Blog-Archiv

Mittwoch, 6. Mai 2020

Heimkino: Königin (Dronningen) (Englischer Titel: Queen of Hearts)


Anne (Trine Dyrholm) vertritt als erfolgreiche Rechtsanwältin Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten. Zusammen mit Mann Peter (Magnus Krepper), einem ebenfalls erfolgreichen Arzt, und ihren zwei Töchtern lebt sie ein privilegiertes Leben in einem schönen Haus abseits der Stadt. Als Peter eines Tages seinen 16-jährigen Sohn Gustav (Gustav Lindh), der bisher bei Peters Ex-Frau gelebt hat, bei sich aufnimmt, gerät das Leben der Familie aus der Balance, denn Anne entwickelt für den rebellischen Gustav mehr als mütterliche Gefühle – eine Geschichte, die nicht gut ausgehen kann...

In dem dänischen Erotikdrama von May el-Toukhy wird die gewohnte Perspektive auf den Kopf gestellt: Vergreifen sich sonst alternde Männer an jungen, unschuldigen Mädchen, macht sich hier eine gestandene Frau an einen labilen Jugendlichen heran, und das ist genau so wenig tolerabel. Anne folgt dem Drang, ihre unterdrückten sexuellen Fantasien und Wünschen auszuleben, und der junge Mann ist ein williges Opfer. Gustav ist zwar als Teil der Familie in ihr Haus gekommen, aber für Anne ist er ein Fremder, aufregend und jung, der sich nicht lange bitten lässt. 

Was Annes Handlung jedoch in doppelter Hinsicht verwerflich macht, ist, dass sie diesen Jugendlichen missbraucht, obwohl gerade sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit genau weiß, welche Traumata damit heraufbeschworen werden. Zum anderen ist sie nicht in der Lage, zu ihrem Fehler zu stehen, sondern wälzt die ganze Last der Verfehlung auf den jungen Mann ab. Damit versagt sie zunächst als verantwortungsvolle Frau und Anwältin und dann auch noch als Mensch, und aus Leidenschaft wird schnell ein böses Spiel, bei dem die eine Seite ihre Macht ausspielt und die andere an diesem Verrat zugrunde geht. Interessant ist die Frage, ob die Gesellschaft eine Frau bei gleicher Tat härter beurteilt als einen Mann, auf jeden Fall kann man es nicht als Zeichen von Emanzipation betrachten, wenn Frauen sich dieselben Verfehlungen erlauben, schon gar nicht auf diesem Gebiet.

Trine Dyrholm brilliert in dieser gleichermaßen sinnlichen wie dominanten Rolle, sie lebt die Figur mit jeder Faser ihres Körpers, ihr junger Gegenpart Gustav Lindh erweist sich ihr allerdings als durchaus ebenbürtig und beide bringen eine nicht mehr oft gesehene Erotik – die Rede ist nicht von plumpem Sex – auf die Leinwand. Dyrholm schafft es immer wieder, die Ambivalenz ihrer Figur spürbar zu machen – der englische Titel des Films „Queen of Hearts“ lässt an die launische Herzkönigin in Alices Wunderland denken – die Widersprüchlichkeit zwischen rationaler Karrierefrau und erotischer Femme Fatale, die drauf und dran ist, ihr Leben und ihre Karriere zu zerstören, bis sie sich in einen Verrat flüchtet, der nur Verlierer hinterlässt, ein Drama, packend und mitreißend bis zum bitteren Ende.

Dänemarks Oscar-Beitrag 2020 feiert seine Deutschland-Premiere nicht, wie vorgesehen ab 09. April 2020 im Kino, sondern ab 05. Mai 2020 als Stream, z.B. hier: https://amzn.to/3d1nGxO




 Regie: May el-Toukhy
Drehbuch: Maren Louise Käehne, May el-Toukhy
Kamera: Jasper Spanning
Schnitt: Rasmus Stensgaard Madsen
Musik: Jon Ekstrand

Darsteller:
Trine Dyrholm, Gustav Lindh, Magnus Krepper, Liv Esmår Dannemann, Silja Esmår Dannemann

SquareOne Entertainment
DK 2019
127 min.
FSK 16 
Bilder: © SquareOne Entertainment


https://www.youtube.com/watch?v=P9V24Jmg5RY

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen