Der arme Tischler Geppetto (Roberto Benigni) schnitzt eines Tages aus einem verzauberten Stück Holz eine Puppe (Federico Ielapi), die beste und schönste der Welt, und gibt ihr den Namen „Pinocchio“. Als diese Puppe kurz nach Fertigstellung zum (hölzernen) Leben erwacht, ist er überglücklich, glaubt er doch, endlich einen langersehnten kleinen Sohn zu haben. Leider erweist sich dieser ziemlich schnell als Tunichtgut, der sich naiv und unerfahren immer wieder vom rechten Weg abbringen lässt. Von bösen Gaunern betrogen und nach einer Reihe von schlimmen Abenteuern geht er einen harten Weg, bis ihm schließlich sein größter Wunsch erfüllt wird: endlich ein richtiger kleiner Junge aus Fleisch und Blut zu sein…
Diese Verfilmung des altbekannten Stoffes ist eine der besten und auch schönsten, die es bisher gab, aber Vorsicht: wer eine disneyhafte Neuauflage erwartet, wird enttäuscht und die FSK-Freigabe für Kinder ab 6 Jahre ist vielleicht nicht ganz angemessen. Zu düster und realistisch kommen einige Szenen daher und breiten dabei ein skurriles Panoptikum von bizarren Menschen- und Märchenwesen in der Kulisse eines tristen und ärmlichen Italiens des 19. Jahrhunderts aus, exakt so wie es der Autor Carlo Collodi seinerzeit ersonnen hat, und genau dies sorgt für eine fesselnde Atmosphäre, die den Zuschauer mehr und mehr in die Geschichte um die kleine widerborstige Puppe hineinsaugt.
„Pinocchio“ war das erste Buch, das ich im Alter von sechs Jahren gelesen habe, es hat mich erschreckt und aufgewühlt, und diese Wirkung hatte es auch bei späterem Lesen noch, weil, wie in allen Märchen, bis zur erlösenden Katharsis so viel Schlimmes passiert, heraufbeschworen durch eigene Dummheit, die Umstände des Lebens oder die Schlechtigkeit anderer Menschen. Im Grunde steht natürlich die Botschaft von Vorlage und Film – gehorche deinen Eltern, lerne fleißig und arbeite hart – dem heutigen Zeitgeist diametral entgegen, in dem Spaß und Hedonismus zum Credo einer unbeschwerten Kindheit und Jugend, möglichst eines ganzen Lebens, geworden sind, aber so war das Leben früher nicht, und wie schnell es mit dem ausgelassenen Spaß ein Ende haben kann, erfahren wir in Corona-Zeiten gerade wieder schmerzlich. Entscheidend ist am Ende, ob man selbst ein gutes Herz hat und sich dieses bewahrt, und das hat die Fee in Pinocchio immer gesehen und ihn deshalb nie aufgegeben.
Der Film besticht mit seiner Ausstattung und der durchaus liebevollen Skizzierung auch der Nebenfiguren, die genau so, skurril und wundersam, das Buch bevölkern, in der italienischen Originalfassung passen auch die Stimmen exakt zu den überzeichneten Charakteren. Von Pinocchio selbst beeindrucken vor seiner Menschwerdung seine dunklen, tiefgründigen Augen im ansonsten unbeweglichen Holzkopf, und Roberto Benigni gibt seinem ärmlichen Geppetto eine ernsthafte Würde, die ihn immer an das Gute in seinem Pinocchio – und letztlich damit auch der Menschen – glauben lässt, wofür er dann am Ende belohnt wird.
Alles in allem sehenswert für alle, die einmal etwas anderes als den gewohnten Disney-Kitsch sehen und zur Ur-Geschichte dieses Klassikers zurückfinden möchten!
Regie: Matteo Garrone
Drehbuch: Matteo Garrone, Massimo Ceccherini, b/a Buch von Carlo Collodi
Kamera: Nicolai Brüel
Schnitt: Marco Spoletini
Musik: Dario Marianelli
Darsteller:
Federico Ielapi, Roberto Benigni, Rocco Papaleo, Massimo Ceccherini, Marine Vacth, Gigi Proietti, Massimiliano Gallo
Capelight Pictures
Italien 2019
FSK 6
125 min.
DVD/ Blu-ray
Amazon Prime
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