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Mittwoch, 28. Februar 2018

Film-Rezensionen: Three Billboards outside Ebbing, Missouri

Die (fiktive) Kleinstadt Ebbing irgendwo in Missouri, USA, ist einer dieser Orte… 

Das Städtchen unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von jedem anderen Nest, das man bei kurzer Durchfahrt als klein, vielleicht idyllisch, aber nichtssagend einordnen würde. Hinter der harmlosen Fassade schlummert jedoch der ein oder andere Abgrund.


Es hat ein schreckliches Verbrechen gegeben, eine junge Frau ist ermordet und vergewaltigt worden und der Täter konnte nicht ermittelt werden. Die Mutter des Opfers, Mildred Hayes (Frances McDormand), verhärmt und verbittert, kann sich nicht damit abfinden und mietet eines Tages drei riesige Werbetafeln am Ortsrand, um auf die Untätigkeit der Polizei hinzuweisen, ein Aufschrei und eine öffentliche Anklage, bei der sie den Polizeichef Willoghby (Woody Harrelson) persönlich für die Unfähigkeit der Polizei verantwortlich macht, die sich in ihren Augen mehr auf die Jagd auf schwarze Jugendliche konzentriert, als auf die Aufklärung wirklicher Straftaten. 

Besonders der tumbe Jason Dixon (Sam Rockwell) steht für das Versagen der Staatsmacht, ein unkontrolliert marodierender rassistischer Polizist mit Alkoholproblem, der bei seiner ebenso rassistischen Mutter lebt. Auch für ihn hat Mildred nur Verachtung übrig, dabei wird ihr Kreuzzug für Gerechtigkeit im Laufe des Films selbst immer fragwürdiger. Ihre Radikalität ist zwar für die Mutter eines Verbrechensopfers verständlich, mit rechtsstaatlichen Prinzipien aber nicht immer kompatibel. Um diesen Kern von Protagonisten kreisen noch weitere schräge Figuren, so Mildreds Ex-Ehemann Charlie, der inzwischen mit einem 19-jährigen Dummchen herumzieht und ein kleinwüchsiger Verehrer Mildreds (Peter Dinklage), der ihr bei einer ihrer völlig aus dem Ruder gelaufenen Aktionen beisteht.

Mit dem neugierigen Blick eines Insektenforschers erschafft Regisseur McDonagh ein Biotop der Monstrositäten. Es ist kein Abbild der (amerikanischen) Gesellschaft an sich, vielmehr bekommt der Zuschauer einen Blick hinter die Fassade einer Familie, deren Mitglieder untereinander zutiefst zerstrittenen sind, dann aber doch wieder zusammenhalten, weil man eben irgendwie zusammengehört. Man geht nicht zimperlich miteinander um, die teilweise grobschlächtige Sprache ist oft verletzend und meistens so gemeint, manchmal vermittelt sie aber auch eine Intimität, die es eben nur in Familien gibt, die zusammenhalten, egal, welche Prüfungen das Schicksal bereit hält.
  Die Akteure handeln brutal, sind aber auch gleichzeitig verletzlich, und erst die tröstenden und weisen Worte eines Toten, die dieser in mehreren Abschiedsbriefen an seine Schäfchen richtet, gibt manchem von ihnen eine neue Perspektive und den entscheidenden Denkanstoß, dass die ganze Wut, die sich durch alle ihre Handlungen zieht, nur noch größere Wut erzeugt. Die fragwürdige Läuterung des Rassisten Dixon wird so nachvollziehbar, und wenn er sich am Ende mit seiner größten Widersacherin zusammentut, um einen Fremden zu bestrafen, der zwar leider nicht als Mörder von Mildreds Tochter in Frage kommt, aber offensichtlich ein anderes Verbrechen auf dem Kerbholz hat, haben die beiden immer noch nicht die ganze Lektion gelernt, aber es besteht Hoffnung, es ist noch nicht alles verloren in Ebbing, Missouri.  


Regie: Martin McDonagh
Drehbuch: Martin McDonagh 
Kamera: Ben Davis 
Musik: Carter Burwell
Darsteller: Frances Mc Dormand, Woody Harrelson; Sam Rockwell, Caleb Landry Jones, Peter Dinklage, Sandy Martin, Lucas Hedges, John Hawkes, Darrell Britt-Gibson

20th Century Fox; Fox Searchlight Pictures
USA, 115 min.
FSK 12
Im Kino seit 25. Januar 2018













Dienstag, 27. Februar 2018

Film-Rezensionen: Red Sparrow


Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) tanzt als Primaballerina bis ihre Karriere durch eine Verletzung abrupt gestoppt wird. Als sie herausfindet, dass sie einer bösen Intrige zum Opfer gefallen ist, rächt sie sich und ihr drastisches Vorgehen dabei liefert bereits recht früh den Hinweis, dass mit ihr nicht zu spaßen ist.

Um ihre kranke Mutter weiter unterstützen zu können, lässt sie sich von ihrem Onkel Vanya Egorov (Matthias Schoenaerts), der ein hohes Tier beim russischen Geheimdienst SWR ist, für eine geheimdienstliche Mission rekrutieren. Hierbei wird voller Körpereinsatz von ihr gefordert und sie erfüllt ihre Aufgabe bravourös. Damit empfiehlt sie sich für eine geheimdienstliche Schule für junge Spione unter Leitung einer beinharten Ausbilderin (Charlotte Rampling).
Die „Red Sparrows“ genannten jungen Leute werden in brutaler Weise darauf gedrillt, Körper und Geist gleichermaßen als Waffe für ihr Land einzusetzen und Dominika erweist sich als eine der besten Absolventinnen. Onkel Vanya ist mehr als zufrieden und betraut sie mit der Mission, einen Maulwurf in den eigenen Reihen aufzuspüren. Hierfür soll sie sich an den amerikanischen CIA-Agenten Nate Nash (Joel Edgerton) heranmacht, der kurz bevor der Maulwurf enttarnt werden konnte, Russland Hals über Kopf verlassen musste. Von Budapest aus setzt er alles daran, seinen Mann zu schützen, während Dominika ihrem Ziel, Nate Nash zu täuschen, um den Maulwurf zu enttarnen, immer näher zu kommen scheint. Aus diesem Katz-und-Maus-Spiel entwickelt sich ein Spionage-Thriller, der immer wieder, wie es sich für das Genre gehört, die Seiten wechselt, und am Ende ist es Dominika, die meisterlich und eiskalt die Fäden zieht.

Der Film, der auf dem Buch des EX-CIA-Mannes Jason Matthews beruht, ist trotz seiner immer wieder überraschenden Wendungen, nichts für Liebhaber der gepflegten Agentengeschichte, und wenn in einer Welt, in der niemand niemandem vertrauen kann, sich die russische Spionin und der amerikanische CIA-Agent mit dem Dialog näher kommen: „Kann ich Dir vertrauen?“ – „Ich verspreche es Dir“, mutet dies schon ein wenig unfreiwillig komisch an. Ungeklärt bleibt zudem die Frage, weshalb trotz Gebrauchs aktueller Handys höchstwichtige geheime Informationen immer noch auf Disketten gespeichert werden und warum alle Russen untereinander Deutsch (bzw. in der Originalfassung Englisch) mit russischem Akzent sprechen.

Wer über solche Dinge hinwegsehen kann und auf knallharte Actionszenen steht, der kommt allerdings auf seine Kosten, hier schöpft der Film aus dem Vollen und zeigt sich in den betreffenden Passagen nicht zimperlich. Jennifer Lawrence wandelt als eiskalte schwarze Witwe mit ebensolchem Gesichtsausdruck durch die insgesamt langen 139 Minuten, Charlotte Rampling und Jeremy Irons sind Russen wie aus dem Bilderbuch des kalten Krieges, während Joel Edgerton den Part des guten Amerikaners gibt, einzig Matthias Schoenaerts verleiht seinem Onkel Vanya eine gefährliche Intensität.

Regie: Francis Lawrence
Drehbuch: Justin Haythe b/a Buch von Jason Matthews 
Musik: James Newton Howard 
Kamera: Jo Willems
Darsteller: Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts, Jeremy Irons, Mary-Louise Parker, Charlotte Rampling

20th Century Fox, 139 min.
FSK 16
Kinostart: 01. März 2018










Donnerstag, 8. Februar 2018

Film-Rezensionen: Alles Geld der Welt (All the Money in the World)


Anfang der 70ger Jahre des vorigen Jahrhunderts galt der amerikanische Öl-Tycoon J. Paul Getty als der reichste Mensch der Welt, er war bereits Milliardär, als viele andere noch versuchten, in den Kreis der Millionäre zu gelangen. Sein unglaublicher Reichtum weckte Begehrlichkeiten und so wurde 1973 einer seiner Enkel – John Paul Getty III – in Rom entführt. Für dessen Freilassung sollte der Großvater 17 Millionen Dollar zahlen, der Film von Ridley Scott – basierend auf John Pearsons Buch „Painfully Rich: The Outrageous Fortunes and Misfortunes of the Heirs of J. Paul Getty“ – arbeitet die Geschichte dieser Entführung akribisch auf. 

Obwohl es die farbigste Phase des Films ist, lässt Ridley Scott den 16-jährigen Paul (Charlie Plummer) zu Beginn in schwarz-weißen Bildern sorglos durch das Nachtleben des quirligen Roms jener Zeit flanieren, bis er bei einem seiner Streifzüge in einen Lieferwagen gezerrt und entführt wird. Ab diesem Moment kehrt zwar die Farbe in den Film zurück, die durchgehend fahle und bleierne Atmosphäre jedoch schafft Bilder, die viel farbloser wirken, als die schwarz-weißen zuvor.


Der Junge harrt irgendwo auf dem Land in einer erbärmlichen Arrestzelle auf seine Rettung, diese ist jedoch nicht in Sicht, denn der alte Getty (Christopher Plummer) weigert sich strikt, auch nur einen Cent des geforderten Lösegelds zu zahlen. Nach seiner Auffassung liegt die Schwierigkeit nicht darin, viel Geld zu machen, sondern dieses viele Geld auch zu behalten und da er noch 13 weitere Enkel hat, fürchtet er um sein Vermögen, wenn seine Zahlung Nachahmer auf den Plan ruft. Außerdem macht er sich mehr als bereitwillig die These seines Sicherheitsberaters, des Ex-CIA-Agenten Fletcher Chase (Mark Wahlberg) zu eigen, nach dem die Entführung nur inszeniert wurde, um dem jungen Paul, dessen Vater nicht zu den erfolgreichen Vertretern der Familie Getty gehört, vorzeitig zu seinem Erbe zu verhelfen.


Einzig die verzweifelte Mutter Gail (Michelle Williams) setzt alle Hebel in Bewegung, um ihren Jungen zurückzuholen, dabei hat sie weder Geld noch die nötigen Beziehungen, um zum Erfolg zu kommen, aber das macht sie mit Herzblut und übermächtigem Engagement wett. Obwohl Fletcher Chase ihr schließlich hilft und sie gegen den alten Getty unterstützt, stocken die Verhandlungen mit der für die Entführung verantwortlichen kalabrischen ’Ndrangheta ein ums andere Mal und es vergehen Wochen und Monate, in denen die Situation für den jungen Paul immer auswegloser wird, da der Fall auf Tatsachen beruht, ist es allerdings kein Geheimnis, dass Paul am Ende (fast) unversehrt nach Hause zurückkehrt.

Fasziniert und angewidert zugleich zeichnet Ridley Scott das Porträt eines reichen, geizigen alten Mannes, dem Kunst und Kunstwerke mehr bedeuten als menschliche Nähe. Menschen neigen in seinen Augen dazu, unaufrichtig, geldgierig und faul zu sein und so widmet er sich, ganz in seinen Landsitz und seinen Luxus vergraben, den zwei Dingen, die seinem Leben Sinn geben, dem Geldverdienen und den schönen Künsten. Letzteres lässt ihn zu einem bedeutenden Kunstsammler und –mäzen werden. Ob ihm das Leben seines entführten Enkels am Herzen liegt, ist nicht erkennbar, denn er hat es gegen alle Eindringlinge fest verschlossen. Dass seine Kälte und Griesgrämigkeit die Figur nicht zu einer bösen Karikatur geraten lassen, liegt an dem grandiosen Christopher Plummer, der die Rolle kurzfristig übernommen hat, nachdem der Regisseur Scott sich entschlossen hatte, aufgrund des Skandals um Kevin Spacey, der ursprünglich verpflichtet worden war, diesen komplett aus dem fast fertigen Film herauszuschneiden und sämtliche seiner Szenen mit Plummer nachzudrehen. Überragend ist außerdem Michelle Williams, die sich in ihrer kafkaesken Lage, in der andere Menschen, die Entführer, der alte Mann, die erfolglose Polizei, über das Schicksal ihres Sohnes bestimmen wollen, all ihre Kräfte mobilisiert und letztlich auch Erfolg hat.
Dass der Film trotz des dramatischen Inhalts und der herausragenden Darsteller nicht über 132 Minuten fesseln kann, liegt nicht daran, dass die Geschichte und damit das Ende bekannt ist. Vielmehr fehlt es an einer straffen Erzählweise, die die Handlung konsequent vorantreibt. Ein paar unnötige Rückblenden, die langwierigen Szenen, die den Entführern gewidmet werden, deren Charaktere nicht viel hergeben sowie die überflüssige Geschichte rund um den farblosen FBI-Mann Chase lassen die durchaus aufkommende Spannung leider immer wieder abflauen und der Film quält sich seinem Ende entgegen, an dem nicht nur das Entführungsopfer dankbar ist, als es vorbei ist.



Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Scarpa, John Pearson b/a seiner Buchvorlage
Kamera: Dariusz Wolski
Musik: Daniel Pemberton
Darsteller: Michelle Williams, Christopher Plummer, Charlie Plummer, Romain Duris, Mark Wahlberg, Timothy Hutton



USA 132 min.
Deutscher Kinostart: 15. Februar 2018