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Mittwoch, 29. November 2023

Im Kino: Saw X

John Kramer (Tobin Bell) hat Krebs und folgt einer Einladung an einen geheimen Ort in Mexiko, wo ein ausgewähltes Team von Koryphäen eine neue Therapie anbietet, die ihn alsbald heilen wird. Oder etwa doch nicht?

Of all the men to cheat, you picked John Kramer? Wer das Saw-Franchise kennt, weiß, dass es eine total schlechte Idee ist, ausgerechnet diesen Mann mit einem fiesen Betrug hereinlegen zu wollen, denn er wird dann bald seine berüchtigte Frage stellen: Möchtest du ein Spiel spielen?

Der zehnte Teil der Reihe führt zurück in die Zeit zwischen Teil I und II und gibt Aufschluss über Kramers Vergangenheit, die bisher noch nicht genau beleuchtet wurde. Ansonsten bleibt alles beim Alten, wenn der Film sich dem widmet, was anscheinend von den Fans so geliebt wird, nämlich dem Foltern von Personen, die zuvor in eine Lage gebracht wurden, aus der sie nur unter grausamen Schmerzen und durch Selbstverstümmelungen wieder herauskommen. Das mag man unterhaltsam finden oder auch nicht, das Perfide ist aber noch perfider, wenn selbst die Lösung der gestellten Aufgabe am Ende keine echte Chance aufs Überleben bietet, weil sie in der vorgegebenen Zeit gar nicht zu schaffen ist, pfui, John Kramer, das ist kein faires Spiel!

Wer sich an dieser Art Horror delektieren kann, findet am aktuellen Film wahrscheinlich Gefallen, denn die Effekte sind drastisch, blutig und lassen diesbezüglich kaum Wünsche oder Fragen offen, außer vielleicht der einen: wieso darf die Oberschurkin am Ende noch in die Kamera schauen, hat Kramer sie sich für ein finales Spiel (und damit einen Folgefilm) aufgespart, in dem es dann wieder heißen wird: It’s time to play a game!

 


 Regie: Kevin Greutert

Drehbuch: Pete Goldfinger, Josh Stolberg

Kamera: Nick Matthews

Schnitt: Kevin Greutert

Musik: Charlie Clouser

 

Besetzung:

Tobin Bell, Shawnee Smith, Cecilia Pederson, Parker Sears, Renata Vaca, Joshua Okamoto, Octavio Hinojosa, Paulette Hernandez

 

StudioCanal Germany/ Lionsgate

2023

118 min.

FSK 18

Deutscher Kinostart: 30. November 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=PcZgS9UIP40 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=t3PzUo4P21c (Englisch)

Mittwoch, 22. November 2023

Im Kino: Napoleon

Aufstieg und Fall des französischen Generals, Konsuls und Kaisers Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix), der am Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts halb Europa beherrscht, sein Land in viele Kriege mit mörderischen Schlachten führt und dabei seiner Frau Josephine (Vanessa Kirby) sentimentale Liebesbriefe schreibt…

Es wird nicht ganz klar, was Ridley Scott uns mit diesem filmischen Epos sagen will. Soll das Bild eines ruchlosen, machthungrigen Usurpators gezeichnet werden, der aus rein militärischem Kalkül Millionen Soldaten in den Tod schickt, oder das eines liebestollen Mannes, der sich nach seiner Frau verzehrt, die er leider die meiste Zeit allein zu Hause zurück lässt, während er sich von Feldlager zu Feldlager quält und von der er sich irgendwann leider scheiden lassen muss, weil sie ihm keinen Sohn und Erben gebären kann?

Die Figur Napoleons wird auf diese beiden Aspekte reduziert, er wird zwar als genialer Militärstratege gezeigt, ansonsten aber als eher tumber Tor, dem es an Manieren und Umgangsformen mangelt. Seine anderen Verdienste, zum Beispiel um die Neugestaltung des Rechts in dem zeitweise nach ihm benannten Code Civil, der auch maßgeblichen Einfluss auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch hatte, sowie seine grundlegenden Verwaltungsreformen in Frankreich, bleiben gänzlich unerwähnt.

Einiges wird nur gestreift, seine Mutter wird kurz gezeigt und man erwartet, dass sich dahinter vielleicht ein Geheimnis seiner Persönlichkeit verbirgt, aber dann spielt sie keine weitere Rolle mehr, sein so sehr herbeigesehnter Sohn wird geboren und verschwindet dann sang und klanglos wieder, es wird nicht klar, ob und welchen Einfluss beide Figuren auf Napoleon hatten. Trotzdem es in der Beziehung zu Josephine permanent menschelt, wird Napoleon als Mensch nicht greifbarer, obwohl gerade das den Film interessant hätte werden lassen, denn Filme über Schlachten gibt es wahrlich schon genug.

Aber gerade auch diese eigentlich beeindruckenden Schlachten bleiben sonderbar blutleer (no pun intended…), obwohl es ein paar Szenen gibt, die die FSK-Freigabe ab 12 fragwürdig erscheinen lassen. Dies gilt sowohl für das Debakel bei Waterloo, das vernebelt und blass nur einen schwachen Eindruck von dem eigentlichen Gemetzel bietet, als auch für den Feldzug gen Moskau, wo es vor allem auf dem Rückzug zu einer der größten militärischen Katastrophen kam, bei der von über 600.000 Soldaten nur etwa 80.000 zurückkehrten. 

Vielleicht liegt das größte Manko aber einfach darin, dass es dem sonst so hochgelobten Joaquin Phoenix nicht gelingt, seiner Figur das Charisma zu verleihen, das dem historischen Napoleon den Aufstieg zur Macht ermöglicht haben muss. Zu keinem Zeitpunkt ist die Begeisterung von Volk und Soldaten nachvollziehbar, die es ihm selbst am Ende, bei seiner hunderttägigen Rückkehr aus der Verbannung von Elba, erlaubte, noch einmal loszuziehen, um sie in die Schlacht bei Waterloo und sich in sein endgültiges Ende führen zu können.  

Statt Napoleons Biographie in der Breite Punkt für Punkt abzuhandeln, wäre es vielleicht interessanter gewesen, einen tieferen Blick auf nur einen Ausschnitt seines Lebens zu werfen, dabei aber genauer auf den Menschen hinter der geschichtlichen Figur zu schauen, über die man schon so viel zu wissen glaubt. In diesem Film erfährt man aber nichts, was über das altbekannte Bild dieses Mannes hinausgeht, so werden am Ende diejenigen auf ihre Kosten kommen, denen die Schauwerte der durchaus beeindruckenden Massenszenen und der oben beschriebenen Schlachten genügen, wer dagegen einen schärferen Blick auf den Menschen Napoleon erwartet, wird leider enttäuscht.

 


 Regie: Ridley Scott

Drehbuch: David Scarpa

Kamera: Dariusz Wolski

Schnitt: Claire Simpson, Sam Restivo

Musik: Martin Phipps

 

Besetzung:

Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, Rupert Everett, Mark Bonnar, Paul Rhys, Ben Miles, Riana Duce, Ludivine Sagnier, Edouard Philipponnat, Miles Jupp, Jannis Niewöhner

 

Sony Pictures Germany

2023

158 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 23. November 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=FEhNFJLl858 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=OAZWXUkrjPc (Englisch)

 

 

 

Im Kino: In voller Blüte (The Great Escaper)

Bernard Jordan (Michael Caine) verlässt heimlich das Seniorenheim, in dem er mit seiner Frau Irene (Glenda Jackson) lebt, um in Frankreich an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie teilzunehmen. Als er zurückkehrt ist er ein Held…

Ein berührender Film nach einer wahren Geschichte, der ohne (Militär)Kitsch vom letzten Abenteuer eines alten Mannes erzählt, welcher trotz seiner Gebrechlichkeit das Wagnis eingeht, auf eigene Faust noch einmal den Ärmelkanal zu überqueren, nachdem er es verpasst hat, sich rechtzeitig für die organisierte Veteranenfahrt anzumelden. Michael Caine gibt dieser Figur in seiner (wahrscheinlich) letzten Rolle eine angemessene Würde, und es erfüllt mit Wehmut, dass die großartige Glenda Jackson kurz nach den Dreharbeiten verstarb.

Es ist schwer, für Außenstehende sich vorzustellen, was den damals jungen Soldaten bei ihrer Landung in Frankreich widerfahren ist, aber dass es schrecklich war, steht außer Frage. Der Film schafft es, die Motivation, sich noch einmal an den Ort des Grauens zu begeben, nachvollziehbar zu machen, einmal noch dorthin, wo allen die Jugend und so vielen auch das Leben geraubt wurde, um endgültig mit dem abschließen zu können, was all die Jahre als dunkler Schatten der Erinnerung das weitere Leben begleitet hat. Besonders berührend ist die Begegnung mit den einstigen Feinden, einer deutschen Veteranen-Gruppe, die nun auch nichts mehr sind als alte Männer, welche für die verbrecherischen Ziele anderer missbraucht wurden, dies scheint nun im Alter erkennbar zu werden, spät, aber vielleicht noch nicht zu spät.

Dass es daneben noch die Geschichte des 90-Jährigen ist, der das Altersheim verlässt (nein, er steigt nicht aus dem Fenster…) und der es aufgrund der Suche nach ihm schließlich auf alle Titelseiten der Zeitungen bringt, nachdem ihn ein Fotograf in Frankreich abgelichtet hat, ist eine nette Nebenhandlung, die dafür sorgt, dass neben dem Drama auch die heitere Note nicht zu kurz kommt, dabei steht beides so ausgewogen nebeneinander, wie es sich für eine gute Tragikomödie gehört, für ein wenig Irritation sorgt hier nur der deutsche Titel, der im Gegensatz zum Originaltitel ein wenig verloren im Raum steht.

Ein leiser, unspektakulärer aber durchaus zu Herzen gehender Film, gegen das Vergessen, aber vor allem gegen das sinnlose Sterben in Kriegen, und ein wehmütiger Abschied von zwei Ikonen der Kinogeschichte: Danke Glenda Jackson und Michael Caine, dieser Film ist ein würdiger Abgang für beide! Aber wer weiß, vielleicht lässt sich Mr. Caine doch noch einmal zu einem „letzten“ Film überreden…

 

 

Regie: Oliver Parker

Drehbuch: William Ivory

Kamera: Christopher Ross

Schnitt: Paul Tothill

Musik: Craig Arstrong

 

Besetzung:

Michael Caine, Glenda Jackson, John Standing, Wolf Kahler, Laura Marcus, Will Fletcher, Victor Oshin

 Leonine Studios

2023

96 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 23. November 2023

 

Trailer:

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=M36xso-3CsE (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=JEvYEPNxHzo (Englisch)


Mittwoch, 15. November 2023

Im Kino: The Quiet Girl

Die 9-jährige Caít wird im Sommer 1981 zu kinderlosen Verwandten ihrer Mutter gebracht, als diese wieder einmal schwanger ist, da ihre Eltern bereits mit den bisherigen Kindern und der gesamten Situation auf ihrem Hof überfordert sind. Verschüchtert und beinahe stumm versucht das Mädchen zurechtzukommen, und es braucht viel Verständnis und Geduld, bis sie zu den Pflegeeltern Eibhlin und Sean Cinnsealach Vertrauen fasst. Gerade als es ihr gelungen ist, soll sie zurück zu ihren Eltern…

Eingebettet in eine karge irische Landschaft ist dieser Film von spröder, aber eindringlicher Schönheit. Ohne große Worte, fast nur durch die Kraft der Bilder wird die ganze Gefühlswelt eines einsamen und emotional vernachlässigten jungen Mädchens spürbar, allein durch kleine Gesten und leise Momente wird man Zeuge von Caíts allmählicher Wandlung, die auf der anderen Seite auch die Erwachsenen erfahren, denn auch diese haben ein Schicksal zu tragen, das sich eher indirekt mitteilt.

Wer in unserer lauten und geschwätzigen Welt auch einmal eine Zeit der Ruhe und stillen Momente erleben möchte, hat bei diesem Film die Möglichkeit dazu, wer neben den üblichen bombastischen Blockbustern im Kino einmal wieder Emotionen ohne Kitsch erleben möchte, sollte sich diesen wunderbaren Film mit einer großartigen kleinen Hauptdarstellerin nicht entgehen lassen, schön, dass von Zeit zu Zeit ein solches Kleinod den Weg in die Kinos findet!

 


 Regie: Colm Bairéad

Drehbuch: Colm Bairéad, b/a der Kurzgeschichte „Foster“ („Das dritte Licht“) von Claire Keegan

Kamera: Kate McCullough

Schnitt: John Murphy

Musik: Stephen Rennicks

 

Besetzung:

Catherine Clinch, Carrie Crowley, Andrew Bennett, Michael Patric, Kate Nic Chonaonaigh

 

Neue Visionen Filmverleih

Irland 2022

95 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 16. November 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=MPbVvusSU7o (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=SH5c4FZd6qs (Original/ Irisch)