Der Film führt uns zurück in das Jahr 1940, London leidet
unter dem Krieg und den Bombenangriffen der deutschen Luftwaffe. Das Kino hat
in diesen Zeiten die wichtige Rolle, etwas zur positiven Stimmung der
Bevölkerung beizutragen, aber die zu diesem Zweck unter der Aufsicht des
Informationsministeriums produzierten Propagandafilme, in denen tapfere Männer
und aufopferungsvolle Frauen den Durchhaltewillen der Zuschauer wecken und
stärken sollen, wirken verlogen und kommen nicht recht an. Das Gebot der Stunde
lautet „Authentizität“ und „Optimismus“.
Um diese Botschaft besser zu transportieren soll dem rein
männlichen Autorenteam um den zynischen Tom Buckley (Sam Claflin) eine Frau zur
Seite gestellt werden. Damit möchte man vor allem die vielen weiblichen
Kriegsarbeiterinnen an der Heimatfront ansprechen, und so bekommt die
Werbetexterin Catrin Cole (Gemma Arterton) die Chance, beim Film anzuheuern.
Sie braucht den Job, um sich und ihren Ehemann Ellis (Jack Huston), einen vielversprechenden,
aber erfolglosen Künstler über Wasser zu halten. Seine Bilder vom Schrecken des
Krieges stoßen in der aktuellen Situation auf wenig Resonanz.
Catrin lässt sich von der arroganten Haltung Tom Buckleys,
der von dem geforderten „Schmalz“ nicht viel hält, nicht abschrecken und macht
sich unverdrossen ans Werk. Auf der Suche nach einer Story für den nächsten
Film stößt man auf eine auf wahren Ereignissen basierende Geschichte, bei der
zwei junge englische Zwillingsmädchen sich mit dem altersschwachen Boot ihres
ebensolchen Vaters auf den Weg über den Ärmelkanal gemacht haben sollen, um bei
der Evakuierung tausender englischer Soldaten aus dem eingekesselten
französischen Dünkirchen zu helfen.
Catrin wird zur Recherche an die englische Küste geschickt,
wo sie feststellen muss, dass die heroische Tat leider nicht ganz so abgelaufen
ist, wie sie in den Zeitungen zu lesen war. So erlitt das Boot der Mädchen
bereits auf halbem Weg einen Motorschaden und musste von heimkehrenden
Evakuierungstruppen nach Hause geschleppt werden.
Aber die Geschichte ist zu schön, als dass man sie einfach
aufgeben könnte, und im Folgenden wird daraus mit Inbrunst eine Story
gestrickt, die alles beinhaltet, was die gebeutelten Menschen sehen und hören
wollen, gespickt mit großen Gefühlen und heroischem Patriotismus. Catrin wirft
ihre anfänglichen Bedenken bezüglich der historischen Ungenauigkeiten bald über
Bord und macht sich enthusiastisch ans Werk, dient ihr Projekt letztlich doch
dem höheren Ziel, Menschen im Elend der Kriegswirren wieder Mut und Hoffnung zu
geben. Mit ihren Schreiberqualitäten überzeugt sie auch bald Tom Buckley, und
so entwickelt sie sich mehr und mehr zu einer gleichberechtigten Kollegin, ein
früher Schritt auf dem Weg zu einer beruflichen Emanzipation der Frauen.
Eine brauchbare Darstellerriege zusammenzustellen ist in
Kriegszeiten keine leichte Aufgabe, wenn die meisten jungen Männer an der Front
sind. Es gelingt, den alternden, charismatischen und etwas selbstverliebten
Ambrose Hilliard (Bill Nighy) zu gewinnen, der schon bessere Tage gesehen hat
und zunächst wenig begeistert ist, aber man schreibt ihm eine schöne Rolle, mit
der er schließlich zufrieden ist. Als Helden erfindet man die Figur des
Soldaten Johnnie (Hubert Burton), der, selbst aus Dünkirchen herausgeholt, die
Zwillinge auf ihrer dramatischen Schicksalsfahrt vor dem drohenden Schiffbruch
bewahren soll, begleitet von einem kleinen Hund, den er in Frankreich in einer
besonders anrührenden Szene vor dem sicheren Tod gerettet hat. Damit sind die
Kriterien „Authentizität“ und „Optimismus“ erfüllt, als Zugabe ein kleiner
Hund, was kann da noch schief gehen!
Catrin reist mit dem Filmteam zum Set an die Küste, wo die
große Evakuierungsszenen gedreht werden, denn das Drehbuch muss ständig angepasst
werden, je nachdem, welche Schwierigkeiten sich ergeben oder welche neuen
Anforderungen seitens des Ministeriums eingebracht werden. So besteht der
Kriegsminister (Jeremy Irons in einem Kurzauftritt) darauf, dass ein Amerikaner
in die Handlung eingebaut werden müsse, um auch das amerikanische Publikum
anzusprechen, schließlich bietet der dortige Markt ein immenses Potential.
Ungeachtet der Tatsache, dass in Dünkirchen keine Amerikaner beteiligt waren,
engagiert man kurzerhand einen hochdekorierten Kampfflieger namens Carl
Lundbeck (Jake Lacy). Lundbeck, ein blonder, blauäugiger Amerikaner mit
norwegischen Wurzeln, der auch in jeden Propagandafilm der Nazis passen würde,
ist zwar im Luftkampf ein Ass, am Set jedoch ein hoffnungsloser Dilettant, was
es notwendig macht, seinen ursprünglichen Text auf das absolut Notwendige zu
reduzieren. Außerdem wird Ambrose Hilliard von Catlin überredet, Lundbeck
Nachhilfe zu geben, was dieser zunächst nur widerwillig, dann aber mit immer
mehr Vergnügen übernimmt.
Während ihrer Abwesenheit bekommt Catrins Mann endlich die
Gelegenheit, seine Bilder auszustellen und sie hat ein schlechtes Gewissen,
nicht dabei sein zu können, aber ihre Arbeit geht vor. Je enger allerdings
Catrin mit Buckley zusammenarbeitet, desto mehr scheint sich dieser für sie zu
interessieren, und nach und nach entdeckt auch Catrin hinter seiner rauen
Schale dessen charmantere Seiten. Als sich schließlich herausstellt, dass
Catrin und Ellis gar nicht verheiratet sind, scheint der Weg für Buckley frei zu
sein, aber aus Loyalität zu Ellis wehrt Catrin Buckleys Avancen ab. Selbst in
einer wunderbar kitschig-romantischen Mondscheinszene am Meer widersteht sie
und reist zurück nach London. Dort ertappt sie allerdings ihren Mann mit einer
anderen Frau im Bett, damit ist dieses Kapitel für sie beendet. Der Weg für
Catrin und Buckley wäre damit frei, aber dann muss Catrin schmerzhaft erfahren,
dass das Drehbuch des Lebens seiner eigenen Dramaturgie folgt und sich leider
nicht nach den eigenen Wünschen umschreiben lässt…
Der Film „Ihre beste Stunde“, basierend auf dem Roman „Their
Finest Hour and a Half“ von Lissa Evans, hat alles, was ein guter Film haben
muss. Er bietet Drama, Komödie und Romanze, und schafft es spielerisch leicht,
all diese Elemente in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen.
Er macht sich liebevoll und mit ironischem Witz über das
Filmemachen lustig, ohne dabei die Beteiligten lächerlich zu machen und ist
eine Liebeserklärung an das Kino und seine magische Wirkung. Er wirft einen
nostalgischen Blick zurück in Britanniens schwerste, aber auch tapferste
Stunden, verkneift sich dabei jedoch jegliche Sentimentalität, dies sicher ein
Verdienst der dänischen Regisseurin Lone Scherfig, die genügend Nähe zu ihrem
Thema hat, aber als Nicht-Britin auch die nötige Distanz.
Es gibt romantische Szenen im Wechsel mit durchaus
realistischen, wenn die Zerstörung und der Schrecken der Bombenangriffe ganz
nah an die Protagonisten heranrücken.
Die hervorragenden Darsteller runden das Bild ab. Gemma
Arterton und Sam Claflin überzeugen in ihren Duellen um Worte und der
Entwicklung ihrer persönlichen Beziehung und Bill Nighy schafft es einmal mehr,
eine nuancierte Darstellung abzuliefern, die seine Figur eines eitlen und
selbstverliebten Schauspielers nicht zur Karikatur werden lässt, sondern zu
einem zwar exzentrischen aber am Ende sympathischen Charakter.
Der feine Humor kommt nie mit dem Holzhammer daher, die
dramatischen Episoden rühren genauso wie die sentimentalen und so ist „Ihre
beste Stunde“ ein kleines Meisterwerk geworden, einer der schönsten und
unterhaltsamsten Filme dieses Jahres.
Regie: Lone Scherfig
Drehbuch: Gaby Chiappe
Kamera: Sebastian Blenkov
Musik: Rachel Portman
Kostüme: Charlotte Walter
Hair & Make Up: Elizabeth Yianni Georgiou
Darsteller: Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy,
Jake Lacy, Jack Huston, Helen, Jeremy Irons
GB 117 Minuten
Deutscher Kinostart: 06. Juli 2017
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