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Mittwoch, 21. Dezember 2022

Im Kino: Oskars Kleid

Polizist Ben (Florian David Fitz) lebt von seiner Frau Mira (Marie Burchard) und den beiden gemeinsamen Kindern Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) getrennt. Als Mira, von ihrem neuen Partner schwanger, eine Zeit ins Krankenhaus muss, besteht Ben darauf, sich um Oskar und Erna zu kümmern, dabei erlebt er eine Überraschung, mit der er nie im Leben gerechnet hätte: Oskar steht im Kleid vor ihm und möchte nur noch als Lili angeredet werden…

Ein Kind, das sich im falschen Körper fühlt – kann das Thema einer Komödie sein? Florian David Fitz, der nicht nur die Rolle des Vaters spielt, sondern auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, hat sich mit seinem Regisseur Tabak an dieses heikle Thema gewagt und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.

Fitz legt seinen Polizisten Ben als schlichtes Gemüt an, der, wie so viele, über das Gendern die Nase rümpft und bisher keine Veranlassung hatte, sich mit Transgender überhaupt näher zu beschäftigen, und so trifft ihn die Keule, die da über ihm geschwungen wird, völlig unvorbereitet und demgemäß heftig. Wie ein Trauernder kämpft er sich durch die bekannten fünf Phasen, Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression bis hin zur finalen Akzeptanz, und dies geschieht gleichermaßen berührend wie unterhaltsam, denn der Film findet fast immer eine gute Balance zwischen Drama und Komödie mit überwiegend netten Pointen und dankenswerterweise ohne platte Witze oder plumpen Klamauk, was dem guten Skript, aber vor allem auch den großartigen Darstellern und Darstellerinnen zu verdanken ist.

Dabei fallen die Figuren der Exfrau Mira und ihres neuen Lovers zwar etwas ab, aber Fitz selber und seine von Senta Berger und Burghart Klaußner sehr launig dargestellten Eltern wiegen dies mehr als auf, und in dieser Riege behaupten sich auch die beiden Kinder hervorragend, wobei vor allem die von Ava Petsch dargestellte kleine Schwester positiv heraussticht. Ein bisschen zu dick aufgetragen sind vielleicht die Hintergrundprobleme, mit denen Ben zu kämpfen hat, wie sein latenter Alkoholismus, dafür sind seine beruflichen Einsätze als Schutzpolizist bei diversen Demonstrationen und Straßenschlachten kurz, aber sehr pointiert abgebildet.

Bei dem eigentlichen Thema schließlich, wie man einem Kind begegnet, das sich nicht seinem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht angehörig fühlt, trifft der Film auf jeden Fall den richtigen Ton. Behutsam versucht er zu beleuchten, wie schwierig es gerade bei Kindern ist, zu erkennen, ob es sich „nur“ um eine „Phase“ handelt, ob äußere Einflüsse möglicherweise der Auslöser für diese „Verwirrung“ sind, oder ob es wirklich ernst ist, haben doch alle weiteren Schritte, die einzuleiten wären, nicht mehr rückgängig zu machende Konsequenzen. Als Ben sich bei einer älteren Transfrau Rat holt, geschieht dies mit einem kleinen Augenzwinkern, so dass diese kleine Lehrstunde nicht allzu aufgesetzt und trocken herüberkommt, vor allem der Hinweis auf den immer komplizierter werdende Buchstabensalat LGBTIAQ+, bei dem es trotzdem noch Beleidigte gibt, weil sie mit ihren Buchstaben nicht vertreten sind, zeigt die Komplexität der Materie.

Am Ende steht aber auf jeden Fall die mit leichter Hand vorgetragene Geschichte einer Familie, die trotz aller Probleme zueinander steht, wobei das „Problem“ ein gerade sehr aktuelles ist, das es unbedingt verdient, sich damit auseinanderzusetzen, und es wäre schön, wenn der Film es schaffte, eine Hilfe für alle Familien zu sein, die sich damit konfrontiert sehen.

 


Regie: Hüseyin Tabak

Drehbuch: Florian David Fitz

Kamera: Daniel Gottschalk

Schnitt: Ana de Mier y Ortuño

Musik: Josef Bach, Arne Schumann

 

Besetzung:

Florian David Fitz, Laurì, Ava Petsch, Marie Burchard, Senta Berger, Burghart Klaußner, Kida Khodr Ramadan, Juan Lo Sasso, Gustav-Peter Wöhler, Nora Boeckler

 

Warner Bros. Germany

DE 2022

102 min.

FSK 6

Deutscher Kinostart: 22. Dezember 2022

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=R09wG1Rf9Kw

 

 

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