er, wie es die blasierte britische Gesellschaft auszudrücken pflegt, wenig Glück mit der Auswahl seiner Vorfahren hatte…
  
Seine ebenfalls nicht gerade spannende Ausbildung als Landvermesser eröffnet ihm dann unerwartet die Möglichkeit, im Auftrag der Royal Geographic Society nach Südamerika zu reisen, um dort den genauen Grenzverlauf zwischen Bolivien und Brasilien festzulegen. Bei dieser ersten Expedition im Jahr 1906, begleitet von seinem Adjutanten Henry Costin (Robert Pattinson) und mit Hilfe von Führern eines Indianerstammes, folgt Fawcett dem Fluss Rio Verde durch den Regenwald stromaufwärts. Über zwei Jahre trotzen er und seine Männer allen Strapazen, Hitze, Hunger, Durst und Krankheiten, belohnt werden sie von atemberaubenden Landschaften und Eindrücken und am Ende, im Quellgebiet des Flusses, glaubt Fawcett in einem Fund von Keramikresten die Überreste einer alten, untergegangenen Hochkultur gefunden zu haben, deren versunkene Stadt er „Z“ nennt .

Sein Bericht stößt in England auf taube Ohren und Ablehnung. Eine Hochkultur, hervorgebracht von Menschen, die allgemein als „Wilde“ bezeichnet werden, wird als lächerlich und unmöglich abgetan. Aber Fawcett ist von seiner Sache überzeugt und es gelingt ihm, eine neue Expedition zu organisieren. Neben seinem treuen Begleiter Costin ist diesmal auch ein bekannter weiterer Abenteurer namens Murray (Angus Macfadyen) dabei. Wieder nehmen die Männer alle denkbaren Entbehrungen auf sich, die bei allen ihren Tribut fordern, nur an Percy scheint alles, einschließlich Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber, abzuprallen. Dies ist auch von dem echten Fawcett überliefert, was ihn zu einem wahren Mythos seiner Zeit werden ließ.

Wieder entdeckt Fawcett Hinweise auf seine versunkene Stadt, aber auch diesmal gelingt es ihm nicht, den endgültigen Beweis nach Hause zu bringen, schließlich muss die Expedition nach Auseinandersetzungen mit dem völlig geschwächten Murray abgebrochen werden.

Der erste Weltkrieg schickt Fawcett dann an die Front nach Frankreich, wo er sich in den zermürbenden Schlachten eines brutalen Stellungskriegs endlich auch in der Armee als erfolgreicher Offizier und Anführer beweist.

Diesem quasi öffentlichen Schicksal des Percy Fawcett wird als weitere Facette des Films sein privates Leben gegenübergestellt. Seine Vision von der versunkenen Stadt Z ist seine Leidenschaft, eine brennende Leidenschaft, die immer mehr zu einer Obsession wird, der er einfach folgen muss. Daran kann ihn auch die Liebe zu seiner Frau Nina (Sienna Miller) nicht hindern. Seinen Kindern, die ihn wegen seiner jahrelangen Abwesenheit, kaum kennen, ist er ein Fremder, irgendwo wartet immer ein Abenteuer da draußen, das ihn von zu Hause fortholt. Seine Frau ist zwar für damalige Zeiten überraschend emanzipiert, und es wird eine tiefe Liebe und Verbundenheit zwischen beiden sichtbar, aber den Gedanken, sie auf eine seiner Expeditionen mitzunehmen, weist Percy als absurd zurück. Für seinen Traum, die Stadt Z zu finden zahlt er einen hohen Preis, aber zu Hause bei Frau und Kindern zu bleiben ist für ihn in seiner Sturm- und Drangphase einfach keine Option. Die Familie scheint ihm erst als das Glück seiner späten Jahre vorbehalten zu sein.

Aber dann entpuppt sich sein ältester Sohn Jack (Tom Holland) als Erbe von Percys Abenteurergen, denn er ist es, der seinen Vater im Jahr 1925 überredet, noch einmal gemeinsam loszuziehen, um die Stadt Z doch noch zu finden. Nina hat sich längst in ihr Schicksal ergeben und lässt beide ziehen. Finanziert von einer großen amerikanischen Zeitung und auf diesem Weg über Depeschen quasi „live“ verfolgt von Millionen Lesern, erfährt diese Reise eine hohe Aufmerksamkeit, bis Percy und Jack eines Tages spurlos im südamerikanischen Regenwald verschwinden und bis heute verschollen geblieben sind.

Mittlerweile haben US-Forscher tatsächlich Reste einer tausend Jahre alten Siedlung an der von Fawcett beschriebenen Stelle gefunden, eine späte Genugtuung für alle, die immer an ihn und seine Arbeit geglaubt haben.

Der Film bietet grandiose Bilder und macht die Strapazen der Expeditionen sicht- und fühlbar. Er schafft es, die Person Percy Fawcett als einen Menschen zu begreifen, dessen unstillbarer Drang sein Leben bestimmt, ihn antreibt und gegen alle Widerstände seinen Obsessionen folgen lässt, auch um den Preis des Verlusts von Familie und Heimat. Es sind solche Menschen, die ihrem eigenen Plan folgen und dadurch allen anderen neue Horizonte öffnen, neue Perspektiven bieten und helfen, neue Welten zu entdecken, ungeachtet der Opfer, die sie selbst dafür bringen müssen. Mögen sie niemals aussterben…  

Regie: James Gray  
Drehbuch: James Gray, David Grann basierend auf seinem Buch „Die versunkene Stadt Z“ 
Kamera: Darius Khondji 
Darsteller: Charlie Hunnam, Sienna Miller, Tom Holland, Robert Pattinson, Angus Macfadyen, Edward Ashley

140 Minuten  
Filmstart Deutschland: 30. März 2017

Sonntag, 12. März 2017

Film-Rezensionen: Der Hunderteinjährige der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand



Allan Karlsson lebt noch!
  
Ein Jahr nachdem er sich den Zumutungen der Feier zu seinem einhundertsten Geburtstag durch Flucht aus dem Altenheim entzogen hat – wir erinnern uns: er stieg aus dem Fenster und verschwand – treffen wir Allan (Robert Gustafsson) am Strand von Bali wieder. Dort hat er mit der alten Bande seinen Reichtum fast verprasst, so dass die Feier anlässlich seines einhundertundersten Geburtstags bescheiden ausfällt.

Bei ihm sind noch Freund Julius (Iwar Wiklander), Benny (David Wiberg) und dessen schwangere Freundin Miriam (Shima Niavarani), der Gangster Pike (Jens Hultén), der sich an nichts erinnert, aber gerne bei allem dabei ist, und das Kapuziner-Äffchen Erlander. Weil Miriam aufgrund ihrer Schwangerschaft keinen Alkohol trinken darf, bietet Allan ihr ein eigenartiges rotes Getränk an, von dem er aus früheren Zeiten nur noch ein letztes Fläschchen besitzt. Miriam ist begeistert davon und möchte mehr, leider findet auch Erlander Gefallen an der Flasche und macht sich damit aus dem Staub, nachdem er den letzten Rest der roten Brause – Volkssoda genannt - getrunken hat.
 
Allan kramt tief in seinem Gedächtnis und erinnert sich schließlich, woher das Getränk stammt und diese Geschichte führt uns weit zurück in die Zeiten des Kalten Krieges, als Allan als Spion tätig war. Während des militärischen Wettrüstens zwischen Amerikanern und Russen um die Vormacht gab es, wie wir erfahren, auch einen kulturellen Wettstreit darüber, wer die Welt ansonsten am nachhaltigsten beeinflusste. Mit russischen Jeans und Balalaika-Rock konnte Breschnew zu seinem Ärger nicht punkten, aber das Produkt, das der amerikanischen Cola den Rang streitig machen sollte, war wider Erwarten ein Renner. Aus diesem Grund setzte Präsident Nixon alles daran, hinter das Geheimnis des russischen Volkssoda-Getränks zu kommen und es begann ein aberwitziger Kampf um die Formel dieser Brause, bei dem Allan – wir wundern uns nicht – immer in vorderster Front dabei war. Am Ende gab es ein Stillhalteabkommen zwischen Amerikanern und Russen und wir erfahren endlich, worum es bei den SALT-Verhandlungen zwischen Nixon und Breschnew wirklich ging!

Die Rezeptur für die Volkssoda landete dann irgendwie bei Allan, der sich zu dieser Zeit gerade in Berlin aufhielt. Dort vermutet er die geheime Formel immer noch, in der Wohnung einer alten Freundin, und da Bali ohne Geld nicht mehr so reizvoll erscheint und Benny und Miriam bereits nach Schweden abgereist sind, um dort die Geburt ihres Kindes zu erwarten, beschließen Allan und Julius, sich auf den Weg nach Berlin zu machen. Im Bademantel und ohne die Rechnung zu bezahlen verlassen sie das Hotel, begleitet von Erlander und Pike, dem Gangster ohne Gedächtnis, der glaubt, dass sie alle zum Schwimmen gingen.  




Es beginnt eine aberwitzige Reise, die nach vielen Irrungen und Wirrungen schließlich in Schweden endet, immer auf der Jagd nach der Volkssoda-Formel. Zwei Greise mit Kapuziner-Äffchen und einem tumben Gangster im Schlepptau erregen überall, wo sie auftreten, genug Aufsehen um eine Reihe von weiteren Akteuren – bekannten und neuen – auf den Plan zu rufen. Hierzu gehören unter anderem die Tochter eines russischen Spion-Kollegen von Allan, die glaubt, dass dieser ihren Vater um die Formel betrogen hat, sowie der Sohn eines britischen Gangsters, der sich an Allan für den Tod seines Vaters rächen will. Da Volkssoda in den USA auch heute noch nationale Sicherheitsinteressen berührt, machen sich zwei smarte CIA-Agenten auf den Weg nach Malmköping, wo sie Kontakt mit dem redlichen aber ziemlich unbedarften Inspektor Aronsson aufnehmen, während Benny und Miriam das Altenheim, das Allan vor einem Jahr durch ein Fenster verlassen hat, nach seiner Hinterlassenschaft durchsuchen, in der Hoffnung, dort auf das Rezept zu stoßen.

Den Regisseuren Felix und Måns Herngren gelingt es, dem Film „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, der auf dem Welterfolg des schwedischen Autors Jonas Jonasson beruht, in Zusammenarbeit mit diesem, einen noch amüsanteren zweiten Teil folgen zu lassen. Die Abenteuer von Allan Karlsson werden mit Charme und Witz weitergesponnen, die Rückblicke bewegen sich aber diesmal ausschließlich in den Zeiten des Kalten Krieges und diese Konzentration tut der Geschichte gut. Es bieten sich wie gehabt verblüffende neue geschichtliche Einblicke mit hervorragend aufgelegten Darstellern, allen voran ein  polternder und launiger Breschnew. Wir sehen, wie es trotz Sicherheitskontrolle beim Einchecken gelingen kann, einen Kapuzineraffen in ein Flugzeug zu schmuggeln, sehen zwei alten Männern mit einer unverwüstlichen Gelassenheit durch die haarsträubendsten Abenteuer schlurfen, freuen uns mit Pike, als dieser endlich zu seinem Bad in einem schwedischen See kommt und wünschen uns dabei die ganze Zeit, wenigstens einmal von diesem offensichtlich köstliche Getränk kosten zu dürfen, das beinahe den Lauf der Weltgeschichte so maßgeblich beeinflusst hätte! Vielleicht besteht dafür noch Hoffnung, denn, am Ende taucht die langgesuchte Formel doch noch auf, an einem Ort, den niemand erwartet hätte, am allerwenigsten Allan, wollte er doch zur Entspannung nur ein heißes Bad im Kreise seiner Freunde nehmen...  

Regie: Felix Herngren, Måns Herngren 
Drehbuch: Felix Herngren, Hans Ingemansson b/a story von Hans Ingemansson, Måns Herngren, Felix Herngren und Jonas Jonasson 
Kamera: Göran Hallberg
Musik: Matti Bye 
Darsteller: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg, Shima Niavarani, Jens Hultén, Ralph Carlsson, Svetlana Rodina Ljungkvist, Georg Nikoloff, Crystal der Affe


Schweden, 108 min
Concorde Filmverleih 
Deutscher Start: 16.März 2017