Christine „Lady Bird“ McPherson (Saoirse
Ronan) ist 17 und durchlebt im Jahr 2002 im kalifornischen Sacramento ihr
letztes Jahr an der Highschool. Ihre Familie gehört zur unteren Mittelschicht,
ihr Alltag besteht aus schulischen Aktivitäten, Pflegen von alten und Eingehen
von neuen Freundschaften, Pläneschmieden, an welches College es für sie gehen
soll, wobei die finanzielle Situation der Familie nicht viel Spielraum lässt,
und dem langsamen Herantasten an das Leben, das – hoffentlich – auf sie wartet.
Dazu gehört eine gehörige Portion Rebellion gegen alles und jeden und erste
praktische Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die über bloße Verliebtheit
hinausgehen, kurzum, es geht um das ganze Programm eines Teenagers, der dabei
ist, sich von seinem engen, in den eigenen Augen spießigen, Zuhause zu lösen.
Mit ihrer Mutter Marion (Laurie Metcalf)
befindet sich Lady Bird im Dauerclinch, beide umkreisen einander, ziehen sich
gegenseitig an, um sich im nächsten Augenblick umso heftiger wieder voneinander
abzustoßen. Der Vater (Tracy Letts) steht etwas hilflos dazwischen und
versucht, zu vermitteln, der Bruder (Jordan Rodrigues) hat seine ersten
Schritte hinaus eigentlich schon gemacht, aber an ihm sieht Lady Bird, dass der
Weg in die Welt doch nicht so ganz einfach ist.
Auf ihrer Suche verleugnet Lady Bird ihre
Herkunft, zunächst ihr Elternhaus, später auch ihre Heimatstadt, sie lehnt
ihren Namen Christine ab, und macht es sich und allen um sie herum nicht
einfach. Es ist ein langer Weg, zu sich selbst zu finden und sich zu den
eigenen Wurzeln zu bekennen, und das ist wohl, was es bedeutet: erwachsen
werden.
Die Regisseurin Greta Gerwig wuchs selbst in
Sacramento auf, ihr Film ist nach eigenen Worten eine Liebeserklärung an diese
Stadt, wobei sich diese Liebe erst in der Rückschau entwickelt hat. Erst
nachdem man aufbricht, um die Welt zu erkunden, bekommt der Ort der Kindheit,
der eng und klein erschien, die richtige Dimension und Wichtigkeit. Gerwig
versucht, diesem Lebensgefühl der rebellischen frühen Jahre nachzuspüren, ohne
ihre Protagonistin in eine wirklich extreme Richtung abdriften zu lassen und
das macht den Charme aber auch ein wenig die Schwäche des Films aus. Man schaut
Lady Bird und ihrem Umfeld eine Zeitlang bei ihrem Leben zu, für die
Beteiligten ein wichtiger Meilenstein, für den Betrachter eine Momentaufnahme
ohne großen Höhepunkt. Themen wie Religion und Homosexualität werden nur am
Rande gestreift, eine Auseinandersetzung damit ist nicht das Thema und findet
daher auch nicht statt.
Allein die Streitigkeiten zwischen Mutter
und Tochter geben dem Film die eigentliche Tiefe und machen ihn unterhaltsam
und sehenswert. Für Gerwig ist Streit „eine dysfunktionale Form des Menschen,
Intimität zum Ausdruck zu bringen, denn richtig streiten kann man ja nur mit
Leuten, die man gut kennt“, und ihre beiden herausragenden Darstellerinnen
bringen diese Kämpfe mit Wucht auf die Leinwand: Saoirse Ronan, die den Trotz
und die Aufmüpfigkeit ihrer Figur spürbar macht und Laurie Metcalf als Mutter, die
ihre heranwachsende Tochter eigentlich besser als jeder andere verstehen
müsste, aber aufgrund ihrer eigenen, immer noch vorhandenen Dickköpfigkeit,
auch nicht über ihren Schatten springen kann.
Der Film hatte seine Weltpremiere beim
Telluride Film Festival und stößt seither weltweit auf positive Resonanz. Er
erhielt fünf Oscar-Nominierungen (Beste Regie, Bester Film, Bestes
Originaldrehbuch, Beste Haupt- und Beste Nebendarstellerin), Saoirse Ronan
wurde mit einem Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin und das Werk als
Bester Film – Komödie/ Musical ausgezeichnet.
Die Evangelische Filmjury wählte „Lady Bird“
kürzlich zum Film des Monats, mit der Begründung, es sei „ ein Film über
emotionale, spirituelle und geographische Heimat, die man erst als solche
begreift, wenn man sie verlassen hat“.
Regie: Greta Gerwig
Drehbuch: Greta Gerwig
Kamera: Sam Levy
Schnitt: Nick Houy
Musik: Jon Brion
Darsteller: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Paul
Keller, Beanie Feldstein, Lois Smith, Jordan Rodrigues, Lucas Hedges, Timothée
Chalamet
USA 94 min
Kinostart: 19. April 2018
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