Der berühmte belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot
(Kenneth Branagh) ist Reisender in Sachen Verbrechensaufklärung. Im Jahr 1934
löst er zunächst einen verzwickten Fall in Jerusalem, in den ein Rabbi, ein
Priester und ein Imam verwickelt sind. Danach werden seine Dienste in London
benötigt, und so macht er sich auf den Weg nach Istanbul, um dort den
gleichfalls berühmten Orient-Express zu besteigen, der ihn quer durch Europa
nach Calais bringen soll. Obwohl der luxuriöse Zug so gut wie ausgebucht ist,
bekommt er von dem befreundeten Eisenbahndirektor Bouk (Tom Bateman) noch einen
Platz, nach einem Halt in Belgrad sogar ein eigenes Schlafwagenabteil. Bei den
anderen Reisenden seines Wagens handelt es sich um eine bunt gemischte und
illustre Gesellschaft, deren Mitglieder auf den ersten Blick nichts miteinander
gemein haben.
Gleich zu Beginn schlägt Poirot das Angebot des ungehobelten
amerikanischen Geschäftsmanns Edward Ratchett (Johnny Depp) aus, der den
Detektiv als Bodyguard engagieren möchte, weil er Drohbriefe erhält und um sein
Leben fürchtet. Seine Sorgen erweisen sich als berechtigt, denn schon bald wird
Ratchett in seinem Abteil ermordet. Als der Zug auf dem Weg durch das
winterliche Jugoslawien vor der Stadt Brod auf freier Strecke durch eine Lawine
gestoppt wird, bittet Direktor Bouk – um den Ruf seiner Eisenbahnlinie besorgt
– Poirot um Ermittlung des Täters, bevor der Zug von langsam heran
heranrückenden Hilfstruppen wieder flott gemacht werden kann.
Also macht sich der Detektiv an die Arbeit, befragt seine
verbliebenen zwölf Mitreisenden sowie den Schlafwagenschaffner und entdeckt zu
seiner Überraschung, dass diese sich gar nicht so fremd sind, wie es zunächst
den Anschein hatte, was ihn zu einer höchst abenteuerlichen Theorie über die
Identität des Mörders bringt…
„Mord im Orientexpress“ ist einer der bekanntesten Romane
der Krimiautorin Agatha Christie und wurde bereits mehrfach verfilmt, u.a. 1974
von Sidney Lumet mit beachtlichem Staraufgebot. Hier hat sich auch Kenneth
Branagh, der nicht nur den Poirot darstellt, sondern auch für die Regie
verantwortlich zeichnet, mächtig ins Zeug gelegt, ihm steht ebenfalls ein
namhaftes Ensemble zur Seite, die Stars laufen allerdings ein wenig Gefahr, von
dem imposanten Schnurrbart, den sich Branagh hat verpassen lassen, an die Wand
gespielt zu werden…
Gefilmt wurde in 65 mm, ein im digitalen Zeitalter kaum noch
verwendetes Format, das eine weite, detailreiche Bebilderung erlaubt, und so
schwelgt der Film in schönen Bildern, und auch wenn es sich bei den imposanten
Aufnahmen des Zuges und der Landschaft größtenteils um Spezialeffekte handelt,
ist zum Beispiel die Ausfahrt des Luxuszuges aus Istanbul ein Augenschmaus,
ebenso wie die übrige Ausstattung des Films.
Bei der Aufklärung des Rätsels um den toten Rachett lässt
Branagh den Zuschauer dann allerdings mehr und mehr im Stich. Sein Poirot
bedient sich der bewährten Methode, am Ende den Beteiligten, die
selbstverständlich alle gleichermaßen als Mörder in Frage kommen, die Auflösung
des Falles zu präsentieren. Dass diese, wie auf dem Gemälde des letzten
Abendmahls, an einer langen Tafel seinen Ausführungen lauschen, ist
befremdlich. Befremdlicher noch ist aber, dass Poirot die von ihm gefundenen
Spuren und Hinweise, die ihn zu der Lösung des Falles geführt haben, seltsam
vage präsentiert und nicht alle losen Enden präzise miteinander verknüpft. Noch
schwerer wiegt aber, dass Branaghs Poirot auf einen eigentlich entscheidenden
Punkt der Story überhaupt nicht eingeht, stattdessen liefert er einen furiosen
Schlussmonolog, der ihm und seiner eigenen Befindlichkeiten als Rechtfertigung
dient. Poirot wird von Branagh als eine Frühform des Nerds gezeichnet, der
extremen Wert auf Symmetrie legt und den jede Abweichung von der vorgegebenen
Ordnung maßlos irritiert, so dass es am Ende dieses gewaltigen Kraftaktes
bedarf, um seine gestörte Welt wieder gerade zu rücken. Die Frage nach Schuld
und Sühne spielt für die Handlung zwar eine wichtige Rolle, vielleicht hätte es
für die Auflösung des Dilemmas aber eine elegantere Lösung gegeben.
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Michael Green b/a Roman von Agatha Christie
Produziert von: Ridley Scott, Mark Gordon, Simon
Kinberg, Kenneth Branagh, Michael Schaefer, Judy Hofflund
Darsteller: Kenneth Branagh, Tom Bateman, Penélope
Cruz, Willem Dafoe, Judi Dench, Johnny Depp, Josh Gad, Derek Jacobi, Leslie
Odom jr., Michelle Pfeiffer, Daisy Ridley
20thCenturyFox
114 min.
Kinostart: 09. November 2017
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