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Donnerstag, 26. April 2018

Film-Rezensionen: 7 Tage in Entebbe (7 Days in Entebbe)


Am 27. Juni 1976 kapern vier Terroristen eine Air France Maschine auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris bei einer Zwischenlandung in Athen und entführen sie nach Entebbe, Uganda.

An Bord befinden sich 239 Passagiere, darunter 83 israelische, für deren Freilassung die Terroristen neben einem Lösegeld den Austausch von palästinensischen Gefangenen fordern und der israelischen Regierung hierfür ein Ultimatum von sieben Tagen stellen. Die Maxime Israels ist es, niemals mit Terroristen zu verhandeln, dennoch wird zwischen den Entscheidern auch diese Option diskutiert. Vor allem Premierminister Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazy) zieht sie in Erwägung, während sein Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) einen Befreiungsschlag befürwortet. Die Auseinandersetzung zwischen beiden, bei der auch persönliche und berufliche Ambitionen eine Rolle spielen, bildet die eine Ebene der Handlung, während sich auf der anderen die Situation der Geiseln in der klaustrophischen Enge des Flughafengebäudes in Entebbe immer mehr zuspitzt, bis es tatsächlich zum spektakulären Einsatz eines israelischen Befreiungskommandos kommt.

Es ist die vierte Verfilmung des Stoffes, und José Padilha schildert die Ereignisse, an denen auch die deutschen RAF-Mitglieder Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) beteiligt sind, mit einem erkennbaren Anspruch an Authentizität. Er hat für den auf ein Entführungsdrama eingestellten Zuschauer allerdings einen ungewöhnlichen Einstieg gewählt: Die Batsheva Dance Company probt den „Stuhltanz“ aus dem Tanztheater „Echad Mi Yodea“, bei dem die Tänzer, gekleidet im Stil ultraorthodoxer Juden, auf Stühlen in einem Halbkreis agieren. Der symbolische Tanz, der sich in immer wieder gegengeschnittenen Szenen durch den ganzen Film zieht, entwickelt eine Wucht und Kraft, die dem Film an sich leider fehlt.

Die Erstürmung des Flughafens in Entebbe unter der Führung von Yoni Netanyahu, Bruder des amtierender Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und einziges Todesopfer der israelischen Einheit, ging als grandioser militärischer Erfolg in die Geschichte ein. Der Film macht daraus ein solides Drama, dessen Thema auch heute noch, über vierzig Jahre später, nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.

Die Akteure haben viel Zeit und Gelegenheit, ihre Motive unter- und auch gegeneinander zu diskutieren, genug Ansatz für eigene Reflektion angesichts der aktuellen politischen Lage, sowohl in Israel, aber auch in der übrigen Welt. Es gibt nach wie vor keine Antwort darauf, ab wann ein Freiheitskämpfer zum Terroristen wird, oder ob beides nicht immer unausweichlich zusammengehört, je nachdem, von welcher Seite aus man es betrachtet.

Bei den beiden deutschen Terroristen steht eindeutig im Vordergrund, wie es sich anfühlt, wenn man sich auf der richtigen Seite glaubt, wenn man irgendwann den Schritt vom Reden zum Kampf gemacht hat, und dann plötzlich als Deutscher, der dem Nazistaat zu Hause den Krieg erklärt hat, dabei ist, jüdische Passagiere zu selektieren. Rosamund Pike zeigt hierbei eine großartige Leistung, ihre Darstellung der Entwicklung von einer kompromisslosen Kämpferin zur zweifelnden, gebrochenen Figur ist packend und überzeugend, während Daniel Brühl gewohnt farblos bleibt, ihm fehlt das Charisma, um seiner Figur die letzte Tiefe zu geben.

Das Duell der beiden Gegenspieler Rabin und Peres, den beiden Männern, die das Schicksal ihres Landes so maßgeblich beeinflusst haben, ist überzeugend, wenn man davon absieht, dass deren Gespräche in der Originalfassung auf Englisch mit israelischem Akzent stattfinden, sicher eine Konzession an die Vermarktbarkeit des Films, aber ein Bruch mit der angestrebten Authentizität.

Nebenfiguren wie Idi Amin (Nonzo Anozie), der französische Bordingenieur Lemoine (Denis Menochet) und der junge israelische Soldat Zeev (Ben Schnetzer), der als Freund einer der Tänzerinnen aus der Tanzkompanie den inneren Konflikt Israels repräsentiert, der kämpft, damit sie tanzen kann, sind solide, können aber keine größeren Akzente setzen und die finale Stürmung des Flughafens durch das israelische Kommando, laut eigenem Credo schnell und überraschend durchzuführen, läuft aus dramaturgischen Gründen in Slow Motion ab, ein Anachronismus für die einzige wirkliche Actionszene in einem insgesamt etwas wortlastigen Film.


Regie: José Padilha
Drehbuch: Gregory Burke
Kamera: Lula Carcalho
Musik: Rodrigo Amarante
Darsteller: Daniel Brühl, Rosamund Pike, Eddie Marsan, Lior Ashkenazi, Denis Menochet

entertainmentOne

USA/UK 2018
107 min
Kinostart: 03. Mai 2018
FBW Prädikat "Besonders wertvoll"





Film-Rezensionen: HERRliche Zeiten



Claus Müller-Todt (Oliver Masucci) ist Schönheitschirurg und bewohnt mit seiner Frau Evi (Katja Riemann) eine luxuriöse Villa in bester Lage. Leider lässt die Qualität der beschäftigten Haushaltshilfen zu wünschen übrig, so schaltet Claus eines Abends in Rotweinstimmung eine Stellenanzeige: „Sklave/Sklavin“ gesucht.

Auf die Lack- und Ledergestalten, die sich danach in Scharen einfinden, ist er nicht vorbereitet, das Missverständnis wird aber schnell geklärt und er und seine Gattin haben das Ganze fast schon als amüsante Episode abgetan, da wird ein gewisser Bartos (Samuel Finzi) vorstellig. Gepflegt, eloquent und gebildet bietet er dem überraschten Claus ohne Bezahlung, nur gegen Kost und Logis, ein Herr-Knecht-Dienstverhältnis an. Seine sogleich abgelieferte Arbeitsprobe als Butler und Koch ist tadellos, für Wellness sorgt bald zu den gleichen Bedingungen seine Frau Lana (Lize Feryn) und zusammen lesen sie den Müller-Todts jeden Wunsch von den Augen ab. Deren zunächst schlechtes Gewissen weicht bald einem genießerischen Wohlfühlerlebnis und schnell werden die neuen Annehmlichkeiten unentbehrlich. Aber wie zu erwarten kippt die heitere Stimmung bald, spätestens mit der Ankunft eines Trupps bulgarischer Arbeiter, die zu äußerst günstigen Konditionen den schon lange angestrebten Pool im Garten ausheben sollen, wird es für die Müller-Todts ungemütlich und Bartos und seine Frau sind nicht ganz die, für die sich ausgegeben haben…

 Der Film ist erkennbar als Gesellschaftssatire angelegt, der die Frage in den Raum stellt, wie schnell aus dem normalen Spießer von nebenan der ausbeuterische Herrenmensch wird, der schwer schuftende Menschen in seinem Vorgarten mit ein paar Euro Stundenlohn abspeist, und sein schlechtes Gewissen sofort beruhigen lässt, wenn man ihm versichert, dass diese Leute solche Arbeitsverhältnisse gewöhnt sind. Figuren wie der Diktatorensohn in der Nachbarvilla (Yasin El Harrouk), der dort römische Orgien nachstellen lässt, sich mit dem Herrschen und Unterdrücken aufgrund seines familiären Hintergrundes bestens auskennt und Claus seine Freundschaft und Dienste andient, liefern durchaus einen zuweilen grotesken Witz. Aber das sich gleichzeitig langsam steigernde Unwohlsein sowohl bei den Protagonisten als auch beim Zuschauer steuert leider auf eine Auflösung hin, die enttäuscht, weil die Motive von Bartos und Gattin sich als ganz andere entpuppen, als es zunächst den Anschein hat. Spätestens hier kippt die Story, aus der Parabel wird ein banaler Krimi, der am Ende den einzig wirklichen Schockmoment ausblendet und ein Gefühl hinterlässt wie beim Anblick eines prall gefüllten Luftballons, der nicht spektakulär platzt, sondern Luft verliert, bis er schlaff in sich zusammenfällt.

Die Akteure geben ihr Bestes, Katja Riemann gewinnt ihrer Figur reizvolle Nuancen ab, Oliver Masucci pflegt den rheinischen Zungenschlag – oft ein Zeichen jovialer Harmlosigkeit – ohne dass sein Claus zur Karikatur wird, Samuel Finzi gibt den glatten und servilen Diener gewohnt professionell und Yasin El Harrouk kommt wunderbar selbstironisch daher.

Alles in allem ein durchaus unterhaltsamer Film, der allerdings den geweckten Erwartungen an eine bissige Satire nicht gerecht wird und mit einer Auflösung aufwartet, die enttäuscht.







Regie: Oscar Roehler 
Drehbuch: Jan Berger, frei nach Motiven des Romans „Subs“ von Thor Kunkel 
Kamera: Carl-Friedrich Koschnick
Musik: Martin Todsharow 
Darsteller: Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi, Lize Feryn, Yasin El Harrouk, Margarita Broich, Andrea Sawatzki, Alexander Beyer, Katy Karrenbauer, Aslan Aslan, Gottfried Vollmer

Concorde Filmverleih 
110 min 
Kinostart: 03. Mai 2018








Montag, 16. April 2018

Film-Rezensionen: Stronger

Der Boston-Marathon ist ein Lauf mit Tradition, bei dem jedes Jahr tausende von Teilnehmern an den Start gehen. Im Jahr 2013 wartet Jeff Bauman an der Ziellinie auf seine Ex-Freundin Erin, die als Läuferin dabei ist, als ein Sprengsatz unmittelbar neben ihm detoniert und ihm beide Unterschenkel abreißt.
Der Film zeichnet die auf Tatsachen beruhende Geschichte dieses jungen Mannes nach, der langsam lernt, mit seinem Schicksal fertig zu werden, während eine ganze Stadt ihn für sich vereinnahmt, weil sie in ihm ihren Helden sieht, der dem Schrecken des Anschlags ein Gesicht gibt.
Jeff (Jake Gyllenhaal) ist von dieser zusätzlichen Bürde völlig überfordert, er ist kein Held, er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort und hat genug damit zu tun, mit seinem neuen Leben ohne Beine klarzukommen. Dabei helfen ihm seine Familie, allen voran die Eltern (Miranda Richardson und Clancy Brown), einfache Menschen mit dem Herz am richtigen Fleck, aber auch Erin (Tatiana Maslany), die auf diesem Weg wieder zu ihm zurück zu finden scheint. Bereits zuvor hatten Jeff und sie sich mehrfach getrennt und wieder zusammengefunden, und nun muss Erin sich darüber klar werden, ob sie aus Liebe oder aus Mitleid zu Jeff zurückkehrt. Als sie schwanger wird, scheint ihr die Entscheidung abgenommen zu werden, aber es ist noch ein langer Weg, der vor den beiden liegt...
Das Schicksal von Jeff Bauman zeigt, wie schnell sich ein Leben plötzlich und für immer entscheidend verändern kann. Der Film lässt wenig Pathos zu, schonungslos und fast dokumentarisch zeigt er Jeffs Leidensweg, seine Sprach- und Hilflosigkeit und die manchmal übers Ziel hinausschießende Hilfsbereitschaft seiner Familie, die mit der Situation genauso überfordert ist, wie er selbst.

Dabei konzentriert sich der Film völlig auf Jeffs Perspektive, aus diesem Grund erfahren wir zunächst nichts über den Moment der Explosion, den er offensichtlich aus Selbstschutz verdrängt hat. Wir sehen nur kurz das verschwommene Bild des Bombenlegers, dem Jeff vor der Tat in die Augen geblickt hat, so wie er selbst es in Erinnerung hat. Er kann der Polizei mit einer ziemlich genauen Beschreibung helfen, wer oder was hinter dem Attentat stand, ist nicht das Thema des Films, ein Ansatz, der gut gewählt ist, denn dadurch bleibt der Film fokussiert. Erst fast gegen Ende des Films drängt sich plötzlich die Erinnerung in Jeffs Bewusstsein zurück und mit ihm zusammen durchleben wir die Wucht der Explosion, hören die Schreie der Verwundeten, werden Zeuge des Chaos und sehen Jeff mit seinen zerfetzten Beinen in seinem Blut. Auch dies erhöht die Authentizität des Films, der trotz dieser kurzen drastischen Sequenz nicht auf vordergründige Schockelemente aus ist. Tat und Täter und deren Motive oder Terrorismus spielen für den Film keine Rolle, es geht einzig um das Schicksal von Jeff Bauman, den Jake Gyllenhaal bravourös verkörpert, um sein Umfeld einschließlich der Stadt Boston, die auf ihre Weise auch ein Trauma zu verarbeiten sucht, und es geht darum, wie Jeffs den Kampf zurück in ein Leben meistert, das nie wieder dasselbe sein wird, insofern ist er am Ende doch ein Held.

Regie: David Gordon Green
Drehbuch: John Pollono b/a der Vorlage von Jeff Bauman und Bret Witter
Kamera: Sean Bobbitt
Schnitt: Dylan Tichenor
Musik: Michael Brook
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Tatiana Maslany, Miranda Richardson, Clancy Brown


Studiocanal
USA 119 min
Kinostart: 19. April 2018


















Film-Rezensionen: Solange Ich Atme (Breathe)

Im England der 1950ger Jahre begegnen sich bei einem Cricket-Match Robin Cavendish (Andrew Garfield) und Diane Blacker (Claire Foy). Es ist für beide Liebe auf den ersten Blick und bevor Robin geschäftlich nach Afrika reist, heiraten sie. Ihre Zeit in Kenia verläuft zunächst unbeschwert, es dauert nicht lange und Diane wird schwanger.

Ihrem Glück scheint nichts im Wege stehen zu können, da erkrankt Robin 1958 plötzlich an Polio. Er ist 28 Jahre alt, als aus dem sportlichen jungen Mann ein Pflegefall wird, vom Hals abwärts gelähmt, vor allem aber für den Rest seines Lebens an einer Beatmungsmaschine hängend, da er nie wieder selbständig wird atmen können.

Diane sorgt dafür, dass er zurück nach England transportiert wird, er kommt in ein Krankenhaus, in dem seine Versorgung gewährleistet ist, wo es noch andere Fälle wie ihn gibt. Er lernt nach anfänglichen Problemen mit der Luftröhre mühsam wieder sprechen, aber seine Situation ist für ihn so unerträglich, dass er sterben möchte. Doch seine junge Frau ist nicht so leicht bereit, aufzugeben. Sie möchte, dass er sein noch ungeborenes Kind aufwachsen sieht und holt ihn, gegen den ausdrücklichen Willen seiner Ärzte, aus dem Krankenhaus. Sie übernimmt seine Pflege zu Hause, das Beatmungsgerät wird an ihrem gemeinsamen Bett im Schlafzimmer installiert und Robin entwickelt langsam wieder ersten Lebensmut. Er bleibt ans Bett und an die Maschine gefesselt, aber als dann sein Sohn Jonathan geboren wird, nimmt er an dessen Leben regen Anteil.

Eines Tages hat er eine Idee, die sein Leben noch einmal verändern wird, die es ihm ermöglicht, einen weiteren kleinen Schritt aus der Gefangenschaft seines Bettes und des Schlafzimmers hinauszutreten. Ein guter Freund, der Collegeprofessor und Erfinder Teddy Hall (Hugh Bonneville) baut für ihn einen Rollstuhl, an dem ein batteriebetriebenes Beatmungsgerät installiert wird und von nun an ist er tatsächlich wieder mobil. Seine Frau, ihre Brüder Bloggs und David (Tom Hollander in einer Doppelrolle) und sein kleiner Sohn erleben, wie das Glück in Robins Leben zurückkehrt. Scheinbar einfache Dinge, wie die Sonne im Garten zu spüren und dabei zu sein, wenn üppige Gartenfeste zu Jonathans Geburtstag gefeiert werden, werden zu einem Erlebnis und geben ihm wieder Freude am Leben. Teddy Hall baut einen Kleintransporter um, damit der Rollstuhl auf der Beifahrerseite Platz hat, und so vergrößert sich Stück für Stück der Radius seiner Mobilität, etwas, dass jeder in seinem Umfeld und vor allem seine Ärzte für vollkommen unmöglich hielten. Höhepunkt dieser Aktivitäten ist eine Reise nach und durch Spanien, die zwar unter einigen Schwierigkeiten verläuft, aber für die Familie zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.

Robin und Diane unternehmen weitere Reisen, unter anderem zu einem medizinischen Kongress in Deutschland, wo sie von ihren Erfahrungen berichten und vielen anderen mit dem gleichen Schicksal eine neue Perspektive geben. Mit Dianes Energie, ihrer Liebe und Robins letztlich ungebrochenen Lebensmut sieht er, was niemand für möglich gehalten hatte, tatsächlich seinen Sohn heranwachsen, und kann seiner Krankheit nach deren Ausbruch noch mehr als drei Jahrzehnte an erfülltem Leben abtrotzen bis er schließlich 1994 im Alter von 64 Jahren stirbt, nicht schlecht für jemanden, dem man zu Beginn nur noch drei bis höchsten zwölf Monate Lebenszeit attestiert hatte.

Für alle, die sich nun skeptisch abwenden wollen, der Film ist kein Hollwoodkitsch, sondern beruht auf der Lebensgeschichte von Robin und Diane Cavendish, den Eltern des Filmproduzenten Jonathan Cavendish. Die Reise nach Spanien hat es wirklich gegeben, und dem Regisseur Andy Serkis ist ein Film voller Optimismus und feinem britischen Humor im Angesicht eines tragischen Schicksals gelungen, der berührt und Hoffnung macht, der zeigt, dass es sich lohnt, sein Schicksal anzunehmen, zu kämpfen und die Chancen zu nutzen, die einem, in welcher Form auch immer, geboten werden. Der Film leuchtet, leuchtet durch Andrew Garfields strahlendes Lächeln und seine Augen, mit denen er den Sieg des Geistes über den Körper verkündet, und leuchtet durch die Liebe von Diane und Robin zueinander, die alles erst möglich macht.


Regie: Andy Serkis
Drehbuch: William Nicholson 
Kamera: Robert Richardson 
Produktion: Jonathan Cavendish
Darsteller: Andrew Garfield, Claire Foy, Tom Hollander, Stephen Mangan, Hugh Bonneville, Sylvester Groth, Diana Rigg


SquareOne/Universum
118 min
Kinostart: 19. April 2018






Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=2nvUyjA7U7M


Mittwoch, 11. April 2018

Film-Rezensionen: Lady Bird


Christine „Lady Bird“ McPherson (Saoirse Ronan) ist 17 und durchlebt im Jahr 2002 im kalifornischen Sacramento ihr letztes Jahr an der Highschool. Ihre Familie gehört zur unteren Mittelschicht, ihr Alltag besteht aus schulischen Aktivitäten, Pflegen von alten und Eingehen von neuen Freundschaften, Pläneschmieden, an welches College es für sie gehen soll, wobei die finanzielle Situation der Familie nicht viel Spielraum lässt, und dem langsamen Herantasten an das Leben, das – hoffentlich – auf sie wartet. Dazu gehört eine gehörige Portion Rebellion gegen alles und jeden und erste praktische Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die über bloße Verliebtheit hinausgehen, kurzum, es geht um das ganze Programm eines Teenagers, der dabei ist, sich von seinem engen, in den eigenen Augen spießigen, Zuhause zu lösen.

Mit ihrer Mutter Marion (Laurie Metcalf) befindet sich Lady Bird im Dauerclinch, beide umkreisen einander, ziehen sich gegenseitig an, um sich im nächsten Augenblick umso heftiger wieder voneinander abzustoßen. Der Vater (Tracy Letts) steht etwas hilflos dazwischen und versucht, zu vermitteln, der Bruder (Jordan Rodrigues) hat seine ersten Schritte hinaus eigentlich schon gemacht, aber an ihm sieht Lady Bird, dass der Weg in die Welt doch nicht so ganz einfach ist.
Auf ihrer Suche verleugnet Lady Bird ihre Herkunft, zunächst ihr Elternhaus, später auch ihre Heimatstadt, sie lehnt ihren Namen Christine ab, und macht es sich und allen um sie herum nicht einfach. Es ist ein langer Weg, zu sich selbst zu finden und sich zu den eigenen Wurzeln zu bekennen, und das ist wohl, was es bedeutet: erwachsen werden.


Die Regisseurin Greta Gerwig wuchs selbst in Sacramento auf, ihr Film ist nach eigenen Worten eine Liebeserklärung an diese Stadt, wobei sich diese Liebe erst in der Rückschau entwickelt hat. Erst nachdem man aufbricht, um die Welt zu erkunden, bekommt der Ort der Kindheit, der eng und klein erschien, die richtige Dimension und Wichtigkeit. Gerwig versucht, diesem Lebensgefühl der rebellischen frühen Jahre nachzuspüren, ohne ihre Protagonistin in eine wirklich extreme Richtung abdriften zu lassen und das macht den Charme aber auch ein wenig die Schwäche des Films aus. Man schaut Lady Bird und ihrem Umfeld eine Zeitlang bei ihrem Leben zu, für die Beteiligten ein wichtiger Meilenstein, für den Betrachter eine Momentaufnahme ohne großen Höhepunkt. Themen wie Religion und Homosexualität werden nur am Rande gestreift, eine Auseinandersetzung damit ist nicht das Thema und findet daher auch nicht statt.

Allein die Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter geben dem Film die eigentliche Tiefe und machen ihn unterhaltsam und sehenswert. Für Gerwig ist Streit „eine dysfunktionale Form des Menschen, Intimität zum Ausdruck zu bringen, denn richtig streiten kann man ja nur mit Leuten, die man gut kennt“, und ihre beiden herausragenden Darstellerinnen bringen diese Kämpfe mit Wucht auf die Leinwand: Saoirse Ronan, die den Trotz und die Aufmüpfigkeit ihrer Figur spürbar macht und Laurie Metcalf als Mutter, die ihre heranwachsende Tochter eigentlich besser als jeder andere verstehen müsste, aber aufgrund ihrer eigenen, immer noch vorhandenen Dickköpfigkeit, auch nicht über ihren Schatten springen kann.

Der Film hatte seine Weltpremiere beim Telluride Film Festival und stößt seither weltweit auf positive Resonanz. Er erhielt fünf Oscar-Nominierungen (Beste Regie, Bester Film, Bestes Originaldrehbuch, Beste Haupt- und Beste Nebendarstellerin), Saoirse Ronan wurde mit einem Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin und das Werk als Bester Film – Komödie/ Musical ausgezeichnet.

Die Evangelische Filmjury wählte „Lady Bird“ kürzlich zum Film des Monats, mit der Begründung, es sei „ ein Film über emotionale, spirituelle und geographische Heimat, die man erst als solche begreift, wenn man sie verlassen hat“.



Regie: Greta Gerwig
Drehbuch: Greta Gerwig
Kamera: Sam Levy
Schnitt: Nick Houy
Musik: Jon Brion
Darsteller: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Paul Keller, Beanie Feldstein, Lois Smith, Jordan Rodrigues, Lucas Hedges, Timothée Chalamet

USA 94 min
Kinostart: 19. April 2018











Donnerstag, 5. April 2018

Film-Rezensionen: Das Etruskische Lächeln (The Etruscan Smile)

Die Äußeren Hebriden vor der Westküste Schottlands sind eine unwirtliche Gegend. Der knorrige Rory MacNeil (Brian Cox) hat dort sein ganzes Leben auf einer kleinen Insel namens Vallasay verbracht. Die raue Natur und die Abgeschiedenheit haben ihn geprägt, er ist eigensinnig, eigenbrötlerisch und aufgrund einer uralten Fehde mit dem Campbell-Clan dem gleichaltrigen Alaistar Campbell (Clive Russell) in tiefer Feindschaft verbunden. Beide sind in den 70gern, es geht ihnen gesundheitlich schlecht, aber Rory hat den Ehrgeiz, Alaistar um jeden Preis zu überleben. Nur aus diesem Grund macht er sich auf den Weg, seinen Sohn Ian (JJ Feild), dessen Frau Emily (Thora Birch) und Baby Jamie (Oliver und Elliot Epps) im weit entfernten San Francisco zu besuchen, um dort einen richtigen Arzt statt des heimischen Veterinärs aufzusuchen.

Rory und Ian sind sich, nicht nur aufgrund der räumlichen Entfernung, fremd geworden, und die Großstadt ist nicht Rorys Revier. Ian ist als Souschef in einem angesagten Restaurant der Stadt mit seiner Molekularküche sehr erfolgreich, seine Frau Emily arbeitet als PR-Managerin, beide bewohnen ein schickes Appartement im 15. Stock eines Hochhauses, Ians Leben könnte sich nicht drastischer von dem einfachen Leben seiner Kindheit unterscheiden.
Unaufgearbeitete alte Familiengeschichten lassen Vater und Sohn immer wieder aneinander geraten, zu Emily findet Rory auch keinen rechten Zugang, einzig zwischen ihm und Baby Jamie gibt es von Anfang an eine innige und zärtliche Verbindung. Ihm kann Rory alles von Vallasay und den Traditionen und Werten erzählen, die ihm so wichtig sind, und Jamie scheint alles zu verstehen…

Ian und Emily besorgen Rory einen Termin bei einem Spezialisten und während der Tage, die er auf die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen wartet, trifft er in einem Museum vor einer Gruppe von etruskischen Terrakotta-Statuen auf Claudia (Rosanna Arquette), die ihm das Geheimnis der Statuen erklärt, welche im Sterben ein geheimnisvolles Lächeln auf ihren Lippen tragen und damit Hoffnung auf einen glücklichen Tod machen. Zwischen beiden entwickelt sich eine Liebesgeschichte, zusammen mit den Gefühlen für seinen Enkel Jamie entdeckt Rory noch einmal spät auf seinem Lebensweg tiefgehende neue Seiten an sich.

Außerdem gerät er durch Zufall in eine Universitätsstudie, ein Professor (Peter Coyote) ist ganz entzückt, jemanden gefunden zu haben, der das aussterbende Gälisch spricht und Rory braucht nichts weiter zu tun, als zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, während eine Gruppe von interessierten Wissenschaftlern seine Geschichten für die Nachwelt aufnimmt.

Schließlich liegt die Diagnose des Arztes vor, Rory hat Krebs im Endstadium und wird bald sterben. So grotesk es für alle anderen klingt, erst als er hört, dass sein alter Widersacher Alastair Campbell in Vallasay vor ihm gestorben ist, ist Rory bereit, sich mit seinem eigenen Tod auseinander zu setzen. Nun kann er auch wieder auf Ian zugehen, er beginnt, dessen Lebensstil zu akzeptieren, aber es ist Baby Jamie, auf den er seine Hoffnungen projiziert. Ihm will er die alte Heimat nahe bringen, die Ian so lange Zeit abgelehnt hat, und bei einer gemeinsamen Reise zu viert dorthin scheint ein Funke überzuspringen, der die drei Generationen wieder miteinander versöhnt und Rory kann in Ruhe sterben.
Der Film, produziert von dem sechsfachen Oscar®-Gewinner Arthur Cohn, basiert auf dem Bestseller-Roman „La Sonrisa Etrusca“ von José Luis Sampedro und ist der erste Spielfilm des Regieduos Mihal Brezis und Oded Binnun. Es ist eine anrührende Geschichte voller Emotionen, die Gefühl und Seele anspricht, ohne kitschig zu werden oder in Klischees zu verfallen, mit grandiosen Landschaftsbildern und einem wunderbaren Brian Cox, der den störrischen Rory sperrig und mit zerknautschtem Gesicht zum Leben erweckt. Ein Wunder sind auch die Darsteller des kleinen Jamie. Kaum ein Jahr alt, schauen sie verschmitzt und gleichzeitig unglaublich wissend in die Welt und auf den alten Mann und lassen ihrer beider heimliche Komplizenschaft so glaubwürdig wirken, als hätten sie tatsächlich heimlich das Drehbuch gelesen.


Regie: Mihal Brezis, Oded Binnun
Drehbuch: Michael McGowan, Michal Lali Kagan, Sarah Bellwood b/a gleichnamigen Roman von José Luis Sampedro
Kamera: Javier Aguirresarobe
Musik: Frank Ilfman 
Produktion: Arthur Cohn 
Darsteller: Brian Cox, Rosanna Arquette, JJ Feild, Thora Birch, Tim Matheson, , Peter Coyote, Treat Williams

Constantin Film, 107 min. 
Kinostart: 12. April 2018