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Sonntag, 12. März 2017

Film-Rezensionen: Der Hunderteinjährige der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand



Allan Karlsson lebt noch!
  
Ein Jahr nachdem er sich den Zumutungen der Feier zu seinem einhundertsten Geburtstag durch Flucht aus dem Altenheim entzogen hat – wir erinnern uns: er stieg aus dem Fenster und verschwand – treffen wir Allan (Robert Gustafsson) am Strand von Bali wieder. Dort hat er mit der alten Bande seinen Reichtum fast verprasst, so dass die Feier anlässlich seines einhundertundersten Geburtstags bescheiden ausfällt.

Bei ihm sind noch Freund Julius (Iwar Wiklander), Benny (David Wiberg) und dessen schwangere Freundin Miriam (Shima Niavarani), der Gangster Pike (Jens Hultén), der sich an nichts erinnert, aber gerne bei allem dabei ist, und das Kapuziner-Äffchen Erlander. Weil Miriam aufgrund ihrer Schwangerschaft keinen Alkohol trinken darf, bietet Allan ihr ein eigenartiges rotes Getränk an, von dem er aus früheren Zeiten nur noch ein letztes Fläschchen besitzt. Miriam ist begeistert davon und möchte mehr, leider findet auch Erlander Gefallen an der Flasche und macht sich damit aus dem Staub, nachdem er den letzten Rest der roten Brause – Volkssoda genannt - getrunken hat.
 
Allan kramt tief in seinem Gedächtnis und erinnert sich schließlich, woher das Getränk stammt und diese Geschichte führt uns weit zurück in die Zeiten des Kalten Krieges, als Allan als Spion tätig war. Während des militärischen Wettrüstens zwischen Amerikanern und Russen um die Vormacht gab es, wie wir erfahren, auch einen kulturellen Wettstreit darüber, wer die Welt ansonsten am nachhaltigsten beeinflusste. Mit russischen Jeans und Balalaika-Rock konnte Breschnew zu seinem Ärger nicht punkten, aber das Produkt, das der amerikanischen Cola den Rang streitig machen sollte, war wider Erwarten ein Renner. Aus diesem Grund setzte Präsident Nixon alles daran, hinter das Geheimnis des russischen Volkssoda-Getränks zu kommen und es begann ein aberwitziger Kampf um die Formel dieser Brause, bei dem Allan – wir wundern uns nicht – immer in vorderster Front dabei war. Am Ende gab es ein Stillhalteabkommen zwischen Amerikanern und Russen und wir erfahren endlich, worum es bei den SALT-Verhandlungen zwischen Nixon und Breschnew wirklich ging!

Die Rezeptur für die Volkssoda landete dann irgendwie bei Allan, der sich zu dieser Zeit gerade in Berlin aufhielt. Dort vermutet er die geheime Formel immer noch, in der Wohnung einer alten Freundin, und da Bali ohne Geld nicht mehr so reizvoll erscheint und Benny und Miriam bereits nach Schweden abgereist sind, um dort die Geburt ihres Kindes zu erwarten, beschließen Allan und Julius, sich auf den Weg nach Berlin zu machen. Im Bademantel und ohne die Rechnung zu bezahlen verlassen sie das Hotel, begleitet von Erlander und Pike, dem Gangster ohne Gedächtnis, der glaubt, dass sie alle zum Schwimmen gingen.  




Es beginnt eine aberwitzige Reise, die nach vielen Irrungen und Wirrungen schließlich in Schweden endet, immer auf der Jagd nach der Volkssoda-Formel. Zwei Greise mit Kapuziner-Äffchen und einem tumben Gangster im Schlepptau erregen überall, wo sie auftreten, genug Aufsehen um eine Reihe von weiteren Akteuren – bekannten und neuen – auf den Plan zu rufen. Hierzu gehören unter anderem die Tochter eines russischen Spion-Kollegen von Allan, die glaubt, dass dieser ihren Vater um die Formel betrogen hat, sowie der Sohn eines britischen Gangsters, der sich an Allan für den Tod seines Vaters rächen will. Da Volkssoda in den USA auch heute noch nationale Sicherheitsinteressen berührt, machen sich zwei smarte CIA-Agenten auf den Weg nach Malmköping, wo sie Kontakt mit dem redlichen aber ziemlich unbedarften Inspektor Aronsson aufnehmen, während Benny und Miriam das Altenheim, das Allan vor einem Jahr durch ein Fenster verlassen hat, nach seiner Hinterlassenschaft durchsuchen, in der Hoffnung, dort auf das Rezept zu stoßen.

Den Regisseuren Felix und Måns Herngren gelingt es, dem Film „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, der auf dem Welterfolg des schwedischen Autors Jonas Jonasson beruht, in Zusammenarbeit mit diesem, einen noch amüsanteren zweiten Teil folgen zu lassen. Die Abenteuer von Allan Karlsson werden mit Charme und Witz weitergesponnen, die Rückblicke bewegen sich aber diesmal ausschließlich in den Zeiten des Kalten Krieges und diese Konzentration tut der Geschichte gut. Es bieten sich wie gehabt verblüffende neue geschichtliche Einblicke mit hervorragend aufgelegten Darstellern, allen voran ein  polternder und launiger Breschnew. Wir sehen, wie es trotz Sicherheitskontrolle beim Einchecken gelingen kann, einen Kapuzineraffen in ein Flugzeug zu schmuggeln, sehen zwei alten Männern mit einer unverwüstlichen Gelassenheit durch die haarsträubendsten Abenteuer schlurfen, freuen uns mit Pike, als dieser endlich zu seinem Bad in einem schwedischen See kommt und wünschen uns dabei die ganze Zeit, wenigstens einmal von diesem offensichtlich köstliche Getränk kosten zu dürfen, das beinahe den Lauf der Weltgeschichte so maßgeblich beeinflusst hätte! Vielleicht besteht dafür noch Hoffnung, denn, am Ende taucht die langgesuchte Formel doch noch auf, an einem Ort, den niemand erwartet hätte, am allerwenigsten Allan, wollte er doch zur Entspannung nur ein heißes Bad im Kreise seiner Freunde nehmen...  

Regie: Felix Herngren, Måns Herngren 
Drehbuch: Felix Herngren, Hans Ingemansson b/a story von Hans Ingemansson, Måns Herngren, Felix Herngren und Jonas Jonasson 
Kamera: Göran Hallberg
Musik: Matti Bye 
Darsteller: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg, Shima Niavarani, Jens Hultén, Ralph Carlsson, Svetlana Rodina Ljungkvist, Georg Nikoloff, Crystal der Affe


Schweden, 108 min
Concorde Filmverleih 
Deutscher Start: 16.März 2017
                       


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