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Dienstag, 27. Juli 2021

Im Kino: Wer wir sind und wer wir waren (Hope Gap)

Als Jamie (Josh C’Connor) auf Einladung seines Vaters Edward (Bill Nighy) nach Hause in seinen Heimatort Seaford an der südenglischen Küste zurückkehrt, ahnt er nicht, dass Edward Hilfe dabei benötigt, der Mutter Grace (Annette Bening) mitzuteilen, dass er sich nach 29 Jahren Ehe von ihr trennen wird. Während für Edward die Entscheidung feststeht, versucht Grace zu halten, was nicht mehr zu halten ist, beide Eltern suchen dabei in Jamie einen Verbündeten, der er aber nicht sein kann, weil durch ihre Trennung auch ein Teil seines Lebens unwiderruflich beschädigt wird.

„Hope Gap“ heißt die Bucht zwischen den meerumtosten Klippen des Ortes, an dem sich dieses stille Drama abspielt, eindringlich und intensiv zeigt der Film, wie eine als selbstverständlich angesehene Gewissheit, nämlich eine glückliche und bis ans Lebensende dauernde Ehe zu führen, für die eine Partei zerstört wird, ohne dass man der anderen Partei einen Vorwurf machen könnte. Die Trennung kommt nicht wirklich überraschend, aber Edward hat den Vorteil, dass er seit langem Zeit hatte, mit der gemeinsamen Ehe endgültig abzuschließen, während Grace von jetzt auf gleich vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Außerdem hat Edward bereits eine neue Frau an seiner Seite, während Grace buchstäblich vor dem Nichts steht und den gesamten Ablösungsprozess noch vor sich hat.

Der Sohn der Familie, der von beiden Eltern jeweils bedrängt wird, zu helfen, stellt ernüchtert fest, dass seine Eltern offensichtlich nie wirklich zueinander gepasst haben. Edward, der stoische und in sich gekehrte Part, musste sich immer Anforderungen erwehren, denen er sich nie gewachsen fühlte, während Grace, die aktivere und emotionalere von beiden nie gemerkt hat, dass ihre Vorstellungen vom Glück selten die seinen waren. Die permanenten Reibereien waren für Grace stets Zeichen einer lebendigen und vitalen Beziehung, während sie für Edward die Hölle bedeuteten, und die auf Dauer das gemeinsame Glück erodierenden Vorwürfe und Missverständnisse wurden von Grace offensichtlich ausgeblendet. Dass dann ausgerechnet der passive Partner ausbricht, kommt für die beiden anderen daher umso überraschender, auch Sohn Jamie, Zeuge der jahrelangen Kabbeleien seiner Eltern, hat deren wahre Ursache immer verdrängt und steht nun vor der Frage, wie das alles sein eigenes Leben und seine Beziehungs(un)fähigkeit geprägt hat.  

Der Film ist wie die Landschaft, in der die Geschichte angesiedelt ist, einerseits schön und idyllisch, andererseits von unberechenbaren Wellen und stürmischem Meer umspült, und Regisseur Nicholson seziert unbarmherzig ein ganzes Leben, gibt aber auch Hoffnung für einen Neubeginn unter anderen Vorzeichen. Bill Nighy und Annette Bening liefern eine sehenswerte Leistung ab, vor allem Bening, die ihrer Figur so viele Facetten verleiht, von der alles umsorgenden Mutter und Ehefrau, die leidenschaftlich ihren Interessen und Hobbys frönt, bis zur mit allen Mitteln um ihren Mann und ihre Ehe kämpfenden Furie, die sich am Ende geschlagen geben muss.

Alles in allem ein sehenswerter Film über das Ende einer Beziehung, ohne Schuldzuweisungen und falsches Pathos, in großartiger Landschaft und mit ebensolchen Darstellern, traurig und schön zugleich!

 


 Regie: William Nicholson

Drehbuch: William Nicholson

Kamera: Anna Valdez-Hanks

Schnitt: Pia Di Ciaula

Musik: Alex Heffes

 

Darstellende:

Annette Bening, Bill Nighy, Josh O’Connor

 

Origin Pictures Produktion/ Tobis Film

GB 2019

100 min.

FSK 6

 

Deutscher Kinostart: 29. Juli 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=WtOk1oLp4wM

 

 

 

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