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Freitag, 30. Juni 2017

Film-Rezensionen: Their Finest (Ihre beste Stunde)

Der Film führt uns zurück in das Jahr 1940, London leidet unter dem Krieg und den Bombenangriffen der deutschen Luftwaffe. Das Kino hat in diesen Zeiten die wichtige Rolle, etwas zur positiven Stimmung der Bevölkerung beizutragen, aber die zu diesem Zweck unter der Aufsicht des Informationsministeriums produzierten Propagandafilme, in denen tapfere Männer und aufopferungsvolle Frauen den Durchhaltewillen der Zuschauer wecken und stärken sollen, wirken verlogen und kommen nicht recht an. Das Gebot der Stunde lautet „Authentizität“ und „Optimismus“.

Um diese Botschaft besser zu transportieren soll dem rein männlichen Autorenteam um den zynischen Tom Buckley (Sam Claflin) eine Frau zur Seite gestellt werden. Damit möchte man vor allem die vielen weiblichen Kriegsarbeiterinnen an der Heimatfront ansprechen, und so bekommt die Werbetexterin Catrin Cole (Gemma Arterton) die Chance, beim Film anzuheuern. Sie braucht den Job, um sich und ihren Ehemann Ellis (Jack Huston), einen vielversprechenden, aber erfolglosen Künstler über Wasser zu halten. Seine Bilder vom Schrecken des Krieges stoßen in der aktuellen Situation auf wenig Resonanz.
Catrin lässt sich von der arroganten Haltung Tom Buckleys, der von dem geforderten „Schmalz“ nicht viel hält, nicht abschrecken und macht sich unverdrossen ans Werk. Auf der Suche nach einer Story für den nächsten Film stößt man auf eine auf wahren Ereignissen basierende Geschichte, bei der zwei junge englische Zwillingsmädchen sich mit dem altersschwachen Boot ihres ebensolchen Vaters auf den Weg über den Ärmelkanal gemacht haben sollen, um bei der Evakuierung tausender englischer Soldaten aus dem eingekesselten französischen Dünkirchen zu helfen.
Catrin wird zur Recherche an die englische Küste geschickt, wo sie feststellen muss, dass die heroische Tat leider nicht ganz so abgelaufen ist, wie sie in den Zeitungen zu lesen war. So erlitt das Boot der Mädchen bereits auf halbem Weg einen Motorschaden und musste von heimkehrenden Evakuierungstruppen nach Hause geschleppt werden.

Aber die Geschichte ist zu schön, als dass man sie einfach aufgeben könnte, und im Folgenden wird daraus mit Inbrunst eine Story gestrickt, die alles beinhaltet, was die gebeutelten Menschen sehen und hören wollen, gespickt mit großen Gefühlen und heroischem Patriotismus. Catrin wirft ihre anfänglichen Bedenken bezüglich der historischen Ungenauigkeiten bald über Bord und macht sich enthusiastisch ans Werk, dient ihr Projekt letztlich doch dem höheren Ziel, Menschen im Elend der Kriegswirren wieder Mut und Hoffnung zu geben. Mit ihren Schreiberqualitäten überzeugt sie auch bald Tom Buckley, und so entwickelt sie sich mehr und mehr zu einer gleichberechtigten Kollegin, ein früher Schritt auf dem Weg zu einer beruflichen Emanzipation der Frauen. 
 
Eine brauchbare Darstellerriege zusammenzustellen ist in Kriegszeiten keine leichte Aufgabe, wenn die meisten jungen Männer an der Front sind. Es gelingt, den alternden, charismatischen und etwas selbstverliebten Ambrose Hilliard (Bill Nighy) zu gewinnen, der schon bessere Tage gesehen hat und zunächst wenig begeistert ist, aber man schreibt ihm eine schöne Rolle, mit der er schließlich zufrieden ist. Als Helden erfindet man die Figur des Soldaten Johnnie (Hubert Burton), der, selbst aus Dünkirchen herausgeholt, die Zwillinge auf ihrer dramatischen Schicksalsfahrt vor dem drohenden Schiffbruch bewahren soll, begleitet von einem kleinen Hund, den er in Frankreich in einer besonders anrührenden Szene vor dem sicheren Tod gerettet hat. Damit sind die Kriterien „Authentizität“ und „Optimismus“ erfüllt, als Zugabe ein kleiner Hund, was kann da noch schief gehen!
 
Catrin reist mit dem Filmteam zum Set an die Küste, wo die große Evakuierungsszenen gedreht werden, denn das Drehbuch muss ständig angepasst werden, je nachdem, welche Schwierigkeiten sich ergeben oder welche neuen Anforderungen seitens des Ministeriums eingebracht werden. So besteht der Kriegsminister (Jeremy Irons in einem Kurzauftritt) darauf, dass ein Amerikaner in die Handlung eingebaut werden müsse, um auch das amerikanische Publikum anzusprechen, schließlich bietet der dortige Markt ein immenses Potential. Ungeachtet der Tatsache, dass in Dünkirchen keine Amerikaner beteiligt waren, engagiert man kurzerhand einen hochdekorierten Kampfflieger namens Carl Lundbeck (Jake Lacy). Lundbeck, ein blonder, blauäugiger Amerikaner mit norwegischen Wurzeln, der auch in jeden Propagandafilm der Nazis passen würde, ist zwar im Luftkampf ein Ass, am Set jedoch ein hoffnungsloser Dilettant, was es notwendig macht, seinen ursprünglichen Text auf das absolut Notwendige zu reduzieren. Außerdem wird Ambrose Hilliard von Catlin überredet, Lundbeck Nachhilfe zu geben, was dieser zunächst nur widerwillig, dann aber mit immer mehr Vergnügen übernimmt. 

Während ihrer Abwesenheit bekommt Catrins Mann endlich die Gelegenheit, seine Bilder auszustellen und sie hat ein schlechtes Gewissen, nicht dabei sein zu können, aber ihre Arbeit geht vor. Je enger allerdings Catrin mit Buckley zusammenarbeitet, desto mehr scheint sich dieser für sie zu interessieren, und nach und nach entdeckt auch Catrin hinter seiner rauen Schale dessen charmantere Seiten. Als sich schließlich herausstellt, dass Catrin und Ellis gar nicht verheiratet sind, scheint der Weg für Buckley frei zu sein, aber aus Loyalität zu Ellis wehrt Catrin Buckleys Avancen ab. Selbst in einer wunderbar kitschig-romantischen Mondscheinszene am Meer widersteht sie und reist zurück nach London. Dort ertappt sie allerdings ihren Mann mit einer anderen Frau im Bett, damit ist dieses Kapitel für sie beendet. Der Weg für Catrin und Buckley wäre damit frei, aber dann muss Catrin schmerzhaft erfahren, dass das Drehbuch des Lebens seiner eigenen Dramaturgie folgt und sich leider nicht nach den eigenen Wünschen umschreiben lässt…

Der Film „Ihre beste Stunde“, basierend auf dem Roman „Their Finest Hour and a Half“ von Lissa Evans, hat alles, was ein guter Film haben muss. Er bietet Drama, Komödie und Romanze, und schafft es spielerisch leicht, all diese Elemente in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen.

Er macht sich liebevoll und mit ironischem Witz über das Filmemachen lustig, ohne dabei die Beteiligten lächerlich zu machen und ist eine Liebeserklärung an das Kino und seine magische Wirkung. Er wirft einen nostalgischen Blick zurück in Britanniens schwerste, aber auch tapferste Stunden, verkneift sich dabei jedoch jegliche Sentimentalität, dies sicher ein Verdienst der dänischen Regisseurin Lone Scherfig, die genügend Nähe zu ihrem Thema hat, aber als Nicht-Britin auch die nötige Distanz.
Es gibt romantische Szenen im Wechsel mit durchaus realistischen, wenn die Zerstörung und der Schrecken der Bombenangriffe ganz nah an die Protagonisten heranrücken.

Die hervorragenden Darsteller runden das Bild ab. Gemma Arterton und Sam Claflin überzeugen in ihren Duellen um Worte und der Entwicklung ihrer persönlichen Beziehung und Bill Nighy schafft es einmal mehr, eine nuancierte Darstellung abzuliefern, die seine Figur eines eitlen und selbstverliebten Schauspielers nicht zur Karikatur werden lässt, sondern zu einem zwar exzentrischen aber am Ende sympathischen Charakter.

Der feine Humor kommt nie mit dem Holzhammer daher, die dramatischen Episoden rühren genauso wie die sentimentalen und so ist „Ihre beste Stunde“ ein kleines Meisterwerk geworden, einer der schönsten und unterhaltsamsten Filme dieses Jahres.

Regie: Lone Scherfig 
Drehbuch: Gaby Chiappe  
Kamera: Sebastian Blenkov
Musik: Rachel Portman 
Kostüme: Charlotte Walter 
Hair & Make Up: Elizabeth Yianni Georgiou
Darsteller: Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy, Jake Lacy, Jack Huston, Helen, Jeremy Irons

GB 117 Minuten
Deutscher Kinostart: 06. Juli 2017













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