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Mittwoch, 22. November 2023

Im Kino: Napoleon

Aufstieg und Fall des französischen Generals, Konsuls und Kaisers Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix), der am Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts halb Europa beherrscht, sein Land in viele Kriege mit mörderischen Schlachten führt und dabei seiner Frau Josephine (Vanessa Kirby) sentimentale Liebesbriefe schreibt…

Es wird nicht ganz klar, was Ridley Scott uns mit diesem filmischen Epos sagen will. Soll das Bild eines ruchlosen, machthungrigen Usurpators gezeichnet werden, der aus rein militärischem Kalkül Millionen Soldaten in den Tod schickt, oder das eines liebestollen Mannes, der sich nach seiner Frau verzehrt, die er leider die meiste Zeit allein zu Hause zurück lässt, während er sich von Feldlager zu Feldlager quält und von der er sich irgendwann leider scheiden lassen muss, weil sie ihm keinen Sohn und Erben gebären kann?

Die Figur Napoleons wird auf diese beiden Aspekte reduziert, er wird zwar als genialer Militärstratege gezeigt, ansonsten aber als eher tumber Tor, dem es an Manieren und Umgangsformen mangelt. Seine anderen Verdienste, zum Beispiel um die Neugestaltung des Rechts in dem zeitweise nach ihm benannten Code Civil, der auch maßgeblichen Einfluss auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch hatte, sowie seine grundlegenden Verwaltungsreformen in Frankreich, bleiben gänzlich unerwähnt.

Einiges wird nur gestreift, seine Mutter wird kurz gezeigt und man erwartet, dass sich dahinter vielleicht ein Geheimnis seiner Persönlichkeit verbirgt, aber dann spielt sie keine weitere Rolle mehr, sein so sehr herbeigesehnter Sohn wird geboren und verschwindet dann sang und klanglos wieder, es wird nicht klar, ob und welchen Einfluss beide Figuren auf Napoleon hatten. Trotzdem es in der Beziehung zu Josephine permanent menschelt, wird Napoleon als Mensch nicht greifbarer, obwohl gerade das den Film interessant hätte werden lassen, denn Filme über Schlachten gibt es wahrlich schon genug.

Aber gerade auch diese eigentlich beeindruckenden Schlachten bleiben sonderbar blutleer (no pun intended…), obwohl es ein paar Szenen gibt, die die FSK-Freigabe ab 12 fragwürdig erscheinen lassen. Dies gilt sowohl für das Debakel bei Waterloo, das vernebelt und blass nur einen schwachen Eindruck von dem eigentlichen Gemetzel bietet, als auch für den Feldzug gen Moskau, wo es vor allem auf dem Rückzug zu einer der größten militärischen Katastrophen kam, bei der von über 600.000 Soldaten nur etwa 80.000 zurückkehrten. 

Vielleicht liegt das größte Manko aber einfach darin, dass es dem sonst so hochgelobten Joaquin Phoenix nicht gelingt, seiner Figur das Charisma zu verleihen, das dem historischen Napoleon den Aufstieg zur Macht ermöglicht haben muss. Zu keinem Zeitpunkt ist die Begeisterung von Volk und Soldaten nachvollziehbar, die es ihm selbst am Ende, bei seiner hunderttägigen Rückkehr aus der Verbannung von Elba, erlaubte, noch einmal loszuziehen, um sie in die Schlacht bei Waterloo und sich in sein endgültiges Ende führen zu können.  

Statt Napoleons Biographie in der Breite Punkt für Punkt abzuhandeln, wäre es vielleicht interessanter gewesen, einen tieferen Blick auf nur einen Ausschnitt seines Lebens zu werfen, dabei aber genauer auf den Menschen hinter der geschichtlichen Figur zu schauen, über die man schon so viel zu wissen glaubt. In diesem Film erfährt man aber nichts, was über das altbekannte Bild dieses Mannes hinausgeht, so werden am Ende diejenigen auf ihre Kosten kommen, denen die Schauwerte der durchaus beeindruckenden Massenszenen und der oben beschriebenen Schlachten genügen, wer dagegen einen schärferen Blick auf den Menschen Napoleon erwartet, wird leider enttäuscht.

 


 Regie: Ridley Scott

Drehbuch: David Scarpa

Kamera: Dariusz Wolski

Schnitt: Claire Simpson, Sam Restivo

Musik: Martin Phipps

 

Besetzung:

Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, Rupert Everett, Mark Bonnar, Paul Rhys, Ben Miles, Riana Duce, Ludivine Sagnier, Edouard Philipponnat, Miles Jupp, Jannis Niewöhner

 

Sony Pictures Germany

2023

158 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 23. November 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=FEhNFJLl858 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=OAZWXUkrjPc (Englisch)

 

 

 

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