Deepwater Horizon
Seit dem Turmbau zu Babel enden von Menschen geschaffene
Projekte immer wieder in einem Desaster. „Deepwater Horizon“ ist ein weiteres
Beispiel hierfür.
„Deepwater Horizon“ war der Name einer Explorationsplattform
der Schweizer Firma Transocean, auf der im Jahr 2010 im Auftrag des britischen
Konzerns BP 70 km vor der Küste im Golf von Mexiko die Förderung von Öl aus
einem riesigen Ölfeld unter dem Meeresboden vorbereitet werden soll. Das
Projekt endete in einer Katastrophe, als die Anlage den Betreibern bei einer
Bohrungstiefe von 1500 Metern buchstäblich um die Ohren flog, für etliche Tote
sorgte und den Golf sowie die Küsten von Louisiana, Florida, Alabama und
Mississippi mit auslaufendem Öl verseuchte. Über drei Monate lang schossen täglich
geschätzt 40.000 Barrel Öl aus dem Bohrloch, bis dieses endlich geschlossen
werden konnte. Die Folgen belasteten die betroffene Region auf Jahre hinaus.
Diese Tragödie ist Vorlage für den gleichnamigen Film, der
sich allerdings nicht mit der Ölpest und deren Folgen auseinandersetzt, sondern
die Geschichte der tapferen Männer und Frauen erzählt, die im Laufe der
Ereignisse zu Helden werden.
Zur Einführung werden wir in die raue Welt auf einer
Bohrplattform eingeführt, wo die Arbeit hart und der Umgangston kernig ist, wie
überall dort, wo gestandene Männer in eingespielten Teams – sei es in Armee,
Feuerwehr oder Polizei – zusammenarbeiten, und wo Gefahr ein ständiger
Begleiter ist, der man nur trotzen kann, wenn man zusammenhält. Die einzige
Frau zur Zeit des Unglücks ist die Technikerin Andrea Fleytas, die die
schwimmende Plattform auf Kurs hält.
Die Mannschaften arbeiten wochenweise, zu Beginn werden wir
Zeugen eines Schichtwechsels, bei dem auch der Techniker Mike Williams (Mark
Wahlberg) und der bärbeißige, bei allen beliebte und geachtete Offshore
Installation Manager Jimmy Harrell (Kurt Russell), genannt Mr. Jimmy, an Bord
gehen. Beide beobachten, wie die Mannschaft der Firma Schlumberger, die letzte
entscheidende Tests vornehmen sollte, die Plattform verlässt, wie sich später
herausstellt, ohne befriedigende Ergebnisse.
Ebenfalls an Bord ist ein Vertreter von BP, Donald Vidrine
(John Malkovich), der den Abschluss der Tests forcieren soll, da sich das
Projekt bereits sechs Wochen hinter dem Zeitplan befindet.
Während Mr. Jimmy und seine Techniker erhebliche Zweifel
haben, dass alle Probleme behoben sind und der Weg zur ersten Bohrung frei ist,
setzt sich Vidrine erwartungsgemäß darüber hinweg. Er interpretiert einen nicht
befriedigend verlaufenen Drucktest anders als die Techniker, da diese aber auch
keine bessere Erklärung für die erhaltenen Ergebnisse haben, fügen sie sich
schließlich den Anweisungen Vidrines und beginnen mit einer ersten Bohrung.
Einmal in Gang gesetzt ist das Verhängnis dann nicht mehr
aufzuhalten. Wie zuvor in den Tests steigt der unterseeische Druck sofort an
und der Technikerin Freytas wird zunächst untersagt, das Bohrloch über ein
Ventilsystem am Meeresgrund wieder zu schließen. Als sie den Mut findet,
entgegen ihrer Anweisung zu handeln, ist es bereits zu spät, der massive Druck
entwickelt sich zu einem Blowout, bei
dem Bohrschlamm, Öl und Gas in einer gewaltigen Fontäne nach oben geschleudert
werden. Es kommt zu Explosionen und ein Feuersturm fegt über die Bohrplattform
hinweg. In bombastischen Bildern und ebensolchen Effekten werden diese
Explosion der Plattform und das anschließende Höllenfeuer so realistisch in
Szene gesetzt, dass der Zuschauer in seinem Kinosessel stellenweise das Gefühl
hat, mitten im Geschehen dabei zu sein – eine Erfahrung, die man vielleicht
nicht unbedingt machen muss.
Man fühlt die Hitze, riecht den Gestank von verbrennendem
Öl, leidet mit den Akteuren – allen voran dem hervorragenden Kurt Russell. Die
Nahaufnahmen erlauben kein Entrinnen und es ist angesichts des Infernos ein
Wunder, dass es letztlich überhaupt Überlebende gibt.
Und dann ist der Film plötzlich zu Ende.
Die Erwartung, dass zum Schluss eine Aufarbeitung
stattfindet, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte und – wichtiger noch –
wer dafür verantwortlich ist, wird enttäuscht, und das ist das große Manko
dieses durchaus mitreißenden Films. Im Abspann wird an die tapferen elf Männer
erinnert, die ihr Leben verloren haben und lediglich in einem Satz wird auf die
entstandene gigantische Umweltkatastrophe hingewiesen.
Zurück bleibt das schale Gefühl, dass die richtigen
Menschen, die in einer schrecklichen Situation über sich hinausgewachsen sind,
gesiegt haben, die falschen aber wieder einmal davongekommen sind. John
Malkovics Figur dient lediglich dazu, die zu erzählende Geschichte in Gang zu
setzten, eine Aufgabe, die er gewohnt gekonnt meistert, danach spielt er keine
Rolle mehr.
Wir haben tapferen Helden bei der Arbeit zugesehen, aber wer
sich auf diese einfache Geschichte einlässt, wird von dem exzellent in Szene
gesetzten Spektakel geblendet und verkennt die fatale Botschaft des Films:
Solange es solche Helden gibt, die für die Fehler anderer ihren Kopf hinhalten
und sogar sterben, können wir getrost jeden Irrsinn in die Tat umsetzen und
solange werden wir immer neue Türme bauen, die uns am Ende über dem Kopf
zusammenbrechen.
Regie: Peter Berg
Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Matthew Sand
Darsteller: Mark Wahlberg, Kurt Russell, John
Malkovich, Gina Rodriguez, Dylan O’Brian, Kate Hudson
Dauer: 107 Minuten
FSK: 12
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