Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver) kämpfen im ausgehenden 14. Jahrhundert in so mancher Schlacht für König und Vaterland, dies macht sie – zumindest in Carrouges’ Augen – zu Freunden, die füreinander einstehen. Le Gris ist jedoch im weiteren Leben immer der Erfolgreichere, der mit Leichtigkeit vieles erreicht, was dem tumben Carrouges verwehrt bleibt, so erfreut er sich zum Beispiel der nicht zu unterschätzenden Gunst des Grafen Pierre d'Alençon (Ben Affleck). Zwar wird Carrouges im Gegensatz zu Le Gris schließlich zum Ritter geschlagen und darf die wunderschöne Lady Marguerite (Jodie Comer) ehelichen, aber als eben jene Marguerite eines Tages behauptet, Le Gris habe sie vergewaltigt, werden aus den beiden Männern erbitterte Feinde, die schließlich in einem martialischen Duell auf Leben und Tod um die Wahrheit ringen…
In mittelalterlichen Zeiten war es üblich, in einem gerichtlichen Streit, bei dem Aussage gegen Aussage stand, die Wahrheit durch ein „Gottesurteil“ feststellen zu lassen, d.h. die Kontrahenten in einem Duell auf Leben und Tod gegeneinander antreten zu lassen, an dessen Ende der Überlebende das Recht auf seiner Seite hatte. Dem Film zugrunde liegt eines der letzten Duelle, die auf diese Weise ausgefochten wurden, insofern ein historischer Fall, der so oder so ähnlich tatsächlich stattgefunden hat.
Altmeister Ridley Scott hat daraus ein wuchtiges Drama geschaffen, das er, wie es Akira Kurosawa in seinem berühmten Werk „Rashomon“ vorexerziert hat, aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten erzählen lässt. Auch wenn man auf diese Weise denselben Film scheinbar drei Mal sieht, unterscheiden sich die Versionen in vielen Details, auf die es auch ankommt, und es bleibt spannend, all die kleinen Abweichungen zu erkennen, wenn man am Ende die Wahrheit erfahren will. Nun mag man Scott hierbei vorwerfen, dass er selbst sich bereits auf eine Wahrheit festgelegt hat, der Zuschauer also nur vermeintlich die Wahl hat, aber da eine vierte, womöglich neutrale Perspektive fehlt, bleibt es eine höchst subjektive Darstellung der Beteiligten.
Neben all den Ritterspielen und Kampfszenen zu Anfang dauert es eine Weile, bis sich das eigentliche Thema des Films herausschält, es geht nämlich um nichts anderes als eine mittelalterliche #MeToo-Geschichte: eine Frau beschuldigt einen Mann der Vergewaltigung, dieser streitet die Gewalt ab und beruft sich auf Einvernehmlichkeit – sie wollte es doch auch. Damit betritt Scott natürlich vermintes Gelände und kann eigentlich nur verlieren, denn recht machen wird er es inmitten der aufgeheizten Diskussionen, die um dieses Thema in den letzten Jahren geführt werden, wahrscheinlich keiner Seite.
Dass der Film dennoch großartig funktioniert, liegt an den überzeugenden Darstellern – allen voran Jodie Comer, aber auch Ben Affleck in einer launigen Nebenrolle – und der kraftvollen, kompromisslosen Inszenierung. Er ist ein Sittengemälde seiner Zeit und der ihr innewohnenden Gewalt, sowohl der physischen in den klirrenden, dampfenden Kampfszenen, als auch der psychischen, der Frauen unterworfen waren, aber, wie die Ausnutzung von Macht- und Einflussstrukturen durch Männer wie den Filmmogul Harvey Weinstein gezeigt hat, auch heute noch unterworfen sind. Früher allerdings gehörten Frauen einfach zum Eigentum ihres Mannes und waren als solches zu verteidigen, und so wird Marguerites Stellung plakativ und gleichnishaft in einer Szene vorgeführt, in der eine wertvolle Stute Carrouges von einem unerwünschten, schwarzen und wilden Hengst besprungen wird, eine Schande, die Carrouges nicht einfach hinnehmen kann.
Marguerite aber, die nun darauf besteht, nicht die Ehre ihres Mannes sondern ihre eigene zu verteidigen und dabei ihr Leben in die Waagschale wirft, sorgt damit für einen unerhörten Vorgang. Sie muss sich von allen Seiten denselben hochnotpeinlichen Fragen unterwerfen, wie sie auch heute noch gestellt werden: Hat sie ihren Vergewaltiger nicht eigentlich ermutigt, musste er deswegen nicht glauben, sie wollte es in Wirklichkeit? Hat sie sich genug gewehrt? Hat sie sich überhaupt gewehrt? Als Marguerite auch noch schwanger wird, spricht dies, sollte das Kind von Le Gris sein, gegen eine Vergewaltigung, denn eine Frau kann nur schwanger werden, wenn sie Spaß am Geschlechtsverkehr hatte – so legen sich die Männer die Welt zurecht, wie sie ihnen gefällt und genau dies führt der Film eindrucksvoll vor Augen: Es geht nicht um die Wahrheit, solange Männer bestimmen, wo es lang geht – „The truth does not matter – there is only the power of men“.
Visuell erinnert der Film oft an alte Gemälde von Schlachtenszenen und düsteren Interieurs vergangener Epochen, klanglich untermalt von einem passend opulenten Soundtrack. Ein Vergleich mit aktuellen Ereignissen ist sicher beabsichtigt und auch legitim, aber nicht notwendig, denn der Film hat die Kraft, für sich alleine zu stehen. Er braucht für die Beurteilung seiner Qualität keine Einordnung in die heutigen Verhältnisse – diese Diskussion wird bereits an anderen Stellen geführt – sondern ist eindrucksvoll und bewegend und, trotz seiner Länge und Sperrigkeit an manchen Stellen, unbedingt sehenswert.
Zum Schluss sei allerdings die Frage erlaubt, ob dieser Film eine Art Wiedergutmachung und Unterstützung der Sache der Frauen bedeuten soll, denn die Beteiligten Damon und Affleck verdanken ihre Karriere maßgeblich dem bereits benannten Harvey Weinstein, der ihr erstes gemeinsames Projekt „Good Will Hunting“ auf den Weg brachte, und beide waren mit ihm auch später noch eng verbunden. Weder Damon noch Affleck konnten im Folgenden glaubhaft bestreiten, seinen Charakter nicht gekannt und von seinen miesen Methoden nichts gewusst zu haben, aber trotz ihres späteren Einflusses in Hollywood haben beide so lange geschwiegen, bis ein paar mutige Frauen endlich bereit waren, Weinsteins Treiben ein Ende zu bereiten. Warum habt ihr solange weggesehen und geschwiegen, Matt Damon und Ben Affleck? Nur eine Frage, nicht mehr…
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Nicole Holofcener, Ben Affleck, Matt Damon, b/a Bücher von Eric Jager
Kamera: Dariusz Wolski
Schnitt: Claire Simpson
Musik: Harry Gregson-Williams
Besetzung:
Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck, Harriet Walter, Alex Lawther, Adam Nagaitis
Walt Disney Studios/ 20th Century Studios
USA 2021
FSK 16
152 min
Deutscher Kinostart: 14. Oktober 2021
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=mgygUwPJvYk (Englisch)
https://www.youtube.com/watch?v=kswm63I3WhM (Deutsch)
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