Im Jahr 2029 ist die Gemeinschaft der Mutanten wieder einmal
am Ende, diesmal wohl endgültig, denn seit Jahren wurde kein Mutant mehr
geboren.Verantwortlich sind genmanipulierte Lebensmittel in Gestalt von
Nahrungszusätzen, Fast Food und Energy-Drinks, die gezielt eingesetzt wurden,
auch auf Nicht-Mutanten haben sie keinen guten Einfluss – was eine Erklärung
für manche Auswüchse heutzutage sein könnte…
Logan, der scheinbar Unsterbliche, hält sich müde und des
Lebens überdrüssig mit einem Chauffeur-Job über Wasser. In einem öden
Wüstenkaff an der mexikanischen Grenze fährt er partywütige Gäste in einer
schicken Strechlimo herum. Die Zumutungen dieser Beschäftigung erträgt er mehr
schlecht als recht mit Drogen und Alkohol. In seiner freien Zeit kümmert er
sich um die letzte andere noch lebende Ikone der Mutanten, Charles Xavier, auch
nur mehr ein Schatten seiner selbst, zeitweise stark desorientiert und zudem
noch von fatalen Krämpfen heimgesucht, die sein einstmals so mächtiges Gehirn
zu einer unkontrollierten Massenvernichtungswaffe werden lassen. Nur mit starken
Medikamenten lassen sich diese Anfälle unterdrücken, deren Auswirkungen
gigantische erdbebengleiche Erschütterungen sind. Damit diese bei aller
Vorsicht immer wieder auftretenden Anfälle möglichst wenig Schaden anrichten
können, lebt Charles in einem riesigen abgeschotteten Tank einer verlassenen
ehemaligen Gießerei, wo sich neben Logan ein weiterer verbliebener Mutant um
ihn kümmert, der Albino Caliban (diesmal dargestellt von Stephen Merchant), der
sich nur mit verhülltem Körper der Sonne aussetzen kann. In früheren Zeiten war
er ein Mutanten-Tracker, jetzt lebt er hier versteckt und isoliert im Exil und
Logan ist kein wirklich angenehmer Partner, mürrisch und wortkarg wie immer,
aber nun auch noch altersmüde. Dennoch spürt man eine gewisse Vertrautheit und
Nähe zwischen ihnen, Logan verdient das Geld während Caliban sich um den
Haushalt kümmert, kocht und den dementen Charles versorgt.
Aufgestört wird die Routine der drei durch eine verzweifelte junge Frau, die von einer Cyborgtruppe unter Führung des skrupellosen Donald Pierce (Boyd Holbrook) verfolgt wird. Sie bittet Logan um Hilfe für sich und ihre angebliche Tochter Laura (Schauspieldebütantin Dafne Keen), was dieser zunächst entschieden ablehnt, weil er sich nicht mehr als der Mann fühlt, der sich um die Probleme anderer Menschen schert, er will nur noch seine Ruhe.
Aber eines der Hauptthemen des Films ist die Tatsache, dass
niemand aus seiner Haut heraus kann, wie bereits Goethes Mephisto seinem Faust
ins Ohr flüstert:
„Du bist am Ende was du bist. Setz dir Perücken auf von
Millionen Locken, setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken, du bleibst doch immer,
was du bist.“ Und Logan war eben nie das wilde Tier, zu dem man ihn machen
wollte. Als die junge Frau ermordet wird, nimmt er die Aufgabe an, das Mädchen
Laura an einen geheimnisvollen Ort namens Eden zu bringen. Da er Charles nicht
alleine zurücklassen kann, packt er ihn kurzerhand samt Rollstuhl in die
Strechlimo und es beginnt eine Odyssee quer durch öde Landschaften und
Wüstenorte, mit einem kurzen Abstecher nach Oklahoma City, wo Charles einen
bemerkenswert heftigen Anfall erleidet. Währenddessen wird Caliban von Pierce
gekidnapped und gezwungen, seine Tracker-Fähigkeiten wieder einzusetzen, um
Logan, Laura und Charles aufzuspüren.
Nach außen hin wirken die drei wie eine Kleinfamilie aus
Großvater, Vater und Tochter, wenn auch eine etwas seltsame. Laura spricht
nicht, entpuppt sich dafür zu Logans Überraschung bald als kleine Killermaschine,
ausgestattet mit denselben Selbstheilungskräften wie er und ebensolchen
Adamantium-Klauen, die sie allerdings an Händen und Füßen ausfahren kann.
Charles taumelt zwischen lichten Momenten und dementen Phasen hin und her und
Logan kümmert sich um beide, eben weil sie auf ihn angewiesen sind und er sich
dieser Aufgabe nicht entziehen kann.
Nach und nach entsteht eine rührende Nähe zwischen den
dreien im engen Ambiente des Autos, sie wachsen tatsächlich zu einer „Familie“
zusammen, eine Überleitung zu einem weitere Thema des Films, der Suche nach
Geborgenheit und Zusammenhalt in einer feindlichen Welt. Dies scheint für den
Einzelgänger Logan eine Zumutung, letztlich ist es aber auch für ihn eine Reise
an den geheimnisvollen Ort, nach dem er immer gesucht hat. Als auch noch klar
wird, dass das Mädchen aus Teilen seiner DNA in den Laboren des skrupellosen
Dr. Zander Rice (Richard E. Grant) gezeugt wurde, findet er sich plötzlich
tatsächlich in der Vaterrolle wieder, ein Gedanke, den er erst einmal verdauen
muss.
Dr. Rice ist ein Mutanten-Gegner in bewährter Tradition, der
das vermeintlich Böse in Gestalt der Mutanten vernichten möchte aber
gleichzeitig fasziniert von deren Fähigkeiten nach Möglichkeiten suchte, sich
diese zunutze zu machen. Unter seiner Leitung wurden daher Kinder als
menschliche Waffen gezüchtet, eine Weiterführung des ohnehin perversen Gedanken
der Kindersoldaten. Nachdem eine Nachfolgeprojekt – die Entwicklung von
erwachsenen Klon-Kriegern – jedoch größere Erfolge verspricht, sollen die
Kinder eliminiert werden, was von mitleidigen Menschen verhindert wird. Die
Kinder entkommen – unter ihnen auch Laura – machen sich auf den Weg an einen
Ort, von wo sie sich in Sicherheit bringen können, eben jenes Eden, und die
Cyborg-Truppe hat den Auftrag, dies zu verhindern.
Der Film sucht – und findet – eine gelungene Balance
zwischen vertrauten Elementen und Neuem, gefühlvollen Momenten und harter
Action. Logans bekannte berserkerhafte Wutausbrüchen lassen diesmal Blut
spritzen und Körperteile abtrennen, ein Anblick vielleicht nicht nach
jedermanns Geschmack, aber konsequent und dem letzten Abenteuer Logans
angemessen. Neben den furiosen Gewaltszenen steht aber im Vordergrund die Frage
nach Vergänglichkeit und Alter, dem Aufgeben von Gewohntem, Aufbruch und
Neuanfang. Die Zeit von Charles und auch Logan ist vorüber, selbst ein
scheinbar unsterblicher Krieger wird irgendwann müde und ist verbraucht, dies
auch dem Material geschuldet, das ihm lange Zeit so viel Stärke und
Unbesiegbarkeit verliehen hat, nun aber gegen ihn arbeitet. Es mag uns nicht
gefallen, den liebgewordenen unverwundbaren Helden in einem solch lamentablen
Zustand zu sehen, aber so ist nun mal der Lauf der Dinge. Man hat versucht, aus
ihm eine Waffe zu machen, aber er ist und bleibt ein Mensch, dessen
Lebensspanne endlich ist und der mit denselben Alterserscheinungen zu kämpfen
hat, wie jeder andere, der sich auch schon einmal widerwillig die Lesebrille
aufsetzen muss, weil die Augen nicht mehr mitmachen wie gewohnt, der sich, sein
Ende vor Augen, noch einmal aufbäumt, sich selbst zu opfern, um das was er als
seine Mission erkannt hat, zu erfüllen. Dabei wird er mit der neuen furchtbaren
Waffe aus Dr. Rice’ Labor konfrontiert, die fast alles vernichtet, bis die
kleine Laura eingreift und sich als würdige Widergängerin ihres Vaters erweist.
Zurück bleibt die Hoffnung, die allen Menschen innewohnt, dass mit dem eigenen
Tod nicht alles zu Ende ist, sondern eine neue Generation sich auf den Weg
macht, wie Laura und ihre Freunde.
James Mangold hat bei seinem Werk eine Menge aufgeboten,
vertraute Western-Mythen – der Film „Shane“ wird in einer längeren Szenen
zitiert – und das immerwährende Thema vom einsamen Helden, der (meist)
unfreiwillig eine übermenschliche Aufgabe zu erfüllen hat, die ihn das Leben
kosten wird. Dabei wird Mangold von der Riege seiner hervorragenden Darsteller,
die dem titelgebenden Logan einen würdigen Abgang verschaffen, glänzend
unterstützt.
Stephen Merchant verleiht dem Albino Caliban Tiefe und weckt
eindrucksvoll Mitgefühl für die geschundene Kreatur, während die Bösewichter
Pierce und Rice – entgegen der Faszination, die vom Bösen meistens ausgeht –
ein bisschen blass bleiben, aber Boyd Holbrook holt das Beste aus seiner Rolle
heraus, die nicht wirklich darauf angelegt ist, den Guten die Schau zu stehlen.
Patrick Stewart gelingt es, die angeschlagene Autorität von
Charles Xavier durch kleine Gesten, Blicke aber vor allem seine beeindruckende
Präsenz aufrecht zu erhalten. Seine Wortgeplänkel mit Logan geben den Film
immer wieder inmitten der ganzen Schwere eine fast heitere Leichtigkeit, die
hoffentlich nicht zu subtil für den ein oder anderen Zuschauer bleibt, der nur
das blutige Gemetzel im Blick hat.
Dafne Keen in ihrer ersten Rolle schafft es in
beeindruckender Weise, Lauras Entwicklung vom stummen, verstört wirkenden
kleinen Mädchen mit Killer-Klauen und einer niedrigen Impulskontrolle zur immer
stärker werdenden Heldin zu zeigen, die am Ende glaubhaft die neue Zukunft der
Mutanten verkörpert.
Und schließlich beweist Hugh Jackman zum Abschluss seines
Logan-Lebens noch einmal, wie sehr er sich die Figur des Logan über all die
Jahre zu eigen gemacht hat. Er lässt uns allein durch den Blick in sein von
vielen Kämpfen geschundenes Gesicht seine ganze Geschichte erkennen, alle
Facetten, die dieser in keiner Weise eindimensionale Charakter zu bieten hat.
Die Natur hat aus ihm einen Freak gemacht, die Menschen formten daraus eine
Waffe und Gott hat ihn das alles viel zu lange ertragen lassen, diesen ganzen
(Welt)Schmerz, der in seinem Schicksal steckt, zeigt sich in seinen Augen, aber
auch in seiner ganzen Mimik und Gestik. Dazu gibt es noch einmal ein letztes
eindrucksvolles Aufbäumen seiner immer schwächer werdenden Kräfte bei seinem
finalen furiosen Kampf und die Konfrontation mit seinem letzten Gegner, bis zu
seinem bewegenden Ende in den Armen Lauras.
Nature made me a
freak.
Man
made me a weapon.
And God made it last
too long.
Regie: James Mangold
Drehbuch: Scott Frank & James Mangold, Michael Green
b/a story von James MangoldDrehbuch: Scott Frank & James Mangold, Michael Green
Kamera: John Mathieson, BSC
Produktionsdesign: François Audouy
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Boyd Holbrook, Stephen Merchant, Richard E. Grant, und erstmals: Dafne Keen
Kinostart: ab 02. März 2017
Twentieth Century Fox in Association with Marvel
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