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Mittwoch, 11. April 2018

Film-Rezensionen: Lady Bird


Christine „Lady Bird“ McPherson (Saoirse Ronan) ist 17 und durchlebt im Jahr 2002 im kalifornischen Sacramento ihr letztes Jahr an der Highschool. Ihre Familie gehört zur unteren Mittelschicht, ihr Alltag besteht aus schulischen Aktivitäten, Pflegen von alten und Eingehen von neuen Freundschaften, Pläneschmieden, an welches College es für sie gehen soll, wobei die finanzielle Situation der Familie nicht viel Spielraum lässt, und dem langsamen Herantasten an das Leben, das – hoffentlich – auf sie wartet. Dazu gehört eine gehörige Portion Rebellion gegen alles und jeden und erste praktische Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die über bloße Verliebtheit hinausgehen, kurzum, es geht um das ganze Programm eines Teenagers, der dabei ist, sich von seinem engen, in den eigenen Augen spießigen, Zuhause zu lösen.

Mit ihrer Mutter Marion (Laurie Metcalf) befindet sich Lady Bird im Dauerclinch, beide umkreisen einander, ziehen sich gegenseitig an, um sich im nächsten Augenblick umso heftiger wieder voneinander abzustoßen. Der Vater (Tracy Letts) steht etwas hilflos dazwischen und versucht, zu vermitteln, der Bruder (Jordan Rodrigues) hat seine ersten Schritte hinaus eigentlich schon gemacht, aber an ihm sieht Lady Bird, dass der Weg in die Welt doch nicht so ganz einfach ist.
Auf ihrer Suche verleugnet Lady Bird ihre Herkunft, zunächst ihr Elternhaus, später auch ihre Heimatstadt, sie lehnt ihren Namen Christine ab, und macht es sich und allen um sie herum nicht einfach. Es ist ein langer Weg, zu sich selbst zu finden und sich zu den eigenen Wurzeln zu bekennen, und das ist wohl, was es bedeutet: erwachsen werden.


Die Regisseurin Greta Gerwig wuchs selbst in Sacramento auf, ihr Film ist nach eigenen Worten eine Liebeserklärung an diese Stadt, wobei sich diese Liebe erst in der Rückschau entwickelt hat. Erst nachdem man aufbricht, um die Welt zu erkunden, bekommt der Ort der Kindheit, der eng und klein erschien, die richtige Dimension und Wichtigkeit. Gerwig versucht, diesem Lebensgefühl der rebellischen frühen Jahre nachzuspüren, ohne ihre Protagonistin in eine wirklich extreme Richtung abdriften zu lassen und das macht den Charme aber auch ein wenig die Schwäche des Films aus. Man schaut Lady Bird und ihrem Umfeld eine Zeitlang bei ihrem Leben zu, für die Beteiligten ein wichtiger Meilenstein, für den Betrachter eine Momentaufnahme ohne großen Höhepunkt. Themen wie Religion und Homosexualität werden nur am Rande gestreift, eine Auseinandersetzung damit ist nicht das Thema und findet daher auch nicht statt.

Allein die Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter geben dem Film die eigentliche Tiefe und machen ihn unterhaltsam und sehenswert. Für Gerwig ist Streit „eine dysfunktionale Form des Menschen, Intimität zum Ausdruck zu bringen, denn richtig streiten kann man ja nur mit Leuten, die man gut kennt“, und ihre beiden herausragenden Darstellerinnen bringen diese Kämpfe mit Wucht auf die Leinwand: Saoirse Ronan, die den Trotz und die Aufmüpfigkeit ihrer Figur spürbar macht und Laurie Metcalf als Mutter, die ihre heranwachsende Tochter eigentlich besser als jeder andere verstehen müsste, aber aufgrund ihrer eigenen, immer noch vorhandenen Dickköpfigkeit, auch nicht über ihren Schatten springen kann.

Der Film hatte seine Weltpremiere beim Telluride Film Festival und stößt seither weltweit auf positive Resonanz. Er erhielt fünf Oscar-Nominierungen (Beste Regie, Bester Film, Bestes Originaldrehbuch, Beste Haupt- und Beste Nebendarstellerin), Saoirse Ronan wurde mit einem Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin und das Werk als Bester Film – Komödie/ Musical ausgezeichnet.

Die Evangelische Filmjury wählte „Lady Bird“ kürzlich zum Film des Monats, mit der Begründung, es sei „ ein Film über emotionale, spirituelle und geographische Heimat, die man erst als solche begreift, wenn man sie verlassen hat“.



Regie: Greta Gerwig
Drehbuch: Greta Gerwig
Kamera: Sam Levy
Schnitt: Nick Houy
Musik: Jon Brion
Darsteller: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Paul Keller, Beanie Feldstein, Lois Smith, Jordan Rodrigues, Lucas Hedges, Timothée Chalamet

USA 94 min
Kinostart: 19. April 2018











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