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Dienstag, 29. Mai 2018

Film-Rezensionen: Hostiles (Feinde)


„Die amerikanische Seele ist in ihrer Essenz hart, isoliert, stoisch und mörderisch. Sie ist bisher noch niemals aufgetaut.“

Wenn einem Film dieses Zitat von D.H. Lawrence vorangestellt wird, ahnt man: es wird hart. Wir werden zurückgeführt in das Jahr 1892, der Wilde Westen ist beinahe gezähmt, die Büffel sind ausgerottet und die Indianer in Reservate oder andere Gefängnisse gesperrt. Aber es sind auf allen Seiten Wunden geschlagen worden, die noch lange nicht verheilt sind.



In Ford Berringer, einem Gefängnis-Vorposten in New Mexico, erhält der verdiente Kriegsheld Captain Joseph Blocker (Christian Bale) kurz vor dem Ende seiner Militärkarriere einen letzten Auftrag: Er soll den aus dem Gefängnis entlassenen, unheilbar an Krebs erkrankten Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und dessen Familie in ihre Heimat nach Montana geleiten. Für den stoischen Soldaten Blocker eine Provokation, schließlich haben er und Yellow Hawk sich lange, zähe und blutige Kämpfe geliefert. Der den Indianern nachgesagten Grausamkeit hat sich auch Blocker bedient, wie man mehrfach aus Andeutungen erfährt, bis sie sich gegen Ende des Films in einer archaisch anmutenden Szene tatsächlich offenbart.

Blocker stellt einen Trupp zusammen und bricht widerwillig auf, seine Pflicht wird er aber auch in diesem Kommando erfüllen, denn bei Verweigerung steht seine Pension auf dem Spiel. Unterwegs nimmt die Gruppe die schwer traumatisierte Siedlerin Rosalie Quaid (Rosamund Pike) auf, die einzige Überlebende eines blutigen Komantschenüberfalls, bei der sie ihren Mann und ihre Kinder verloren hat. Nach dem Besuch einer Garnisonstadt werden noch der gefangene Soldat Charles Wills (Ben Foster) und dessen Bewacher übernommen. Der Treck ist lang und beschwerlich, es gibt Überfälle von außen, aber auch Spannungen innerhalb der Gruppe, nicht nur zwischen Blocker und Yellow Hawk, sondern auch zwischen Blocker und Wills, die sich aus früheren Zeiten kennen. Am Ende werden nicht alle, die aufgebrochen sind, ihr Ziel erreichen.

Western sind eine aussterbende Film-Gattung, dabei scheinen sich gerade zur Zeit überall auf der Welt die Cowboys zu tummeln. Hier wird in gewaltigen und gewaltsamen Bildern eine Zeit heraufbeschworen, in der Männer noch Männer und Frauen ihrem Schicksal mehr oder weniger hilflos ausgeliefert waren. Kriegführen war trotz vorhandener Feuerwaffen noch echtes Handwerk und kein Computerspiel, wobei die Einen um die Vorherrschaft und die Anderen um ihre Existenz kämpften. Der Film macht das Selbstverständnis noch einmal deutlich, mit dem die weißen Besatzer sich das weite, wilde Land untertan machten, während ganz leise jetzt, wo alles schon zu spät ist, der Zweifel anklingt, ob das alles so richtig war. Der Wildheit der Natur haben nur die Stärksten etwas entgegenzusetzen, aber langsam und unaufhaltsam frisst sich die sogenannte Zivilisation hinein in die scheinbar endlosen Weiten der Prärie, bis nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Erst wenn es nichts mehr zu erobern gibt, werden die Krieger vielleicht eines Tages ihr grausames und blutiges Geschäft einstellen, im Moment sieht es allerdings noch nicht danach aus. Die Szenarien mögen sich verändert haben, die Menschen haben es nicht und der Satz von D.H. Lawrence lässt sich mühelos von der amerikanische Seele auf alle artverwandten in der ganzen Welt übertragen.

Die kraftvolle Bebilderung und die ebensolche Darstellung einiger Akteure macht den Film trotz seiner Länge von 134 Minuten auf jeden Fall sehenswert, auch wenn manche Szenen ob ihrer rohen, mitleidlosen Gewalt schwer zu ertragen sind. Wes Studi ist der gebrochene aber stolze Yellow Hawk, letzter Kämpfer einer gequälten, untergegangenen Nation, Rosamund Pike liefert in ihrem Porträt der geschundenen Rosalie einmal mehr eine herausragende Leistung.

Christian Bale, mit schwerem Schnäuzer bewehrt, spielt den schweigsamen, stoischen Captain, sein Blick verrät selten eine Gemütsregung, und hätte es nicht die allerletzte Szene des Films gegeben, müsste man ihn als hoffnungslosen seelischen Krüppel abschreiben. Aber in dieser einen Szene offenbart er, dass in ihm doch noch etwas lebt. Leider haben er und all die anderen Krieger bis zu solch einem Moment schon so viel Schmerz und Leid verursacht, dass es schwerfällt, ihnen die Absolution zu erteilen, und es sieht auch gut 120 Jahre später immer noch nicht danach aus, als würden diese Männer in absehbarer Zukunft aussterben, es wird weiter gekämpft und gelitten, von Männern, die glauben, sie wüssten, was sie tun. 


Regie: Scott Cooper 
Drehbuch: Scott Cooper
Kamera: Masanobu Takayanagi
Kostümdesign: Jenny Eagan
 
Darsteller:
Captain Joseph Blocker – Christian Bale
Rosalie Quaid – Rosamund Pike
Häuptling Yellow Hawk – Wes Studi
Black Hawk – Adam Beach
Sgt. Charles Wills – Ben Foster
Corp. Henry Woodsen – Jonathan Majors
Rory Cochrane, Jesse Piemons, Timothée Chalamet

Universum Film/ Central Film
USA 134 min.
Kinostart: 31. Mai 2018

Montag, 28. Mai 2018

Film-Rezensionen: Letztendlich sind wir dem Universum egal (Every Day)


Der Film ist ein weiterer in der Reihe von Geschichten um das Erwachsenwerden und beruht auf dem Jugendroman von David Levithan, der hierfür 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis (Kategorie Jugendjury) gewonnen hat.

Die sechzehnjährige Rihannon schlägt sich mit den gewohnten Problemen um Liebe, Gefühle, Unsicherheit und Freundschaften herum. Ungewöhnlich diesmal ist, dass sie eines Tages einer wandernden Seele mit Namen „A“ begegnet. „A“ wacht jeden Morgen in dem Körper eines anderen gleichaltrigen Jungen oder Mädchens auf und lebt für diesen einen Tag jeweils ein fremdes Leben. Als „A" im Körper von Rihannons Freund Justin erwacht, erlebt Rihannon einen der schönsten Tage ihres jungen Lebens, denn Justin ist plötzlich nicht mehr der übliche gedankenlose Klotz, sondern einfühlsam und liebevoll. Auch für „A“ ist diese Begegnung etwas ganz Besonderes, denn zum ersten Mal hat sie/ er das Bedürfnis, eine Verbindung, die so zufällig wie alle zuvor entstanden ist, aufrecht zu erhalten. Dies erweist sich als schwierig, denn Rihannon muss zunächst einmal die Existenz von „A“ verstehen und akzeptieren, und außerdem herausfinden, in welcher Gestalt sich „A“ ihr wieder zeigen wird. Hieraus entsteht manch überraschende und komische Situation, aber vor allem entwickelt sich eine schöne und zarte Liebesgeschichte, bei der Rihannon erkennt, warum Justin, den sie so angehimmelt hat, nie der Richtige war und wie man eine wirklich verwandte Seele erkennt.






Der Film widmet sich der Geschichte einer Teenager-Liebe behutsam und mit einer Leichtigkeit, die den Zuschauer berührt, dabei wird im Gegensatz zu der Buchvorlage aus Rihannons Perspektive und nicht der wandernden Seele „A“ erzählt, eine nachvollziehbare Änderung, schließlich bleibt „A“ die ganze Zeit unsichtbar. Durch die außergewöhnliche Figur der wandernden Seele bietet der Film einen erfrischenden neuen Ansatz für ein altes Thema und auch die jugendlichen Schauspieler liefern eine frische Darstellung ab, von ihnen ist sicher noch einiges zu erwarten.

In der Rolle der Rhiannon überzeugt die junge Australierin Angourie Rice („Spider-Man: Homecoming“, „The Nice Guys“), sie stand unter anderem bereits neben Nicole Kidman, Kirsten Dunst und Colin Farrell in „Die Verführten“ („The Beguiled“) für Sophia Coppola vor der Kamera. Die Rolle von „A“ wird von verschiedenen Jungstars verkörpert, so von Justice Smith (Margos Spuren), der in diesem Sommer in „Jurassic World: Das gefallene Königreich“ zu sehen sein wird, Owen Teague, der in der Netflix-Serie „Bloodline“ und in der Stephen-King-Neuverfilmung „Es“ zu sehen war, sowie Colin Ford („Wir kaufen einen Zoo“), der zur Zeit für „Captain Marvel“ vor der Kamera steht.  



Regie: Michael Sucsy
Drehbuch: Jesse Andrews b/a Romanvorlage von David Levithan
Kamera: Marina Brackenbury

Darsteller:
Rihannon – Angourie Rice
Justin – Justice Smith
Alexander – Owen Teague
Xavier – Colin Ford
Lindsey – Maria Bello
Jolene – Debby Ryan
Nathan – Lucas Jade Zumann

Splendid Film
USA 98 min.
Kinostart: 31. Mai 2018

Dienstag, 22. Mai 2018

Film-Rezensionen: Solo - A Star Wars Story


Die Saga geht weiter…
Irgendwann in einer nicht so weit entfernten Galaxis sollte jedes Jahr zu Weihnachten ein neuer Star Wars Film in die Kinos kommen, bis alle Kinder glauben, dass dies dazu gehört, wie der Weihnachtsmann von Coca Cola. Nun erscheint schon Mitte des Jahres der nächste Ableger, um den es im Vorfeld einigen Wirbel gab, nachdem während der bereits laufenden Dreharbeiten die beiden ursprünglichen Regisseure Phil Lord und Chris Miller von Disney und Lucasfilm durch den Routinier Ron Howard ersetzt wurden. Dieser Film setzt nicht die dritte Trilogie fort, sondern liefert die Vorgeschichte des beliebten Helden Han Solo, ist also zeitlich zwischen den Teilen III und IV angesiedelt.
Der Film bietet wie immer beeindruckende Bilder aus einer galaktischen Zukunft, taucht aber auch einige Male in erstaunlich fern zurückliegende Sphären der Vergangenheit ab. Han (Alden Ehrenreich) stammt vom Planeten Corellia, einem düsteren Ort, wie ihn Charles Dickens nicht besser hätte entwerfen können. Er schuftet dort, noch ohne Nachnamen, mit Freundin Qi’ra (Emilia Clarke) und hat den einen Plan: entkommen und der beste Pilot der Galaxis werden. Die Flucht – eine astreine konventionelle Autoverfolgungsjagd mit unkonventionellen Fahrzeugen – gelingt nur ihm allein, und das mit der Pilotenschule wird nichts, weil er zu aufmüpfig ist. Stattdessen landet er in den Schützengräben eines Krieges, verschlammt und verdammt, mit Bildern, wie man sie aus dem ersten Weltkrieg kennt, wo er auf ein Verbrecherpärchen trifft: Beckett (Woody Harrelson) und Val (Thandie Newton). Mit ihnen tut er sich zusammen und es folgen eine Reihe von Abenteuern, bei denen ein James-Bond-artiger Bösewicht (Paul Bettany), Hans ehemalige Freundin Qi’ra, undurchsichtig und unnahbar, sowie der äußerst wertvolle Treibstoff Coaxium eine die Handlung vorantreibende Rolle spielen. Zwischendurch wird man gefühlt in einen Western zurückversetzt, als ein – allerdings futuristischer - Zug in einer durchaus atemberaubenden Sequenz überfallen wird, es gibt Pokerrunden wie einst im Saloon und Han bringt sich in Pistolero-Manier in Stellung – die Mythen der Vergangenheit funktionieren in der Zukunft halt immer noch.

Letztlich ist in diesem Film alles darauf angelegt, die fehlenden Puzzleteile aus Han Solos Vergangenheit einzufügen. Wir erfahren, wie er zu seinem Nachnamen kommt, wie er sein Schiff, den Millenium Falcon, dem Glücksritter Lando Calrissian (Donald Glover) abluchst, er macht den Kessel Run, kurzum, er zeigt, wie er wurde, was ihn ab dem vierten Teil der Saga zu einem der beliebtesten Charaktere gemacht hat. Vor allem aber werden wir Zeuge, wie die Freundschaft zwischen Han und seinem treuen Kumpel, dem Wookiee Chewbacca (Joonas Suotamo) begann, für Chewbacca-Fans ein echtes Highlight, denn der haarige Wookiee ist einer der Sympathieträger des Films.

Alden Ehrenreich tritt ein zugegebenermaßen schweres Erbe an, an ihm werden sich die Geister sicher scheiden. Für meinen Geschmack nimmt er sich und seine Rolle eine Spur zu ernst, ihm fehlt die Leichtigkeit, das Augenzwinkern, das Harrison Ford der Figur des Solo gegeben hat, aber auch er teilt wahrscheinlich nur das Schicksal der kommenden Schauspielergenerationen, die lediglich als Statthalter für eine bestimmte Zeit dienen, während die Charaktere, die sie darstellen auf ewig weiter leben. Die neu eingeführten Charaktere, vor allem Landos Droide L3-37 (Phoebe Waller-Bridge) geben einen frischen und originellen Einstand, sterben aber leider allzu schnell einen (heroischen) Tod.

Am Ende ist der Film kein wegweisendes Meisterwerk der Filmgeschichte geworden, aber er ist durchweg unterhaltsam, mit gewohnter technischer Präzision und mitreißenden Bildern, das Star Wars-Gefühl kommt auf jeden Fall auf. Vorsicht ist allerdings geboten, sollte aus diesem Spin-Off eine weitere Reihe kreiert werden, vielleicht ist sogar die Bereitschaft der Star Wars Gemeinde dabei mitzugehen irgendwann erschöpft, wenn eine Geschichte auch einmal auserzählt ist. 

Copyright Fotos: 2017 Lucasfilm Ltd. & ™, All Rights Reserved.




Regie: Ron Howard 
Drehbuch: Jonathan & Lawrence Kasdan b/a George Lucas  
Kamera: Bradford Young
Schnitt: Pietro Scalia 
Musik: John Powell  
Darsteller:
Han Solo – Alden Ehrenreich 
Chewbacca – Joonas Suotamo 
Beckett – Woody Harrelson
Qi'ra - Emilia Clarke 
Lando Calrissian – Donald Glover 
Dryden Vos – Paul Bettany
Thandie Newton, Phoebe Waller-Bridge, Linda Hunt (voice), Jon Favreau (voice)

Lucasfilm/ Walt Disney Pictures 
USA 135 min. 
Deutscher Kinostart: 24. Mai 2018
FSK 12

Dienstag, 15. Mai 2018

Meet the Cast from "Isle of Dogs"

Die Hauptdarsteller stellen sich vor:


Filmrezensionen: Deadpool 2

Er ist wieder da! Für alle, die Deadpool von 2016 mochten eine Supernachricht, für alle, die ihn nicht mochten, die Gelegenheit, sich einen anderen Film anzuschauen.

Deadpool-Freunde kommen auf ihre Kosten, dieser Film setzt die eingeschlagene Richtung fort und liefert reihenweise infantile, geschmacklose und oft brüllend komische Gags (gilt, wie gesagt, für Freunde des rotgewandeten, plappernden Berserkers, die anderen sitzen ja im Kino nebenan). Action und Sprache sind wieder alles andere als weichgespült, viele bekannte Elemente werden aufgegriffen, wirken dennoch immer noch erstaunlich frisch, weil der Film nichts und niemanden ernst zu nehmen scheint, am allerwenigsten sich selbst. Man könnte sich die Frage stellen, ob das subversive Durch-den-Kakao-Ziehen von allem, was dem geneigten Zuschauer heilig ist, seien es Superhelden- oder Actionfilme, das Filmemachen an sich und was dort so zum Geschäft gehört, und vor allem natürlich die lieben Mutantenkollegen aus dem X-Men-Franchise, noch subversiv ist, wenn man selbst Teil des Business ist – man kann es aber auch lassen und sich einfach auf den Film konzentrieren, um keinen der Gags und Seitenhiebe in alle Richtungen zu verpassen. Wir begegnen vertrauten Figuren wieder – Taxichauffeur Dopinder, Blind Al, Weasel, Colossus und Vanessa (Morena Baccarin) – und lernen ein paar neue Charaktere kennen, während Deadpool davon fantasiert, nach einem Liebesfilm nun einen Familienfilm zu präsentieren. Auch in diesem Film durchbricht er immer wieder die vierte Wand, um sich direkt an das Publikum zu wenden – er kann einfach nie die Klappe halten.

Die Handlung ist schnell erzählt: Deadpool (Ryan Reynolds) versucht sich als X-Men-Azubi, und vermasselt es.

Etwas ausführlicher: Deadpool, der gerade einen weiteren harten Schicksalsschlag erlitten hat, soll den jungen, von Aggressionsschüben heimgesuchten feuerschleudernden Mutanten Russell (Julian Dennison) ruhigstellen, während Cable (Josh Brolin), ein Kämpfer aus der Zukunft (Terminator lässt grüßen…) den Jungen zu eliminieren versucht, bevor dieser als Erwachsener Cables Familie töten kann. Deadpool, der krebskranke infantile Zyniker, hat, wie man bereits weiß, seine weiche Seite, nimmt sich des Jungen an und stellt ein Team im Kampf gegen Cable zusammen. Das Team scheitert kläglich, dann bekommt Russell plötzlich Hilfe von unerwarteter Seite, die Kampflinien verschieben sich, Deadpool und Cable müssen sich zusammenraufen und tragen einen epischen Kampf um die Seele des Jungen aus. Nee, keine Angst, so schwülstig wird es natürlich nicht, die Deadpool-Linie wird gehalten, schrill, laut, heftig und mit so viel Augenzwinkern, dass es schmerzt.
Es gibt aber auch durchaus ernste Untertöne, Werte wie Liebe, Freundschaft und vor allem Familie werden hochgehalten, und das ist dann ausnahmsweise mal kein Witz. Am Ende bekommt Deadpool dann die Möglichkeit, einmal das Raum-Zeit-Kontinuum durcheinander zu bringen, und er nutzt diese Gelegenheit zu einem schrägen Rundumschlag gegen einige – vor allem auch eigene – Fehltritte der Vergangenheit.

Der ständige Bruch mit allen erwartbaren Konventionen, die für ein Werk dieses Genres gelten, die Selbstreferenzialität und die Seitenhiebe gegen politische Korrektheit, Sexismus oder Rassismus, machen den Film zu einem Spaß – nicht gerade für Groß und Klein, aber für alle, die im ganzen Superheldenüberfluss einen frischen Ansatz suchen. Und noch einmal: wer mit diesem Genre absolut nix am Hut hat, geht nicht in diesen Film, nur um sich hinterher darüber zu entrüsten! Ob die Reihe einen dritten Film verträgt, sei dahingestellt, für dieses Mal funktioniert das Konzept jedenfalls noch.


 
















Regie: David Leitch 
Drehbuch: Rhett Resse, 
Paul Wernick, Ryan Reynolds, 
b/a den Marvel Comics 
Kamera: Jonathan Sela
Musik: Tyler Bates 
Produktion: u.a. Simon Kinberg, Lauren Schuler Donner, Stan Lee, Jonathon Komack Martin, Ryan Reynolds


Darsteller:
Wade/ Deadpool: Ryan Reynolds 
Nathan Summers/ Cable: Josh Brolin 
Vanessa: Morena Baccarin
Russell: Julian Dennison 
Domino: Zazie Beetz 
Negasonic Teemage Warhead: Brianna Hildebrand
Weasel: T.J. Miller 
Dopinder: Karan Soni 
Bill Sarsgard, Eddie Marsan, Leslie Uggams, Stefan Capicic, Terry Crews,

USA 159 min. 
FSK 16 
Kinostart: 17. Mai 2018






Mittwoch, 2. Mai 2018

Film-Rezensionen: Isle of Dogs - Ataris Reise



In der (fiktiven) japanischen Stadt Megasaki hat die Hundepopulation explosionsartig zugenommen. Hinzu kommt, dass die unter Hunden grassierende Hundegrippe und das Schnauzenfieber auf Menschen überzugreifen drohen, Grund genug für Bürgermeister Kobayashi, Maßnahmen zu ergreifen. Ab sofort werden alle Hunde zu unerwünschten Kreaturen erklärt und, egal ob Heimtier oder Streuner, auf eine Insel weit außerhalb verfrachtet: Trash Island wird zur Exilkolonie für den einstmals besten Freund des Menschen.

Trash Island ist das, was der Name impliziert, eine Mülldeponie, und hier müssen alle Hunde sehen, wie sie zurecht kommen, während Katzen ihre Stellung flächendeckend bei den Menschen einnehmen, gefördert durch den Kobayashi-Clan.


Eines Tages legt eine Miniatur-Junior-Turboprop auf Trash Island eine Bruchlandung hin, an Bord der zwölfjährige Atari auf der Suche nach seinem Hund Spots. Er trifft auf eine Gruppe von Hunden, die sich mehr schlecht als recht auf der Insel durchschlagen. Hin und wieder träumen Rex, Boss, King und Duke noch von ihrem alten Leben, und versuchen, sich ein Stück ihrer Würde zu bewahren, während Chief, ein ehemaliger Streuner, auch früher keine Annehmlichkeiten kannte, und daher den richtigen „Biss“ hat, um auf der Insel zu überleben. Alle fünf kennen Ataris Hund Spots zwar nicht, Hunde und Mensch sprechen auch nicht dieselbe Sprache, dennoch verstehen sie, weshalb Atari auf ihre Insel gekommen ist und sind sofort bereit, ihm bei seiner Mission zu helfen.


Atari ist der elternlose Ziehsohn von Bürgermeister Kobayashi und Spots war sein Bodyguard-Hund, aber auch diese Stellung konnte ihn nicht davor schützen, nach Trash Island deportiert zu werden. Auf ihrer Suche erleben Atari und seine Hundekumpel eine Reihe von aufregenden Abenteuern, es gibt Begegnungen mit weiteren Hunden, wie der Show-Hündin Nutmeg, dem weisen Jupiter und seinem Berater namens Oracle, und nach und nach kommt man dem Verbleib von Spots auf die Spur. Währenddessen sorgt eine Austauschschülerin namens Tracy in Megasaki und im ganzen Land für zivilen Ungehorsam. Sie setzt sich für die verbannten Hunde ein und zusammen mit einer Schar aufgewiegelter Mitstreiter deckt sie ein unerhörtes Komplott auf, mit Bürgermeister Kobayashi an dessen Spitze, und es wird der wahre Grund für den plötzlich ausgerufenen Hundehass enthüllt.

Wes Anderson hat einen zauberhaften Film geschaffen, seine durch die Stop-Motion-Technik animierten Figuren leben und jeder einzelne Hund wird zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit. Die auftretenden Menschen haben eine eher holzschnittartige Textur, dennoch sind auch sie aufwändig und liebevoll in Szene gesetzt, so hat Tracy zum Beispiel 320 Sommersprossen, von denen jede zu wandern beginnt, wenn sie lächelt.

Schauplatz der Story ist ein von Anderson eigenwillig interpretiertes Japan, hierbei hat er sich nach eigener Aussage sowohl von der japanischen Comic- und Popkultur als auch von den Großmeistern des japanischen Kinos, allen voran Akira Kurosawa inspirieren lassen. Er hat sich dafür entschieden, seine Geschichte bilingual zu erzählen, d.h. alle japanischen Charaktere sprechen Japanisch, die englischsprachige Tracy sorgt vielfach für eine Übersetzung, während das Gebell der Hunde in der Originalfassung automatisch auf Englisch erfolgt – angesichts der imposanten Riege von Synchronsprechern eigentlich ein Muss, sich den Film in eben dieser Originalfassung anzuschauen. Wie im echten Leben sprechen Atari und die Hunde also keineswegs dieselbe Sprache, verstehen sich aber über die universale Verbindung, die es seit Urzeiten zwischen Mensch und Hund gibt.

Die Geschichte kann man als Allegorie sehen, ein Gleichnis über die Ausgrenzung von Mitbewohnern, mit denen man zuvor in Eintracht und Harmonie gelebt hat, das Aussondern, Abschieben und Einsperren einer in Ungnade gefallenen Gruppe – muss man aber nicht. Vielleicht ist es auch nur eine Geschichte über einen kleinen Jungen und die Liebe zu seinem Hund, die durch nichts zu erschüttern ist.

„Isle of Dogs“ war der vielbeachtete Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale und wird bei seinem Kinostart viele Hundefreunde - aber hoffentlich nicht nur die - begeistern.




Regie: Wes Anderson 
Drehbuch: Wes Anderson b/a story von Wes Anderson, Roman Coppola, Jason Schwartzman, Kunichi Nomura
Leiter Animation: Mark Waring
Leiter Puppenabteilung: Tim Ledbury
Musik: Alexandre Desplat
Stimmen im Original von: Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Scarlett Johansson, Bob Balaban, Bill Murray, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, F. Murray Abraham, Tilda Swinton, Yoko Ono, Kunichi Nomura, Greta Gerwig, Frances McDormand, Akira Ito, Liev Schreiber, Ken Watanabe

Fox Searchlight/Indian Paitbrush
100 min.
Kinostart: 10. Mai 2018