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Mittwoch, 10. Oktober 2018

Film-Rezensionen: Abgeschnitten


Als der Pathologe Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) während einer Obduktion im Kopf eines verstümmelten Mordopfers eine winzige Kapsel findet, in der ein Zettel mit der Handynummer seiner Tochter Hannah (Barbara Prakopenka) steckt, ist dies der Auftakt zu einem gruseligen Albtraum, in dem Herzfeld von einem irren Mörder auf eine blutige Schnitzeljagd geschickt und zum Äußersten getrieben wird, um das Leben seiner entführten Tochter zu retten.

Ein Hauptteil der Handlung spielt auf der während eines Sturms von der Außenwelt abgeschnittenen Insel Helgoland, wo in einem von allen Ärzten verlassenen Krankenhaus die junge Linda (Jasna Fritzi Bauer), die ihrerseits von einem unheimlichen Stalker verfolgt wird, von dem auf dem Festland festsitzenden Herzfeld fernmündlich angeleitet, eine schaurige Obduktion an einer von ihr zufällig am Strand entdeckten Leiche durchführt, die im Zusammenhang mit Herzfelds Schnitzeljagd steht. Unterstützt wird sie dabei von dem Krankenhausfaktotum Ender Müller (Fahri Yardim), während irgendwo draußen im Sturm der Mörder und Entführer seinen nächsten Schachzug plant...

Was auf den ersten Blick ein wenig abstrus klingt, ist es auf den zweiten Blick auch. Vorlage für den Film ist ein Werk des Bestsellerautors Sebastian Fitzek, das dieser gemeinsam mit dem Rechtsmediziner Michael Tsokos verfasst hat, wobei letzterer ein Garant für die Authentizität der Leichenöffnung sein dürfte, deren unappetitliche Einzelheiten in Großaufnahme zu sehen sind.

Durch die furchtbare Situation des Vaters, der verständlicherweise alles zur Rettung seiner Tochter unternimmt, ist der Blick des Zuschauers für die Implausibilität der Handlung, vor allem einiger ihrer Prämissen, ohne die die Geschichte in sich zusammenfallen würde, getrübt. Warum sollte eine junge Frau, die sich vor einem Stalker fürchtet, nachts im Dunkeln die schützende Umgebung einer gut gefüllten Kneipe verlassen, um sich durch menschenleere Gassen und schließlich über einen ebenso menschenleeren Strand zu bewegen, wo sie dann trotz Sturm und Wolkenbraus über eine Leiche stolpert, die auch unbedingt gefunden werden sollte? Warum verlassen sämtliche Ärzte eine von einem Unwetter geplagte Insel und hinterlassen ein leeres Krankenhaus, das obwohl nur ein Inselkrankenhaus über einen gut ausstaffierten Obduktionsraum mit zwei Sektionstischen verfügt? Welcher Fremde schafft es, auf einer überschaubaren Insel wie Helgoland Entführungen und Morde durchzuführen, ohne als Fremder aufzufallen?

So gesehen folgt die Handlung grundsätzlich mehr der Dramaturgie als der Logik, aber wenn man bereit ist, dies zu ignorieren, bietet der Film trotz seiner Länge durchaus spannende Unterhaltung. Der begeisterte Fitzek-Leser, der es liebt, wie bei diesem Autor üblich, immer wieder hinters Licht geführt und auf falsche Spuren gelenkt zu werden, wird sicher auf seine Kosten kommen. Das Manko von Fitzeks Geschichten tritt allerdings auch im Film hervor, vieles ist reine Effekthascherei und die Handlung entwickelt ihre Twists und Turns nicht aus sich selbst heraus, sondern diese sind mit Bedacht konstruiert, was gekonnt gemacht nicht schlimm wäre, aber bei Fitzek scheint diese Konstruktion immer wieder durch, wie in einer schlecht verkleideten Kulisse.

Dennoch lässt der Film, gelungen bebildert und konsequent inszeniert, die düster-schaurige Atmosphäre, die einem solchen Thriller ansteht, hautnah erleben. Die Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu und Jasna Fritzi Bauer überzeugen, die Nebenfiguren allerdings agieren hölzern, wie der bemüht auf schrägen Slapstick angelegte Praktikant Ingolf (Enno Hesse), oder sie bleiben ihrem Rollenklischee treu, wie Fahri Yardim, der wieder einmal den gutmütigen Helfer gibt, bis hin zu dem sardonisch grinsenden Lars Eidinger, der sich gedacht haben mag: Ihr wolltet den Psychopathen, dann kriegt Ihr ihn auch, kompromisslos, bis nahe an die Grenze zur Karikatur.

Wer sich an der bis zum (endgültigen) Schluss hochgehaltenen Spannung delektieren mag, kommt in den Genuss eines trotz aller Kritikpunkte spannenden Thrillers, aber der fragwürdige Populismus eines Selbstjustizdramas, als das sich das Ganze am Ende darstellt, hinterlässt einen mehr als üblen Beigeschmack.




Regie: Christian Alvart 
Drehbuch: Christian Alvart
b/a Bestseller von Sebastian Fitzek & Michael Tsokos
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Musik: Maurus Ronner, Christoph Schauer

Darsteller:
Moritz Bleibtreu, Jasna Fritzi Bauer, Lars Eidinger, Fahri Yardim, Enno Hesse, Christian Kuchenbuch, Urs Jucker, Barbara Prakopenka

Warner Brothers
131 min.
Deutscher Kinostart: 11. Oktober 2018

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