Blog-Archiv

Mittwoch, 2. Mai 2018

Film-Rezensionen: Isle of Dogs - Ataris Reise



In der (fiktiven) japanischen Stadt Megasaki hat die Hundepopulation explosionsartig zugenommen. Hinzu kommt, dass die unter Hunden grassierende Hundegrippe und das Schnauzenfieber auf Menschen überzugreifen drohen, Grund genug für Bürgermeister Kobayashi, Maßnahmen zu ergreifen. Ab sofort werden alle Hunde zu unerwünschten Kreaturen erklärt und, egal ob Heimtier oder Streuner, auf eine Insel weit außerhalb verfrachtet: Trash Island wird zur Exilkolonie für den einstmals besten Freund des Menschen.

Trash Island ist das, was der Name impliziert, eine Mülldeponie, und hier müssen alle Hunde sehen, wie sie zurecht kommen, während Katzen ihre Stellung flächendeckend bei den Menschen einnehmen, gefördert durch den Kobayashi-Clan.


Eines Tages legt eine Miniatur-Junior-Turboprop auf Trash Island eine Bruchlandung hin, an Bord der zwölfjährige Atari auf der Suche nach seinem Hund Spots. Er trifft auf eine Gruppe von Hunden, die sich mehr schlecht als recht auf der Insel durchschlagen. Hin und wieder träumen Rex, Boss, King und Duke noch von ihrem alten Leben, und versuchen, sich ein Stück ihrer Würde zu bewahren, während Chief, ein ehemaliger Streuner, auch früher keine Annehmlichkeiten kannte, und daher den richtigen „Biss“ hat, um auf der Insel zu überleben. Alle fünf kennen Ataris Hund Spots zwar nicht, Hunde und Mensch sprechen auch nicht dieselbe Sprache, dennoch verstehen sie, weshalb Atari auf ihre Insel gekommen ist und sind sofort bereit, ihm bei seiner Mission zu helfen.


Atari ist der elternlose Ziehsohn von Bürgermeister Kobayashi und Spots war sein Bodyguard-Hund, aber auch diese Stellung konnte ihn nicht davor schützen, nach Trash Island deportiert zu werden. Auf ihrer Suche erleben Atari und seine Hundekumpel eine Reihe von aufregenden Abenteuern, es gibt Begegnungen mit weiteren Hunden, wie der Show-Hündin Nutmeg, dem weisen Jupiter und seinem Berater namens Oracle, und nach und nach kommt man dem Verbleib von Spots auf die Spur. Währenddessen sorgt eine Austauschschülerin namens Tracy in Megasaki und im ganzen Land für zivilen Ungehorsam. Sie setzt sich für die verbannten Hunde ein und zusammen mit einer Schar aufgewiegelter Mitstreiter deckt sie ein unerhörtes Komplott auf, mit Bürgermeister Kobayashi an dessen Spitze, und es wird der wahre Grund für den plötzlich ausgerufenen Hundehass enthüllt.

Wes Anderson hat einen zauberhaften Film geschaffen, seine durch die Stop-Motion-Technik animierten Figuren leben und jeder einzelne Hund wird zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit. Die auftretenden Menschen haben eine eher holzschnittartige Textur, dennoch sind auch sie aufwändig und liebevoll in Szene gesetzt, so hat Tracy zum Beispiel 320 Sommersprossen, von denen jede zu wandern beginnt, wenn sie lächelt.

Schauplatz der Story ist ein von Anderson eigenwillig interpretiertes Japan, hierbei hat er sich nach eigener Aussage sowohl von der japanischen Comic- und Popkultur als auch von den Großmeistern des japanischen Kinos, allen voran Akira Kurosawa inspirieren lassen. Er hat sich dafür entschieden, seine Geschichte bilingual zu erzählen, d.h. alle japanischen Charaktere sprechen Japanisch, die englischsprachige Tracy sorgt vielfach für eine Übersetzung, während das Gebell der Hunde in der Originalfassung automatisch auf Englisch erfolgt – angesichts der imposanten Riege von Synchronsprechern eigentlich ein Muss, sich den Film in eben dieser Originalfassung anzuschauen. Wie im echten Leben sprechen Atari und die Hunde also keineswegs dieselbe Sprache, verstehen sich aber über die universale Verbindung, die es seit Urzeiten zwischen Mensch und Hund gibt.

Die Geschichte kann man als Allegorie sehen, ein Gleichnis über die Ausgrenzung von Mitbewohnern, mit denen man zuvor in Eintracht und Harmonie gelebt hat, das Aussondern, Abschieben und Einsperren einer in Ungnade gefallenen Gruppe – muss man aber nicht. Vielleicht ist es auch nur eine Geschichte über einen kleinen Jungen und die Liebe zu seinem Hund, die durch nichts zu erschüttern ist.

„Isle of Dogs“ war der vielbeachtete Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale und wird bei seinem Kinostart viele Hundefreunde - aber hoffentlich nicht nur die - begeistern.




Regie: Wes Anderson 
Drehbuch: Wes Anderson b/a story von Wes Anderson, Roman Coppola, Jason Schwartzman, Kunichi Nomura
Leiter Animation: Mark Waring
Leiter Puppenabteilung: Tim Ledbury
Musik: Alexandre Desplat
Stimmen im Original von: Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Scarlett Johansson, Bob Balaban, Bill Murray, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, F. Murray Abraham, Tilda Swinton, Yoko Ono, Kunichi Nomura, Greta Gerwig, Frances McDormand, Akira Ito, Liev Schreiber, Ken Watanabe

Fox Searchlight/Indian Paitbrush
100 min.
Kinostart: 10. Mai 2018





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen