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Donnerstag, 23. Februar 2017

Film-Rezensionen: Logan



Im Jahr 2029 ist die Gemeinschaft der Mutanten wieder einmal am Ende, diesmal wohl endgültig, denn seit Jahren wurde kein Mutant mehr geboren.Verantwortlich sind genmanipulierte Lebensmittel in Gestalt von Nahrungszusätzen, Fast Food und Energy-Drinks, die gezielt eingesetzt wurden, auch auf Nicht-Mutanten haben sie keinen guten Einfluss – was eine Erklärung für manche Auswüchse heutzutage sein könnte…


Logan, der scheinbar Unsterbliche, hält sich müde und des Lebens überdrüssig mit einem Chauffeur-Job über Wasser. In einem öden Wüstenkaff an der mexikanischen Grenze fährt er partywütige Gäste in einer schicken Strechlimo herum. Die Zumutungen dieser Beschäftigung erträgt er mehr schlecht als recht mit Drogen und Alkohol. In seiner freien Zeit kümmert er sich um die letzte andere noch lebende Ikone der Mutanten, Charles Xavier, auch nur mehr ein Schatten seiner selbst, zeitweise stark desorientiert und zudem noch von fatalen Krämpfen heimgesucht, die sein einstmals so mächtiges Gehirn zu einer unkontrollierten Massenvernichtungswaffe werden lassen. Nur mit starken Medikamenten lassen sich diese Anfälle unterdrücken, deren Auswirkungen gigantische erdbebengleiche Erschütterungen sind. Damit diese bei aller Vorsicht immer wieder auftretenden Anfälle möglichst wenig Schaden anrichten können, lebt Charles in einem riesigen abgeschotteten Tank einer verlassenen ehemaligen Gießerei, wo sich neben Logan ein weiterer verbliebener Mutant um ihn kümmert, der Albino Caliban (diesmal dargestellt von Stephen Merchant), der sich nur mit verhülltem Körper der Sonne aussetzen kann. In früheren Zeiten war er ein Mutanten-Tracker, jetzt lebt er hier versteckt und isoliert im Exil und Logan ist kein wirklich angenehmer Partner, mürrisch und wortkarg wie immer, aber nun auch noch altersmüde. Dennoch spürt man eine gewisse Vertrautheit und Nähe zwischen ihnen, Logan verdient das Geld während Caliban sich um den Haushalt kümmert, kocht und den dementen Charles versorgt.

Aufgestört wird die Routine der drei durch eine verzweifelte junge Frau, die von einer Cyborgtruppe unter Führung des skrupellosen Donald Pierce (Boyd Holbrook) verfolgt wird. Sie bittet Logan um Hilfe für sich und ihre angebliche Tochter Laura (Schauspieldebütantin Dafne Keen), was dieser zunächst entschieden ablehnt, weil er sich nicht mehr als der Mann fühlt, der sich um die Probleme anderer Menschen schert, er will nur noch seine Ruhe.


Aber eines der Hauptthemen des Films ist die Tatsache, dass niemand aus seiner Haut heraus kann, wie bereits Goethes Mephisto seinem Faust ins Ohr flüstert:

„Du bist am Ende was du bist. Setz dir Perücken auf von Millionen Locken, setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken, du bleibst doch immer, was du bist.“ Und Logan war eben nie das wilde Tier, zu dem man ihn machen wollte. Als die junge Frau ermordet wird, nimmt er die Aufgabe an, das Mädchen Laura an einen geheimnisvollen Ort namens Eden zu bringen. Da er Charles nicht alleine zurücklassen kann, packt er ihn kurzerhand samt Rollstuhl in die Strechlimo und es beginnt eine Odyssee quer durch öde Landschaften und Wüstenorte, mit einem kurzen Abstecher nach Oklahoma City, wo Charles einen bemerkenswert heftigen Anfall erleidet. Währenddessen wird Caliban von Pierce gekidnapped und gezwungen, seine Tracker-Fähigkeiten wieder einzusetzen, um Logan, Laura und Charles aufzuspüren.


Nach außen hin wirken die drei wie eine Kleinfamilie aus Großvater, Vater und Tochter, wenn auch eine etwas seltsame. Laura spricht nicht, entpuppt sich dafür zu Logans Überraschung bald als kleine Killermaschine, ausgestattet mit denselben Selbstheilungskräften wie er und ebensolchen Adamantium-Klauen, die sie allerdings an Händen und Füßen ausfahren kann. Charles taumelt zwischen lichten Momenten und dementen Phasen hin und her und Logan kümmert sich um beide, eben weil sie auf ihn angewiesen sind und er sich dieser Aufgabe nicht entziehen kann.

Nach und nach entsteht eine rührende Nähe zwischen den dreien im engen Ambiente des Autos, sie wachsen tatsächlich zu einer „Familie“ zusammen, eine Überleitung zu einem weitere Thema des Films, der Suche nach Geborgenheit und Zusammenhalt in einer feindlichen Welt. Dies scheint für den Einzelgänger Logan eine Zumutung, letztlich ist es aber auch für ihn eine Reise an den geheimnisvollen Ort, nach dem er immer gesucht hat. Als auch noch klar wird, dass das Mädchen aus Teilen seiner DNA in den Laboren des skrupellosen Dr. Zander Rice (Richard E. Grant) gezeugt wurde, findet er sich plötzlich tatsächlich in der Vaterrolle wieder, ein Gedanke, den er erst einmal verdauen muss.


Dr. Rice ist ein Mutanten-Gegner in bewährter Tradition, der das vermeintlich Böse in Gestalt der Mutanten vernichten möchte aber gleichzeitig fasziniert von deren Fähigkeiten nach Möglichkeiten suchte, sich diese zunutze zu machen. Unter seiner Leitung wurden daher Kinder als menschliche Waffen gezüchtet, eine Weiterführung des ohnehin perversen Gedanken der Kindersoldaten. Nachdem eine Nachfolgeprojekt – die Entwicklung von erwachsenen Klon-Kriegern – jedoch größere Erfolge verspricht, sollen die Kinder eliminiert werden, was von mitleidigen Menschen verhindert wird. Die Kinder entkommen – unter ihnen auch Laura – machen sich auf den Weg an einen Ort, von wo sie sich in Sicherheit bringen können, eben jenes Eden, und die Cyborg-Truppe hat den Auftrag, dies zu verhindern.


Der Film sucht – und findet – eine gelungene Balance zwischen vertrauten Elementen und Neuem, gefühlvollen Momenten und harter Action. Logans bekannte berserkerhafte Wutausbrüchen lassen diesmal Blut spritzen und Körperteile abtrennen, ein Anblick vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack, aber konsequent und dem letzten Abenteuer Logans angemessen. Neben den furiosen Gewaltszenen steht aber im Vordergrund die Frage nach Vergänglichkeit und Alter, dem Aufgeben von Gewohntem, Aufbruch und Neuanfang. Die Zeit von Charles und auch Logan ist vorüber, selbst ein scheinbar unsterblicher Krieger wird irgendwann müde und ist verbraucht, dies auch dem Material geschuldet, das ihm lange Zeit so viel Stärke und Unbesiegbarkeit verliehen hat, nun aber gegen ihn arbeitet. Es mag uns nicht gefallen, den liebgewordenen unverwundbaren Helden in einem solch lamentablen Zustand zu sehen, aber so ist nun mal der Lauf der Dinge. Man hat versucht, aus ihm eine Waffe zu machen, aber er ist und bleibt ein Mensch, dessen Lebensspanne endlich ist und der mit denselben Alterserscheinungen zu kämpfen hat, wie jeder andere, der sich auch schon einmal widerwillig die Lesebrille aufsetzen muss, weil die Augen nicht mehr mitmachen wie gewohnt, der sich, sein Ende vor Augen, noch einmal aufbäumt, sich selbst zu opfern, um das was er als seine Mission erkannt hat, zu erfüllen. Dabei wird er mit der neuen furchtbaren Waffe aus Dr. Rice’ Labor konfrontiert, die fast alles vernichtet, bis die kleine Laura eingreift und sich als würdige Widergängerin ihres Vaters erweist. Zurück bleibt die Hoffnung, die allen Menschen innewohnt, dass mit dem eigenen Tod nicht alles zu Ende ist, sondern eine neue Generation sich auf den Weg macht, wie Laura und ihre Freunde.



James Mangold hat bei seinem Werk eine Menge aufgeboten, vertraute Western-Mythen – der Film „Shane“ wird in einer längeren Szenen zitiert – und das immerwährende Thema vom einsamen Helden, der (meist) unfreiwillig eine übermenschliche Aufgabe zu erfüllen hat, die ihn das Leben kosten wird. Dabei wird Mangold von der Riege seiner hervorragenden Darsteller, die dem titelgebenden Logan einen würdigen Abgang verschaffen, glänzend unterstützt.



Stephen Merchant verleiht dem Albino Caliban Tiefe und weckt eindrucksvoll Mitgefühl für die geschundene Kreatur, während die Bösewichter Pierce und Rice – entgegen der Faszination, die vom Bösen meistens ausgeht – ein bisschen blass bleiben, aber Boyd Holbrook holt das Beste aus seiner Rolle heraus, die nicht wirklich darauf angelegt ist, den Guten die Schau zu stehlen.


Patrick Stewart gelingt es, die angeschlagene Autorität von Charles Xavier durch kleine Gesten, Blicke aber vor allem seine beeindruckende Präsenz aufrecht zu erhalten. Seine Wortgeplänkel mit Logan geben den Film immer wieder inmitten der ganzen Schwere eine fast heitere Leichtigkeit, die hoffentlich nicht zu subtil für den ein oder anderen Zuschauer bleibt, der nur das blutige Gemetzel im Blick hat.



Dafne Keen in ihrer ersten Rolle schafft es in beeindruckender Weise, Lauras Entwicklung vom stummen, verstört wirkenden kleinen Mädchen mit Killer-Klauen und einer niedrigen Impulskontrolle zur immer stärker werdenden Heldin zu zeigen, die am Ende glaubhaft die neue Zukunft der Mutanten verkörpert.



Und schließlich beweist Hugh Jackman zum Abschluss seines Logan-Lebens noch einmal, wie sehr er sich die Figur des Logan über all die Jahre zu eigen gemacht hat. Er lässt uns allein durch den Blick in sein von vielen Kämpfen geschundenes Gesicht seine ganze Geschichte erkennen, alle Facetten, die dieser in keiner Weise eindimensionale Charakter zu bieten hat. Die Natur hat aus ihm einen Freak gemacht, die Menschen formten daraus eine Waffe und Gott hat ihn das alles viel zu lange ertragen lassen, diesen ganzen (Welt)Schmerz, der in seinem Schicksal steckt, zeigt sich in seinen Augen, aber auch in seiner ganzen Mimik und Gestik. Dazu gibt es noch einmal ein letztes eindrucksvolles Aufbäumen seiner immer schwächer werdenden Kräfte bei seinem finalen furiosen Kampf und die Konfrontation mit seinem letzten Gegner, bis zu seinem bewegenden Ende in den Armen Lauras. 





Nature made me a freak.

Man made me a weapon.

And God made it last too long.


Regie: James Mangold 
Drehbuch: Scott Frank & James Mangold, Michael Green
b/a story von James Mangold
Kamera: John Mathieson, BSC
Produktionsdesign: François Audouy
Musik: Marco Beltrami

Darsteller: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Boyd Holbrook, Stephen Merchant, Richard E. Grant, und erstmals: Dafne Keen



Kinostart: ab 02. März 2017

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