Blog-Archiv

Donnerstag, 18. April 2019

Film-Rezensionen: Der Fall Collini


Als der bekannte Unternehmer Jean-Baptiste Meyer (Manfred Zapatka), ein von allen geachteter alter Mann, eines schönen Tages im Jahr 2001 scheinbar ohne jedes Motiv von einem anderen alten Mann namens Collini (Franco Nero) brutal ermordet wird, stehen sowohl Meyers Familie als auch die Staatsanwaltschaft vor einem Rätsel, denn Collini schweigt beharrlich zu seinen Motiven. 

Junganwalt Caspar Leinen (Elyas M`Barek), frisch zugelassen und gänzlich unerfahren,
erhält sein erstes Pflichtmandat und macht sich voller Elan an die Arbeit. Ein Schock für ihn, der ohne Eltern aufwuchs: der Tote war sein Ziehvater, der ihn über lange Jahre unterstützt und gefördert und ihm auch sein Jurastudium ermöglicht hat, und so ist es für den Rest der Familie eigentlich selbstverständlich, dass er sein Mandat sofort wieder niederlegt. Hier bezieht der Film, der auf einer Romanvorlage des Juristen Ferdinand von Schirach beruht, das erste Mal Stellung, indem er betont, dass es bei juristischen Auseinandersetzungen stets und ausschließlich um die Sache und niemals um persönliche Befindlichkeiten zu gehen hat. Als Anwalt ist es Caspar Leinens Aufgabe, jeden Mandanten so gut er kann zu vertreten und seine persönlichen Gefühle dabei auszublenden. Collini macht es ihm allerdings durch sein Schweigen fast unmöglich, eine Verteidigungsstrategie zu finden und um dessen scheinbar unerklärliche Tat zu verstehen, beginnt er zu recherchieren. Was er bei seinen Nachforschungen entdeckt, führt ihn weit zurück in die Vergangenheit, als gegen Ende des zweiten Weltkriegs Täter und Opfer in einem kleinen italienischen Dorf schon einmal aufeinandergetroffen sind…

Wie immer bei von Schirach geht es in dessen Roman um die Frage nach menschlicher Schuld und den oft schwierigen Umgang der Justiz damit. Der Film, der einige der Handlungsstränge der Vorlage unnötigerweise verändert hat, konzentriert sich in weiten Teilen auf die Darstellung des Strafprozesses, angesichts der – im Vergleich zu den sattsam bekannten amerikanischen Vorbildern – wenig unterhaltsamen deutschen Gerichtswirklichkeit kein ganz leichtes Unterfangen. Das Ergebnis ist stellenweise dennoch durchaus spannend, trotz der etwas holzschnittartig gezeichneten Figuren und der eher konventionell choreographierten Gerichts- und Rechercheszenen.

Eine tragende Rolle spielt ein weiteres Anliegen von Schirachs, nämlich ein in seinen Augen wenig bekanntes, aber skandalöses Gesetz der deutschen Nachkriegsgeschichte anzuprangern, worauf auch der Film sein Augenmerk richtet, und es gelingt, die für den Laien oft eher trockenen juristischen Gedankengänge verständlich zu machen. Da Collini als Täter von Anfang an feststeht, geht es jedoch in erster Linie darum, wie ein Gericht seine Handlung einzuordnen hat, um zu einer angemessenen Strafe zu gelangen, und der Film bietet hierzu zunächst durchaus interessanten Diskussionsstoff. Aber sowohl Film als auch Vorlage enttäuschen am Ende, weil sie sich durch einen scheinbar cleveren Schlusspunkt aus der Affäre ziehen und sich damit vor der Beantwortung dieser interessantesten und von Anfang an im Mittelpunkt stehenden Frage drücken. Schade.


Regie: Marco Kreuzpaintner
Drehbuch: Robert Gold, Jens-Frederick Otto, Christian Zübert, b/a Roman von Ferdinand von Schirach
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Schnitt: Johannes Hubrich
Musik: Pia Hoffamn

Darsteller:
Franco Nero, Elyas M`Barek, Manfred Zapatka, Alexandra Maria Lara, Rainer Bock, Jannis Niewöhner, Heiner Lauterbach, Hannes Wegener, Stefano Cassetti

Constantin Film
118 min.
Deutscher Kinostart: 18. April 2019


 Copyright Fotos und Video: Constantin Film

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen