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Montag, 16. April 2018

Film-Rezensionen: Stronger

Der Boston-Marathon ist ein Lauf mit Tradition, bei dem jedes Jahr tausende von Teilnehmern an den Start gehen. Im Jahr 2013 wartet Jeff Bauman an der Ziellinie auf seine Ex-Freundin Erin, die als Läuferin dabei ist, als ein Sprengsatz unmittelbar neben ihm detoniert und ihm beide Unterschenkel abreißt.
Der Film zeichnet die auf Tatsachen beruhende Geschichte dieses jungen Mannes nach, der langsam lernt, mit seinem Schicksal fertig zu werden, während eine ganze Stadt ihn für sich vereinnahmt, weil sie in ihm ihren Helden sieht, der dem Schrecken des Anschlags ein Gesicht gibt.
Jeff (Jake Gyllenhaal) ist von dieser zusätzlichen Bürde völlig überfordert, er ist kein Held, er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort und hat genug damit zu tun, mit seinem neuen Leben ohne Beine klarzukommen. Dabei helfen ihm seine Familie, allen voran die Eltern (Miranda Richardson und Clancy Brown), einfache Menschen mit dem Herz am richtigen Fleck, aber auch Erin (Tatiana Maslany), die auf diesem Weg wieder zu ihm zurück zu finden scheint. Bereits zuvor hatten Jeff und sie sich mehrfach getrennt und wieder zusammengefunden, und nun muss Erin sich darüber klar werden, ob sie aus Liebe oder aus Mitleid zu Jeff zurückkehrt. Als sie schwanger wird, scheint ihr die Entscheidung abgenommen zu werden, aber es ist noch ein langer Weg, der vor den beiden liegt...
Das Schicksal von Jeff Bauman zeigt, wie schnell sich ein Leben plötzlich und für immer entscheidend verändern kann. Der Film lässt wenig Pathos zu, schonungslos und fast dokumentarisch zeigt er Jeffs Leidensweg, seine Sprach- und Hilflosigkeit und die manchmal übers Ziel hinausschießende Hilfsbereitschaft seiner Familie, die mit der Situation genauso überfordert ist, wie er selbst.

Dabei konzentriert sich der Film völlig auf Jeffs Perspektive, aus diesem Grund erfahren wir zunächst nichts über den Moment der Explosion, den er offensichtlich aus Selbstschutz verdrängt hat. Wir sehen nur kurz das verschwommene Bild des Bombenlegers, dem Jeff vor der Tat in die Augen geblickt hat, so wie er selbst es in Erinnerung hat. Er kann der Polizei mit einer ziemlich genauen Beschreibung helfen, wer oder was hinter dem Attentat stand, ist nicht das Thema des Films, ein Ansatz, der gut gewählt ist, denn dadurch bleibt der Film fokussiert. Erst fast gegen Ende des Films drängt sich plötzlich die Erinnerung in Jeffs Bewusstsein zurück und mit ihm zusammen durchleben wir die Wucht der Explosion, hören die Schreie der Verwundeten, werden Zeuge des Chaos und sehen Jeff mit seinen zerfetzten Beinen in seinem Blut. Auch dies erhöht die Authentizität des Films, der trotz dieser kurzen drastischen Sequenz nicht auf vordergründige Schockelemente aus ist. Tat und Täter und deren Motive oder Terrorismus spielen für den Film keine Rolle, es geht einzig um das Schicksal von Jeff Bauman, den Jake Gyllenhaal bravourös verkörpert, um sein Umfeld einschließlich der Stadt Boston, die auf ihre Weise auch ein Trauma zu verarbeiten sucht, und es geht darum, wie Jeffs den Kampf zurück in ein Leben meistert, das nie wieder dasselbe sein wird, insofern ist er am Ende doch ein Held.

Regie: David Gordon Green
Drehbuch: John Pollono b/a der Vorlage von Jeff Bauman und Bret Witter
Kamera: Sean Bobbitt
Schnitt: Dylan Tichenor
Musik: Michael Brook
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Tatiana Maslany, Miranda Richardson, Clancy Brown


Studiocanal
USA 119 min
Kinostart: 19. April 2018


















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