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Mittwoch, 17. Januar 2024

Im Kino: Poor Things

Dem brillanten Wissenschaftler Godwin Baxter (William Dafoe) gelingt es, auf äußerst unkonventionelle Weise eine junge Selbstmörderin zurück ins Leben zu holen. Das Ergebnis ist Bella Baxter (Emma Stone), ein Wesen, das in Windeseile die Entwicklung vom Baby zur lebenshungrigen und heftig pubertierenden, aber immer selbstbestimmter werdenden jungen Frau durchmacht, die sämtliche Konventionen ihrer Zeit missachtet und auf ihrem Weg alle Männer, vor allem den schmierigen Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), wie arme Dinger aussehen lässt…

Was zunächst wie die irrwitzige Fantasie eines abgedrehten Filmemachers klingt, ist genau das. Überdreht, komisch und vollkommen schräg, in knalligen Farben liebevoll und bunt bebildert, entsteht eine stets künstlich scheinende Welt, die jedoch unter all diesem Zuckerwerk einen satirischen und durchaus kritischen Blick auf Konventionen wirft, und darauf, wie eine junge Frau sich aus eben diesen befreit, indem sie sie von vorneherein als nicht gegeben anerkennt. Auf dem Weg zu Freiheit und Emanzipation ist nichts eindimensional und schon gar nicht pink, nimm das, Barbie!

Wo der letztgenannte Film nichts anderes ist, als ein aufgeblähtes Vehikel einer unglaublich erfolgreichen Werbekampagne für ein weltbekanntes Spielzeug, der sich dafür den Mantel der Satire mit emanzipatorischen Tupfern und gleichzeitig großen Löchern überstreift, durch die das schamlose Gesicht eines Weltkonzerns blitzt, bietet Lanthimos ein erfrischend originelles, grelles und gleichzeitig liebevoll gezeichnetes Porträt dazu, wie Emanzipation auch gehen kann, und ist dabei auch noch unglaublich unterhaltsam.

Darüber hinaus sehen die in Godwin Baxters Haus herumhuschenden, von ihm neu gestalteten übrigen Geschöpfe nicht aus wie die armen gequälten Kreaturen auf der "Insel des Dr. Moreau", alles wirkt wie ein eigener Kosmos, in dem bei aller Skurrilität Harmonie und Frieden herrscht, ganz im Gegensatz zu der Welt da draußen, und auch Baxter selbst, der von seinem eigenen Vater verunstaltet und tatsächlich gequält worden ist, erscheint als liebenswerter Sonderling, der trotz seiner furchtbaren Erfahrungen optimistisch und ohne Groll seine Welt erschafft, dabei entgegen seinem Äußeren liebenswert und fürsorglich geblieben ist, als Wissenschaftler zwar keine Grenzen anerkennt, aber im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, vor allem im Bereich des Horrorgenres, durchaus Schönes und Gutes zu schöpfen imstande ist.

Wer Sinn für das Schräge hat und den Mut, sich auf das Experiment eines im wahrsten Sinne des Wortes schamlosen, gleichzeitig wunderschönen und auch noch witzigen Filmes einlassen möchte, der ist bei diesem Film goldrichtig! 


Regie: Yorgos Lanthimos

Drehbuch: TonyMcNamara, Alasdair Gray

Kamera: Robbie Ryan

Schnitt: Yorgos Mavropsaridis

Musik: Jerskin Fendrix

 

Besetzung:

Emma Stone, Willem Dafoe, Mark Ruffalo, Ramy Youssef, Christopher Abbott, Hanna Schygulla

 

Searchlight Pictures/ Walt Disney Motion Pictures

2023

141 min.

FSK 16

Deutscher Kinostart: 18. Januar 2024

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=lpLT_EPMq9k (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=-EfYJWRw2FM (Englisch)

 

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