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Mittwoch, 28. Februar 2024

Heimkino: Anatomie eines Falls (Anatomie d’une Chute)

Die Schriftstellerin Sandra Voyter (Sandra Hüller) lebt mit ihrem Mann Samuel (Swann Arlaud) und dem kleinen Sohn Daniel (Milo Machado Graner), der nach einem Unfall fast blind ist, in einem abgelegenen Haus am Fuß der französischen Alpen. Als Samuel unter ungeklärten Umständen zu Tode kommt, wird Sandra des Mordes verdächtigt und Daniel ist ein wichtiger Zeuge, der mit seiner Aussage das Schicksal seiner Mutter in Händen hält…

Aus der Ausgangslage eines Todesfalls (sic!), der sich nicht eindeutig als Unfall, Selbstmord oder Mord darstellt, entwickelt sich ein vielschichtiges Gerichtsdrama. Für alle drei Varianten gibt es Hinweise, mehr aber auch nicht, denn in der Einsamkeit der Berghütte und wegen der limitierten Zahl von Personen, die zum Zeitpunkt des Geschehens anwesend waren, lassen sich keine eindeutigen Beweise finden. Also müssen Indizien herhalten, die von Staatsanwaltschaft und Verteidigung jeweils ihrer Lesart entsprechend aneinandergereiht werden, um die eine oder andere Hypothese zu untermauern.

Schnell richtet sich der Fokus auf die persönliche (Vor)Geschichte, und so wird aus der Anatomie eines Falls bald die einer Ehe, in der es durchaus Spannungen gab. Dabei kommen Dinge zur Sprache, die kein ganz so gutes Licht auf die Angeklagte werfen, aber wenn jeder Streit und jede Auseinandersetzung im Nachhinein in einem völlig veränderten Licht gesehen werden, würde wahrscheinlich die Hälfte der Bevölkerung zu potentiellen Tätern werden. Richtig dramatisch wird es, als die dritte Person in den Fokus rückt, nämlich der kleine Sohn, auf dessen Aussage sich mangels anderer Ansatzpunkte die Staatsanwaltschaft zu konzentrieren beginnt. Dessen Nöte und verzweifelten Versuche, für sich selbst zur Wahrheit zu finden, sind herzzerreißend, helfen den Zuschauerinnen und Zuschauern aber auch nicht auf der Suche nach einem eigenen abschließenden Urteil.

Die Frage nach der Wahrheit war immer eine der schwierigsten, gerade in letzter Zeit aber gerät man immer schneller in ein undurchdringliches Dickicht, in dem es kaum noch möglich scheint, sich zwischen objektiven und alternativen Fakten, gefühlten oder eingebildeten Wahrheiten einen Weg zu kämpfen, und ein Gericht, das stets dem Grundsatz verpflichtet ist, jede Person als unschuldig zu betrachten, solange ihre Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen ist, muss an irgendeinem Punkt die Waffen strecken.

Von eindrucksvoller schauspielerischer Leistung getragen, besonders durch die zu Recht viel gelobte Sandra Hüller, bietet der Film ein spannendes Drama, bei dem am Ende jeder seine eigene Version davon haben wird, ob hier eine Unschuldige oder eine Mörderin vor Gericht steht. Sollten jedoch die geringsten Zweifel an der Schuld bestehen, muss freigesprochen werden, ein Gedanke, der Vielen doch immer wieder schwer zu fallen scheint...

 

 

Regie: Justine Triet

Drehbuch: Justine Triet, Arthur Harari

Kamera: Simon Beaufils

Schnitt: Laurent Sénéchal

 

Besetzung:

Sandra Hüller, Swann Arlaud, Milo Machado-Graner, Samuel Theis, Messi, der Hund

 

Les Films Pelléas/ Lionsgate/ Plaion Pictures

2023

151 min.

FSK 12

 

Ab 29.02.2024 auf Blu-ray, DVD und digital

Sprache: Deutsch, Englisch/ Französisch

Untertitel: Deutsch

Extras: Interview mit Sandra Hüller, Geheimnisse vom Dreh mit Filmhund Messi

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ZDIaaBZbjd0 (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=vt0I2GnEwYc (Französisch/ Englisch)

 

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