Als der bekannte Unternehmer Jean-Baptiste Meyer (Manfred
Zapatka), ein von allen geachteter alter Mann, eines schönen Tages im Jahr 2001
scheinbar ohne jedes Motiv von einem anderen alten Mann namens Collini (Franco
Nero) brutal ermordet wird, stehen sowohl Meyers Familie als auch die
Staatsanwaltschaft vor einem Rätsel, denn Collini schweigt beharrlich zu seinen
Motiven.
Junganwalt Caspar Leinen (Elyas M`Barek), frisch zugelassen und
gänzlich unerfahren,
erhält sein erstes Pflichtmandat und macht sich voller
Elan an die Arbeit. Ein Schock für ihn, der ohne Eltern aufwuchs: der Tote war
sein Ziehvater, der ihn über lange Jahre unterstützt und gefördert und ihm auch
sein Jurastudium ermöglicht hat, und so ist es für den Rest der Familie eigentlich
selbstverständlich, dass er sein Mandat sofort wieder niederlegt. Hier bezieht
der Film, der auf einer Romanvorlage des Juristen Ferdinand von Schirach
beruht, das erste Mal Stellung, indem er betont, dass es bei juristischen
Auseinandersetzungen stets und ausschließlich um die Sache und niemals um
persönliche Befindlichkeiten zu gehen hat. Als Anwalt ist es Caspar Leinens
Aufgabe, jeden Mandanten so gut er kann zu vertreten und seine persönlichen
Gefühle dabei auszublenden. Collini macht es ihm allerdings durch sein
Schweigen fast unmöglich, eine Verteidigungsstrategie zu finden und um dessen
scheinbar unerklärliche Tat zu verstehen, beginnt er zu recherchieren. Was er
bei seinen Nachforschungen entdeckt, führt ihn weit zurück in die
Vergangenheit, als gegen Ende des zweiten Weltkriegs Täter und Opfer in einem
kleinen italienischen Dorf schon einmal aufeinandergetroffen sind…
Wie immer bei von Schirach geht es in dessen Roman um die
Frage nach menschlicher Schuld und den oft schwierigen Umgang der Justiz damit.
Der Film, der einige der Handlungsstränge der Vorlage unnötigerweise verändert
hat, konzentriert sich in weiten Teilen auf die Darstellung des Strafprozesses,
angesichts der – im Vergleich zu den sattsam bekannten amerikanischen
Vorbildern – wenig unterhaltsamen deutschen Gerichtswirklichkeit kein ganz
leichtes Unterfangen. Das Ergebnis ist stellenweise dennoch durchaus spannend,
trotz der etwas holzschnittartig gezeichneten Figuren und der eher
konventionell choreographierten Gerichts- und Rechercheszenen.
Eine tragende Rolle spielt ein weiteres Anliegen von
Schirachs, nämlich ein in seinen Augen wenig bekanntes, aber skandalöses Gesetz
der deutschen Nachkriegsgeschichte anzuprangern, worauf auch der Film sein
Augenmerk richtet, und es gelingt, die für den Laien oft eher trockenen
juristischen Gedankengänge verständlich zu machen. Da Collini als Täter von
Anfang an feststeht, geht es jedoch in erster Linie darum, wie ein Gericht
seine Handlung einzuordnen hat, um zu einer angemessenen Strafe zu gelangen,
und der Film bietet hierzu zunächst durchaus interessanten Diskussionsstoff.
Aber sowohl Film als auch Vorlage enttäuschen am Ende, weil sie sich durch
einen scheinbar cleveren Schlusspunkt aus der Affäre ziehen und sich damit vor
der Beantwortung dieser interessantesten und von Anfang an im Mittelpunkt
stehenden Frage drücken. Schade.
Regie: Marco
Kreuzpaintner
Drehbuch:
Robert Gold, Jens-Frederick Otto, Christian Zübert, b/a Roman von Ferdinand von
Schirach
Kamera: Jakub
Bejnarowicz
Schnitt: Johannes
Hubrich
Musik: Pia
Hoffamn
Darsteller:
Franco Nero, Elyas M`Barek, Manfred Zapatka, Alexandra Maria Lara,
Rainer Bock, Jannis Niewöhner, Heiner Lauterbach, Hannes Wegener, Stefano Cassetti
Constantin Film
118 min.
Deutscher Kinostart:
18. April 2019
Copyright Fotos und Video: Constantin Film
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