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Mittwoch, 26. Oktober 2022

Im Kino: See How They Run

Zu Beginn der 1950ger Jahre landet die Schriftstellerin Agatha Christie einen Riesenhit, ihr Krimi „Die Mausefalle“ („The Mouse Trap“) wird zum erfolgreichsten Theaterstück, das je im Londoner West End auf die Bühne kam. Da dauert es nicht lange, bis Hollywood zwecks Verfilmung an die Tür klopft. Doch schon bald fällt der vorgesehene, bei allen höchst unbeliebte, amerikanische Regisseur Leo Kopernick (Adrien Brody) einem Mordanschlag zum Opfer. Inspektor Stoppard (Sam Rockwell) und seine junge, übereifrige Kollegin Constable Stalker (Saoirse Ronan) machen sich an die Arbeit, um das Verbrechen aufzuklären, bevor der Mörder möglicherweise erneut zuschlägt..

Wohltuend altmodisch, aber auf äußerst vergnügliche Weise, wird hier ein Krimiplot ganz im Stil und den Kostümen der 1950ger Jahre entwickelt. Der Schauplatz des Verbrechens eignet sich mit seinem umfangreichen Theaterensemble hervorragend für das Katz-und Maus-Spiel (no pun intended… Oder vielleicht doch?) mit dem Mörder, dabei sind die selbstreferenziellen Anspielungen und Ausflüge auf die Metaebene für geübte Krimileser überaus amüsant. Der erfahrene Inspektor hat es nicht leicht, seiner jungen Kollegin immer ein Vorbild und guter Lehrmeister zu sein, zuweilen neigt sie zu vorschnellen Schlüssen und schießt dabei manches Mal weit über das Ziel hinaus. Aber sowohl Sam Rockwells pfiffiges Spiel, als auch ganz besonders das unerwartete komödiantische Talent, das Saorise Ronan hier an den Tag legen darf, machen einfach nur Spaß und man merkt den Akteuren, einschließlich des herrlich widerlichen Adrien Brody an, dass sie ebensolchen hatten.

Ganz nebenbei erfährt man übrigens, wieso es bis heute keine Verfilmung des Erfolgsstücks „Die Mausefalle“ gibt, das, von einer erzwungenen Coronapause abgesehen, noch immer Abend für Abend auf einer Theaterbühne gespielt wird.


 

Regie: Tom George

Drehbuch: Mark Chappell

Kamera: Jamie Ramsay

Schnitt: Gary Dollner, Peter Lambert

Musik: Daniel Pemberton

 

Besetzung:

Adrien Brody, Saoirse Ronan, Sam Rockwell, Harris Dickinson, David Oyelowo, Ruth Wilson, Pearlm Chanda, SiannClifford, Shirley Henderson

 

Searchlight Pictures

GB 2022

98 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 27. Oktober2022

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=QvEzG3M3LQw (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=lau5MCoE3l0 (Englsich)

 

 

Montag, 10. Oktober 2022

Heimkino: Catherine, Lady wider Willen (Catherine, genannt Birdy) (Catherine Called Birdy)

Tiefstes Mittelalter, irgendwo in England: Catherine (Bella Ramsey), wegen ihrer Liebe zu den Vögeln in ihrer Voliere von allen nur Birdy genannt, wächst auf der zugigen Burg ihres Vaters, Lord Rollo (Andrew Scott), auf. Das Leben ist nicht einfach, ihre immer wieder schwangere Mutter, Lady Aislin (Billie Piper), verliert ein Baby nach dem anderen und Birdy, gerade einmal 14 Jahre alt, soll, um die Finanzen des verschwenderischen Vaters zu sanieren, an einen reichen Freier verheiratet werden. Birdy wehrt sich mit allen Mitteln gegen ihr Schicksal, pfiffig und einfallsreich vergrault sie einen Heiratskandidaten nach dem anderen, aber wird es ihr am Ende tatsächlich gelingen, sich gegen ihren Vater durchzusetzen?

Dem Film zugrunde liegt das gleichnamige erfolgreiche Jugendbuch von Karen Cushman, in dem mit leichter Hand das Schicksal dieses Mädchens namens Birdy beleuchtet wird, ein feministisches Manifest ohne erhobenen Zeigefinder und ohne die Erdenschwere, mit der ein solches Thema ansonsten gerne angegangen wird. Lena Dunham hat dankenswerterweise diese Leichtigkeit genau so übernommen und präsentiert eine liebenswerte Komödie, ohne den ernsten Hintergrund zu vernachlässigen. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen auch im Mittelalter trotz aller in unseren Augen misslichen Lebensumstände nicht durchgehend schwermütig durch ihr Leben gegangen sind, es wird geliebt, gelacht und gefeiert und Birdy, von Bella Ramsey genial verkörpert, ist immer mittendrin.

Doch zwischen diesen heiteren und manchmal derben Szenen wird es immer wieder bitterernst und der Finger in eine Wunde gelegt, die bis heute, trotz aller Entwicklung, nicht vollständig geschlossen ist, denn das Recht eines jungen Mädchens auf ein eigenbestimmtes Leben ist nach wie vor noch nicht überall selbstverständlich. Dunham geht aber noch einen Schritt weiter und nimmt sich im Unterschied zur Buchvorlage die Freiheit heraus, auch die Fremdbestimmtheit des Vaters zu thematisieren, der wiederum von seinem Vater in seine Rolle hineingedrängt wurde. Natürlich bleibt er dennoch ein Arschloch und es ist für seine Tochter absolut legitim, sich ihm zu widersetzen, aber es zeigt auch, dass Selbstbestimmtheit das Recht eines jeden Menschen ist, und dazu gehört eben das Lösen aus festzementiert scheinenden Rollenbildern, damals wie heute. Lord Rollos andere Seite und seine emotionale Tiefe beleuchtet Dunham vor allem während einer aufwühlenden Szene, in der Lady Aislin wieder einmal während einer Geburt beinahe das Baby und fast ihr eigenes Leben verliert, und dabei Andrew Scott darf erneut beweisen, was für ein großartiger Darsteller er ist.

Dunham gelingt das Kunststück, einem ernsten Thema die Verbissenheit zu nehmen, nett und heiter verpackt feuert sie stattdessen den Pfeil mit ihrer feministischen Botschaft, die bestimmte Menschen reflexartig abschrecken würde, genau dorthin, wo sie hingehört, nämlich mitten ins Herz.

 


Regie: Lena Dunham

Drehbuch: Lena Dunham, b/a dem Jugendroman von Karen Cushman

Kamera: Laurie Rose

Schnitt: Joe Klotz

Musik: Carter Burwell

 

Besetzung:

Bella Ramsey, Billie Piper, Andrew Scott, Lesley Sharp, Joe Alwyn, Sophie Okonedo, Dean-Charles Chapman, Isis Hainsworth, Archie Renaux, Paul Kaye, Michael Woolfitt

  

Amazon Prime

USA 2022

FSK 12

108 min.

Ab 07. Oktober 2022 im Stream

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=fPiztxYR9sU (Englisch)

Heimkino: Fleabag - Staffel 1 & 2

Wenn man die Jugendjahre hinter sich gelassen hat ist meistens Schluss mit lustig, man versucht, sich im Job und einer dauerhaften Beziehung zu etablieren, Familien werden gegründet, Kinder in die Welt gesetzt und das Ganze wird frühestens mit Erreichen der Midlife Crisis das erste Mal wieder in Frage gestellt, wenn man darüber nachdenkt, ob das jetzt alles gewesen ist. Nicht so bei Fleabag (Phoebe Waller-Bridge), der Protagonistin dieser gleichnamigen britischen Miniserie, deren richtigen Namen wir nie erfahren. Sie ist jung, scheinbar selbstbewusst, aber tief in ihrem Inneren unendlich verletzlich. Sie ist laut und oft vulgär, dabei ungeheuer authentisch, aber ihr Leben driftet irgendwie ohne Plan dahin. Immer auf der Suche, ohne zu wissen, nach was, versucht sie, zurecht zu kommen, dabei möchte sie, wie es in einer herzergreifenden Szene einmal aus ihr herausbricht, nur jemanden an ihrer Seite, der ihr sagt, was sie tun soll.

In zwei Staffeln mit je sechs Episoden, nach einem Theaterstück und der Drehbuchadaption von eben jener Phoebe Waller-Bridge, die die Hauptrolle so mitreißend verkörpert, werden wir hineingezogen in ihre Welt, und am Ende, nach vielen Irrungen und Wirrungen und jeder Menge schräger Situationen, ist Fleabag zwar um einige Erfahrungen reicher, aber noch immer nicht angekommen (wo auch immer…), während wir eine gute Zeit hatten, ihr dabei zuzuschauen, denn die Serie ist, trotz vieler ernster Moment, witzig und pointiert, mit durchweg überragenden, spielfreudigen Akteuren.

Ein besonderes Element ist die permanente Durchbrechung der „vierten Wand“, d.h. Fleabag wendet sich immer wieder mit Worten oder auch nur Blicken in die Kamera direkt an uns und macht uns damit zu ihren FreundInnen, denn an denen mangelt es ihr nach dem Tod ihrer besten Freundin Boo (Jenny Rainsford), an dem sie sich unterschwellig schuldig fühlt. Aber wir werden auch zu ihren KomplizInnen, wenn sie uns offenbart, was sie wirklich denkt und fühlt, wenn sie in Gesprächen mit ihrem jeweiligen Gegenüber etwas ganz anderes sagt, und dieses Stilmittel, obwohl durchgehend angewendet, verliert überraschenderweise bis zum Schluss nicht seinen Reiz.

Von ihren wechselnden Liebhabern abgesehen, und davon gibt es etliche, meist eher sonderbaren Typen, die sie anzuziehen scheint, wie das Licht die Motten, ist Fleabag mit ihrer Familie in einer Art Hassliebe verbunden – aber sind wir das nicht alle? Da ist ihr verwitweter Vater (Bill Paterson), der sich anschickt, eine neue Ehe mit einer Künstlerin (Olivia Colman) einzugehen, die es hervorragend versteht, vermeintliche Nettigkeiten mit so vielen vergifteten Pfeilen zu spicken, dass einem Hören und Sehen vergeht. Fleabags Schwester Claire (Sian Clifford) hat zwar einen interessanten Job, ist dafür mit einem trinkenden Gatten (Brett Gelman) und einem leicht gestörten Stiefsohn (Angus Imrie) gestraft.

Als in der zweiten Staffel zur bevorstehenden Hochzeit des Vaters ein Priester ins Spiel kommt (Andrew Scott), der die Trauung vollziehen soll, erhält die Geschichte eine weitere tragikomische Komponente, denn Fleabag ist sofort Feuer und Flamme für diesen Mann, den sie nicht haben kann und darf, obwohl er auch an ihr interessiert zu sein scheint. Wie sich die beiden annähern, umkreisen und gemeinsam einsam sind, verleiht der Geschichte noch eine besondere Tiefe, auch und dank der besonderen Chemie zwischen Waller-Bridge und Scott, die einen nicht unwesentlichen Teil zum weltweiten Erfolg dieser Serie beigetragen hat. (Zur Vertiefung dieses Themas gebe man das Stichwort „Hot Priest“ bei Google o.ä. ein…).

Wer sich nicht von einem vielleicht etwas sperrigen Einstieg zu Beginn der ersten Staffel abschrecken lässt, wird mit einer außerordentlich vergnüglichen Serie belohnt, wird lachen und weinen, aber immer großartig unterhalten werden durch eine der besten, weil hervorragend geschriebenen und gespielten Serien dieser Art, bisher im Stream bei Amazon zu sehen und nun auf DVD und Blu-ray erhältlich. Und vielleicht wird dann am Ende auch noch eine Frage geklärt: Wo ist eigentlich Claire?



Regie: Harry Bradbeer, Tim Kirkby

Drehbuch: Phoebe Waller-Bridge

Kamera: Tony Miller, Laurie Rose

Schnitt: Gary Dollner, Paul Machliss

Musik: Isobel Waller-Bridge

 Besetzung:

Phoebe Waller-Bridge, Olivia Colman, Bill Paterson, Andrew Scott, Sian Clifford, Brett Gelman, Angus Imrie, Jenny Rainsford, Hugh Skinner, Ben Aldridge, Hugh Dennis, Jamie Demetriou, Ray Fearon, Christian Hillborg, Fiona Shaw

 

Fleabag Season 1 & 2

GB 2016 -2010

FSK 16

Ab 14. Oktober 2022 auf DVD/ Blu-ray

 

Details:

Bild: PAL 16:9 (DVD): Full HD 1080p (Blu-ray)

Ton: 5.1 Dolby Digital

Sprache: Englisch, Deutsch, deutsche Untertitel

Länge: 360 min. (DVD); 380 min. (Blue-ray)

EAN: 4260646121811 und 4260646121828

 

Trailer:

Staffel 1: https://youtu.be/VHOc6uDZ1Fo

Staffel 2: https://youtu.be/CCBanpfejeY