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Montag, 10. Oktober 2022

Heimkino: Catherine, Lady wider Willen (Catherine, genannt Birdy) (Catherine Called Birdy)

Tiefstes Mittelalter, irgendwo in England: Catherine (Bella Ramsey), wegen ihrer Liebe zu den Vögeln in ihrer Voliere von allen nur Birdy genannt, wächst auf der zugigen Burg ihres Vaters, Lord Rollo (Andrew Scott), auf. Das Leben ist nicht einfach, ihre immer wieder schwangere Mutter, Lady Aislin (Billie Piper), verliert ein Baby nach dem anderen und Birdy, gerade einmal 14 Jahre alt, soll, um die Finanzen des verschwenderischen Vaters zu sanieren, an einen reichen Freier verheiratet werden. Birdy wehrt sich mit allen Mitteln gegen ihr Schicksal, pfiffig und einfallsreich vergrault sie einen Heiratskandidaten nach dem anderen, aber wird es ihr am Ende tatsächlich gelingen, sich gegen ihren Vater durchzusetzen?

Dem Film zugrunde liegt das gleichnamige erfolgreiche Jugendbuch von Karen Cushman, in dem mit leichter Hand das Schicksal dieses Mädchens namens Birdy beleuchtet wird, ein feministisches Manifest ohne erhobenen Zeigefinder und ohne die Erdenschwere, mit der ein solches Thema ansonsten gerne angegangen wird. Lena Dunham hat dankenswerterweise diese Leichtigkeit genau so übernommen und präsentiert eine liebenswerte Komödie, ohne den ernsten Hintergrund zu vernachlässigen. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen auch im Mittelalter trotz aller in unseren Augen misslichen Lebensumstände nicht durchgehend schwermütig durch ihr Leben gegangen sind, es wird geliebt, gelacht und gefeiert und Birdy, von Bella Ramsey genial verkörpert, ist immer mittendrin.

Doch zwischen diesen heiteren und manchmal derben Szenen wird es immer wieder bitterernst und der Finger in eine Wunde gelegt, die bis heute, trotz aller Entwicklung, nicht vollständig geschlossen ist, denn das Recht eines jungen Mädchens auf ein eigenbestimmtes Leben ist nach wie vor noch nicht überall selbstverständlich. Dunham geht aber noch einen Schritt weiter und nimmt sich im Unterschied zur Buchvorlage die Freiheit heraus, auch die Fremdbestimmtheit des Vaters zu thematisieren, der wiederum von seinem Vater in seine Rolle hineingedrängt wurde. Natürlich bleibt er dennoch ein Arschloch und es ist für seine Tochter absolut legitim, sich ihm zu widersetzen, aber es zeigt auch, dass Selbstbestimmtheit das Recht eines jeden Menschen ist, und dazu gehört eben das Lösen aus festzementiert scheinenden Rollenbildern, damals wie heute. Lord Rollos andere Seite und seine emotionale Tiefe beleuchtet Dunham vor allem während einer aufwühlenden Szene, in der Lady Aislin wieder einmal während einer Geburt beinahe das Baby und fast ihr eigenes Leben verliert, und dabei Andrew Scott darf erneut beweisen, was für ein großartiger Darsteller er ist.

Dunham gelingt das Kunststück, einem ernsten Thema die Verbissenheit zu nehmen, nett und heiter verpackt feuert sie stattdessen den Pfeil mit ihrer feministischen Botschaft, die bestimmte Menschen reflexartig abschrecken würde, genau dorthin, wo sie hingehört, nämlich mitten ins Herz.

 


Regie: Lena Dunham

Drehbuch: Lena Dunham, b/a dem Jugendroman von Karen Cushman

Kamera: Laurie Rose

Schnitt: Joe Klotz

Musik: Carter Burwell

 

Besetzung:

Bella Ramsey, Billie Piper, Andrew Scott, Lesley Sharp, Joe Alwyn, Sophie Okonedo, Dean-Charles Chapman, Isis Hainsworth, Archie Renaux, Paul Kaye, Michael Woolfitt

  

Amazon Prime

USA 2022

FSK 12

108 min.

Ab 07. Oktober 2022 im Stream

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=fPiztxYR9sU (Englisch)

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