Wer den Namen Paul Gauguin hört hat wahrscheinlich sogleich farbenfrohe Bilder von Palmen und blumengeschmückten jungen Frauen im Kopf, von Tahiti, diesem Sehnsuchtsort inmitten der weiten Südsee, von dem viele Menschen auf der ganzen Welt träumen.
Der französische Maler Gauguin (Vincent Cassel) wird
inmitten der Pariser Tristesse immer wieder von diesem Traum heimgesucht.
Ursprünglich aus einem bürgerlichen Leben kommend hat er sich ganz und gar der
Malerei verschrieben, aber wie so vielen Kollegen bleibt ihm der Erfolg
verwehrt und irgendwann wird die Idee vom einfachen Leben, von Freiheit und
künstlerischer Inspiration unter südlicher Sonne immer drängender. Es gelingt
ihm nicht, einen einzigen seiner Malerkollegen dafür zu begeistern, mit ihm nach
Tahiti zu reisen, auch seine dänische Frau Mette und seine fünf Kinder sind für
dieses Abenteuer nicht zu haben. Weil er aber das Gefühl hat, zu ersticken und
nach eigener Aussage „keine Landschaft und kein Gesicht mehr findet, die es
verdienen, gemalt zu werden“, macht er sich 1891 allein auf den Weg in die
Südsee, dorthin, wo man nach seiner Vorstellung mit wenig Geld glücklich werden
kann.
Wie so viele Auswanderer holt ihn die Realität sehr schnell
ein, das exotische Paradies entpuppt sich als grüne Hölle, in der seine
romantischen Vorstellungen schnell zerplatzen. Der Film bietet eindrucksvolle
Bilder, allerdings keine bunten und fröhlichen von Sonne, Sand und Palmen, die
Landschaft zerfließt vielmehr graugrün im Regen und die Menschen singen und tanzen
auch nicht ständig, sie haben sich nach Kolonialisierung und Christianisierung
von ihrem ursprünglichen Leben bereits weit entfernt. Gauguin geht es, von
Krankheit und Armut gezeichnet, bald so mies wie in Paris und er muss erkennen,
dass er, wie alle zugewanderten Weißen, seinen Beitrag dazu leistet, die
Ursprünglichkeit und Unbefangenheit der Tahitianer für immer zu zerstören. Um
der neuerlichen Tristesse zu entfliehen zieht er, mit einem Pferd und wenigen
Vorräten, dafür mit reichlich Farben und Leinwänden versehen, finanziert vom
Geld, das er von seiner Frau aus Frankreich erhält, immer tiefer hinein in den
Urwald, ausgezehrt, verhärmt – und endlich frei?
Er lebt zusammen mit der jungen Tahitianerin Tehura (Tuhei
Adams), die seine Muse und Gefährtin wird, sie verewigt er immer und immer auf
seinen später weltbekannten Bildern. Aber ihre Beziehung ist, wie so Vieles in
seinem Leben, zum Scheitern verurteilt. Auch eine Rückkehr in die Stadt, wo
Gauguin trotz seiner angeschlagenen Gesundheit einen Job im Hafen annimmt, um
sich und Tehura durchzubringen, hilft nicht, irgendwann geht Tehura zu ihrer
Familie zurück und Gauguin erkennt sein Scheitern im Paradies. Desillusioniert,
krank und in einem desolaten Zustand fährt er zunächst heim nach Frankreich, kehrt
dann noch einmal nach Polynesien zurück, wo er stirbt, ohne den Ruhm und die
Anerkennung zu erleben, die seinen Werken später zuteil wurden.
Der Film basiert auf einem Reisebericht Gauguins mit dem
Titel „Noa Noa“, den dieser selbst verfasst hat. Sowohl Bericht als auch Film
haben keinen dokumentarischen Charakter, tatsächliche Ereignisse mischen sich
mit fiktionalen Elementen. Wie in seinen Bildern hat Gauguin auch in „Noa Noa“
seine eigene Welt erschaffen und als Zeuge einer untergehenden Zivilisation
gemalt, was sich gerade auflöste. Es wird einmal mehr klar, dass jeder, der
sich auf die Suche nach dem Paradies macht, dieses mit seinem Eintreffen dort
dem Untergang weiht.
Regisseur Edouard Deluc orientiert sich an der wahren
Lebensgeschichte Gauguins, nimmt sich aber auch künstlerische Freiheiten
heraus. So gibt es reale Figuren, aber in Tehura verdichten sich mehrere
Frauen, die Gauguin geliebt hat, und auch die dramatische Beziehung eines
Liebes-Trios zwischen Gauguin, Tehura und einem jungen Tahitianer hat es so
nicht gegeben. Aber es ist ein ambitioniertes Werk, getragen von einem
großartigen, tief in seine Figur eintauchenden Vincent Cassel, der mit jeder
Faser seines Körpers leidet, um in seinen Bildern das zu schaffen, was es so
nicht gibt: Reinheit, Schönheit und ewiges Glück.
Drehbuch: Edouard Deluc, Etienne Comar, Thomas Lilti,
Sarah Kaminsky, frei adaptiert nach „Noa Noa, Voyage de Tahiti“ von Paul
Gauguin
Produktion: Bruno Levy
Kamera: Pierre Cottereau
Originalmusik: Warren Ellis
Darsteller: Vincent Cassel, Tuhei Adams, Malik Zidi,
Pua-Tai Hikutini, Pernille Bergendorff
Deutscher Kinostart: 02. November 2017
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