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Donnerstag, 19. Juli 2018

Film-Rezensionen: Sicario 2 (Sicario: Day of the Soldado)

Die Grenze zwischen den USA und Mexiko ist das Schlachtfeld in einem Krieg, der nicht zu gewinnen zu sein scheint. Zu mächtig sind die Kartelle, zu lukrativ ist das Geschäft mit Drogen- und Menschenschmuggel und zu anziehend die USA als Markt und Sehnsuchtsort für Immigranten aus Lateinamerika.

Bereits im ersten Film „Sicario“ aus dem Jahr 2015 hatte das Rechtssystem quasi kapituliert. Die im Inland überhaupt nicht zuständigen Instanzen CIA und Armee bedienten sich, wenn auch nur zum Schein, einer letzten moralischen Instanz in Gestalt der Polizistin Kate Macer, sie ist in diesem Film nicht mehr dabei. Dabei sind aber wieder CIA-Agent Matt Graver (Josh Brolin) und Alejandro (Benicio Del Toro), der EX-Anwalt, der auf seinem privaten Rachefeldzug die Seiten wechselt, wie es ihm gerade nützt, solange er, dessen Familie von einem Kartellboss brutal getötet wurde, immer noch nicht alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen hat.

Die Situation an der Grenze hat sich in „Sicario 2“ insofern weiter verschärft, denn es werden neben Drogen und Immigranten offenbar auch Terroristen in die USA geschmuggelt. Gleich zu Anfang wird bei einem Selbstmordanschlag in einem amerikanischen Supermarkt eine Mutter mit ihrem Kind in Stücke gerissen, damit ist die Ausrichtung des Films klar: in diesem Krieg gegen skrupellose und gnadenlose Gegner müssen alle Mittel erlaubt sein und die Büchse der Pandora wird geöffnet.

CIA-Mann Matt, wird aus dem Mittleren Osten an die Heimatfront zurückbeordert und bekommt alle Freiheiten. Dass er die grundsätzlich gerne nutzt, zeigt er zuvor, als er einem verdächtigen Terrorunterstützer versichert, dass dieser keine Angst vor dem berüchtigten Waterboarding zu haben brauche, dies würde nur dort eingesetzt, wo man nicht foltern dürfe, hier jedoch könne er machen, was er wolle. Dass dies keine leere Worte sind, demonstriert er sogleich, indem er den renitenten Mann auf einem Bildschirm zusehen lässt, wie eine Drohne das Haus seines Bruders in die Luft sprengt.

Der Plan diesmal: Isabel (Isabela Moner), die Tochter des Kartellbosses Carlos Reyes zu entführen und es wie die Tat eines verfeindeten Kartells aussehen zu lassen, um einen Krieg zwischen den Kartellen anzuzetteln. Die Entführung ist eine militärische Aktion, durchgeführt auf mexikanischem Boden, ohne Rücksicht auf nationale oder internationale Gesetze. Nach wie vor ist Matts unwidersprochenes Credo, dass der Zweck alle, wirklich alle, Mittel heiligt.

Als bei der Operation etwas schief geht, bricht plötzlich auch die Allianz zwischen Matt und Alejandro auseinander und zwischen beiden steht Isabel, die zunächst keine Ahnung hat, was mit ihr geschieht, dann aber instinktiv begreift, in welches Spiel sie hier geraten ist und sich dieser Situation tapfer stellt.

„Sicario: Day of the Soldado“ lehnt sich in vielen Punkten an den ersten Film an, es gibt fast identische Luftaufnahmen des Grenzverlaufs in Wüstenfarben mit dem Niemandsland auf beiden Seiten, untermalt von ähnlich betörend dumpfen Celloklängen, die nach dem Tod von Jóhann Jóhannsson von Hildur Guðnadóttir kongenial adaptiert wurden. Das Drehbuch stammt wieder aus der Feder von Taylor Sheridan, aber der neue Regisseur Sollima hat sich offensichtlich auf die Fahnen geschrieben, den Kampf seiner Protagonisten um Recht und Ordnung mit noch entfesselteren Gewaltszenen zu untermalen. Nur wer bereit ist, die Grenzen zu überschreiten und selber über Leichen zu gehen, kann Kriege wie diese gewinnen, so die zynische Botschaft, die den waffenverliebten Amerikanern gefallen dürfte. Nur wer maximal aufrüstet und bereit ist, die Waffen auch ohne Skrupel einzusetzen, ist im Kampf gegen das Verbrechen noch handlungsfähig.

Dass dabei die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwinden, wie die Konturen in der flirrenden Hitze der amerikanisch-mexikanischen Wüste, nimmt der Film gerne in Kauf, mehr noch: er macht den Zuschauer genüsslich zu seinem Komplizen, indem er diesen über rasante und kompromisslose Actionszenen in seine Symphonie aus Rache, Vergeltung und scheinbar moralischer Überlegenheit hineinzieht.

Nichts für schwache Nerven, für Moralisten oder Verfechter einer rechtsstaatlichen Ordnung, aber ein harter und spannender Actionthriller an der Grenze des Erträglichen, der alte Westerntraditionen in das heutige Amerika zu transportieren versucht, dabei aber manchmal einen Schritt zu weit geht.



Regie: Stefano Sollima
Drehbuch: Taylor Sheridan
Kamera: Dariusz Wolski
Musik: Hildur Guðnadóttir

Darsteller:
Alejandro: Benicio Del Toro
Matt Graver: Josh Brolin
Isabel Reyes: Isabela Moner
Jeffrey Donovan, Catherine Keener, Manuel Garcia-Rulfo, Matthew Modine

studiocanal
122 min.
Kinostart: 19. Juli 2018

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