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Dienstag, 25. August 2020

Im Kino: Tenet

Der Inhalt des Films ist schnell auf den Punkt gebracht: Ein Mann versucht, die Welt zu retten.

Dabei gehorcht die Story auf den ersten Blick den Mustern eines Spionagethrillers mit allen Elementen, die dazu gehören. Der "Protagonist" genannte Agent (John David Washington) muss, angeheuert von einer geheimnisvollen Organisation namens Tenet, eine streng geheime Mission erfüllen, ihm zur Seite gibt es den Helfer, Neil (Robert Pattinson), dessen Rolle – wie es sich gehört – bis zum Schluss undurchsichtig bleibt. Es gibt eine schöne, geheimnisvolle Frau, Kat (Elisabeth Debicki), und dann ist da natürlich der Bösewicht, in diesem Fall der gewissenlose Waffenhändler Andrei Sator (Kenneth Branagh), dessen ruchloser Plan, die Welt zu vernichten, vereitelt werden muss. Die Handlung bewegt sich räumlich auf internationalen Schauplätzen zwischen Estland, Italien, Indien, Dänemark, Norwegen, Großbritannien und den Vereinigte Staaten, wie es sich für einen Thriller dieses Kalibers eben gehört, soweit liefe alles in den geordneten Bahnen des Genres ab.

Aber dann fügt Christopher Nolan, dessen Filme häufig von Sprüngen in Zeit und Raum geprägt sind (Memento, The Prestige, Inception), ein weiteres Element hinzu, das in den Bereich der Science-Fiction gehört, indem er sich ganz intensiv dem Spiel mit der Zeit widmet, dieser bekannten Unbekannten in unserem Leben. Zeit – nicht Geld – regiert die Welt. Mal zieht sie sich zäh wie Kaugummi, mal scheint sie nur so dahin zu fliegen, nichts bestimmt unser Leben so sehr, aber wie beschränkt erleben wir sie, nämlich linear, nach vorne gerichtet.

Filmische Verschiebungen von Zeitebenen sind zwar an sich nichts grundlegend Neues, aber Nolan entwickelt eine interessante Variante, in der Entropie und inverse Materie eine Rolle spielen, d.h. er bewegt sich entlang der Zeitachse hin, aber vor allem wieder zurück und lässt die Zeit – und mit ihr alles, was sich darin bewegt – immer mal wieder rückwärts laufen. So werden wir Zeugen eines militärischen Zangenangriffs in der vierten Dimension, bei dem militärische Truppen gleichzeitig vor und zurück auf einen bestimmten Punkt in Raum und Zeit zusteuern. Wer hierbei die Orientierung verliert, wird mit grandiosen Actionszenen entschädigt, die zum größten Teil nicht computeranimiert, sondern echt sind, so lässt er zum Beispiel eine riesige Frachtmaschine auf dem Flugfeld in einen Hangar rauschen und alles niederwalzen, was sich ihr in den Weg stellt. Auch wenn die Gedankenspielereien der Zeitmanipulationen kaum auf Anhieb nachzuvollziehen sind, ist die Geschichte spannend, voller gigantischer Bilder und unterlegt mit einem grandiosen Soundtrack, und Nolan hält sich an sein Motto: Unterhalte dein Publikum, aber fordere seine Intelligenz und Leidenschaft heraus. Zumindest die Helden auf der Leinwand behalten den Überblick und am Ende ist die Welt tatsächlich gerettet, ganz in der Tradition der "Mission Impossible“-Reihe, oder, noch augenscheinlicher, der Missionen eines James Bond.

Dabei stellt sich tatsächlich die Frage, ob Nolans Bond-Ansatz von ungefähr kommt, oder ob er mit Bedacht hier seine Visitenkarte abgegeben hat, zusammen mit einem Vorschlag für einen kommenden Bond-Darsteller?

Warner Bros. gebührt jedenfalls großer Dank und Anerkennung dafür, dass sie es – anders als zum Beispiel Disney mit der "Mulan"-Verfilmung, die demnächst auf dem hauseigenen Streaming-Dienst starten wird – in diesen Zeiten als einzige gewagt haben, einen großen Film dahin zu bringen, wo er hingehört: ins Kino mit seinen riesigen Bildern auf großer Leinwand, wo allein es möglich ist, dem Publikum eine Larger-than-Life-Erfahrung zu bieten, die kein Sofa-Streaming zu Hause auf dem TV-Bildschirm ersetzen kann, sei dieser auch noch so groß, von den kläglichen PC-/Tablet- oder gar Handybildschirmchen ganz zu schweigen. Dies ist ein wuchtiges Ausrufezeichen, ein Mahnmal, das darauf hinweist, was gerade auf dem Spiel steht, nämlich nichts weniger als die Zukunft des Kinos, dieses einzigartigen, magischen Raums, der nicht verschwinden darf. 

Daher der eindringliche Appell: geht ins Kino, damit diese Botschaft nicht zum Epitaph wird!

 

 Regie: Christopher Nolan

Drehbuch: Christopher Nolan

Kamera: Hoyte van Hoytema

Schnitt: Jennifer Lame

Musik: Ludwig Göransson

 Darsteller:

John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh, Dimple Kapadia, Martin Donovan, Fiona Dourif, Himesh Patel, Michael Caine

 

USA 2020

Warner Bros.

150 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 26. August 2020

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