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Donnerstag, 26. April 2018

Film-Rezensionen: 7 Tage in Entebbe (7 Days in Entebbe)


Am 27. Juni 1976 kapern vier Terroristen eine Air France Maschine auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris bei einer Zwischenlandung in Athen und entführen sie nach Entebbe, Uganda.

An Bord befinden sich 239 Passagiere, darunter 83 israelische, für deren Freilassung die Terroristen neben einem Lösegeld den Austausch von palästinensischen Gefangenen fordern und der israelischen Regierung hierfür ein Ultimatum von sieben Tagen stellen. Die Maxime Israels ist es, niemals mit Terroristen zu verhandeln, dennoch wird zwischen den Entscheidern auch diese Option diskutiert. Vor allem Premierminister Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazy) zieht sie in Erwägung, während sein Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) einen Befreiungsschlag befürwortet. Die Auseinandersetzung zwischen beiden, bei der auch persönliche und berufliche Ambitionen eine Rolle spielen, bildet die eine Ebene der Handlung, während sich auf der anderen die Situation der Geiseln in der klaustrophischen Enge des Flughafengebäudes in Entebbe immer mehr zuspitzt, bis es tatsächlich zum spektakulären Einsatz eines israelischen Befreiungskommandos kommt.

Es ist die vierte Verfilmung des Stoffes, und José Padilha schildert die Ereignisse, an denen auch die deutschen RAF-Mitglieder Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) beteiligt sind, mit einem erkennbaren Anspruch an Authentizität. Er hat für den auf ein Entführungsdrama eingestellten Zuschauer allerdings einen ungewöhnlichen Einstieg gewählt: Die Batsheva Dance Company probt den „Stuhltanz“ aus dem Tanztheater „Echad Mi Yodea“, bei dem die Tänzer, gekleidet im Stil ultraorthodoxer Juden, auf Stühlen in einem Halbkreis agieren. Der symbolische Tanz, der sich in immer wieder gegengeschnittenen Szenen durch den ganzen Film zieht, entwickelt eine Wucht und Kraft, die dem Film an sich leider fehlt.

Die Erstürmung des Flughafens in Entebbe unter der Führung von Yoni Netanyahu, Bruder des amtierender Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und einziges Todesopfer der israelischen Einheit, ging als grandioser militärischer Erfolg in die Geschichte ein. Der Film macht daraus ein solides Drama, dessen Thema auch heute noch, über vierzig Jahre später, nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.

Die Akteure haben viel Zeit und Gelegenheit, ihre Motive unter- und auch gegeneinander zu diskutieren, genug Ansatz für eigene Reflektion angesichts der aktuellen politischen Lage, sowohl in Israel, aber auch in der übrigen Welt. Es gibt nach wie vor keine Antwort darauf, ab wann ein Freiheitskämpfer zum Terroristen wird, oder ob beides nicht immer unausweichlich zusammengehört, je nachdem, von welcher Seite aus man es betrachtet.

Bei den beiden deutschen Terroristen steht eindeutig im Vordergrund, wie es sich anfühlt, wenn man sich auf der richtigen Seite glaubt, wenn man irgendwann den Schritt vom Reden zum Kampf gemacht hat, und dann plötzlich als Deutscher, der dem Nazistaat zu Hause den Krieg erklärt hat, dabei ist, jüdische Passagiere zu selektieren. Rosamund Pike zeigt hierbei eine großartige Leistung, ihre Darstellung der Entwicklung von einer kompromisslosen Kämpferin zur zweifelnden, gebrochenen Figur ist packend und überzeugend, während Daniel Brühl gewohnt farblos bleibt, ihm fehlt das Charisma, um seiner Figur die letzte Tiefe zu geben.

Das Duell der beiden Gegenspieler Rabin und Peres, den beiden Männern, die das Schicksal ihres Landes so maßgeblich beeinflusst haben, ist überzeugend, wenn man davon absieht, dass deren Gespräche in der Originalfassung auf Englisch mit israelischem Akzent stattfinden, sicher eine Konzession an die Vermarktbarkeit des Films, aber ein Bruch mit der angestrebten Authentizität.

Nebenfiguren wie Idi Amin (Nonzo Anozie), der französische Bordingenieur Lemoine (Denis Menochet) und der junge israelische Soldat Zeev (Ben Schnetzer), der als Freund einer der Tänzerinnen aus der Tanzkompanie den inneren Konflikt Israels repräsentiert, der kämpft, damit sie tanzen kann, sind solide, können aber keine größeren Akzente setzen und die finale Stürmung des Flughafens durch das israelische Kommando, laut eigenem Credo schnell und überraschend durchzuführen, läuft aus dramaturgischen Gründen in Slow Motion ab, ein Anachronismus für die einzige wirkliche Actionszene in einem insgesamt etwas wortlastigen Film.


Regie: José Padilha
Drehbuch: Gregory Burke
Kamera: Lula Carcalho
Musik: Rodrigo Amarante
Darsteller: Daniel Brühl, Rosamund Pike, Eddie Marsan, Lior Ashkenazi, Denis Menochet

entertainmentOne

USA/UK 2018
107 min
Kinostart: 03. Mai 2018
FBW Prädikat "Besonders wertvoll"





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