Gotham City im Jahr 1981 sieht aus wie New York City in den
1970ger und frühen 1980gern, alles ist vermüllt, zugesprayt, niemand nimmt
Rücksicht auf den anderen. Hier lebt Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) zusammen
mit seiner Mutter in einem schäbigen Apartment in einem ebenso schäbigen
Mietshaus. Arthur ist psychisch krank, besucht wöchentlich eine Sozialstation
der Stadt und verdient sein Geld als Ausleih-Clown. Trotz seiner gelegentlichen
schüchternen Kontaktversuche, z.B. mit einer hübschen Nachbarin, bleibt er ein
Außenseiter, ein Freak, und wird von seinem Umfeld auch als solcher
wahrgenommen, wozu die gelegentlichen unmotivierten,
hysterischen Lachanfälle,
unter den er leidet, beitragen. Insgeheim träumt er von einer Karriere als
Stand-up-Comedian und sein großes Vorbild ist TV-Talkshow-Host Murray Franklin
(Robert DeNiro), einmal wie er vor einem großen Publikum auftreten… Stattdessen
wird sein Leben immer kläglicher, er verliert seinen Job, seine Mutter wird
krank, die Nachbarin will nun wirklich nichts von ihm wissen und die
Sozialstation muss mangels Geld schließen. Einem solchen Menschen eine Waffe zu
schenken ist keine gute Idee, und das muss dann auch der Arbeitskollege
feststellen, der genau das getan hat, aber da ist Arthur schon auf dem Weg,
sich in den gefürchteten „Joker“ zu verwandeln, den späteren, unendlich bösen
Gegenspieler des ehrenwerten Bruce Wayne aka Batman. Der Film, der bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen bedacht wurde, zeigt das Psychogramm einer gequälten Kreatur, dabei wird allerdings das Zusehen selbst zur Qual, weil nichts und niemand einen positiven Ausweg aus dieser Tour de Force weist. Arthur Fleck wird als tragischer Clown stilisiert, aber mit den Clowns, die andere zum Lachen bringen, selbst aber tieftraurig ihr Leben verbringen, hat der von Joaquin Phoenix bereits mit allen Vorschusslorbeeren bekränzte Joker nichts, aber auch gar nichts, zu tun.
Ebenso wenig hat er den morbiden Charme eines Psychopathen, der in der Regel durch Intelligenz und planvolles Handeln besticht und der es auf faszinierende Weise versteht, andere Menschen zu manipulieren. Hannibal Lecter zum Beispiel ist ein Scheusal, aber er verfügte bei aller Abartigkeit über Witz und Kultiviertheit, was man von Arthur Fleck beim besten willen nicht sagen kann. Er war und ist ein Freak, der andere abstößt, ihm über den ganzen Film hinweg zuzuschauen bedeutet fast schon körperliche Pein, so dass sich noch nicht einmal Mitleid mit dieser erbärmlichen Figur einstellen will, wie man es vielleicht mit dem erkennbar als Vorbild dienenden Rupert Pupkin hatte, den Robert De Niro in dem Scorsese-Film „The King of Comedy“ verkörperte.
Schön ist das nicht, und die Gewaltakte, die aus dem „Joker“ schließlich hervorbrechen haben auch keine gesellschaftspolitische Relevanz, es sind kalkulierte Effekte, um einem vielleicht schon hartgesottenen Publikum – denn nur solche Leute werden sich diesen Film überhaupt ansehen wollen – doch noch ein paar Schockmomente zu bescheren und am Ende ist es nur ein gestörter Film über einen gestörten Menschen, bevor dieser zu einer Comicfigur wird.
Zumindest der Soundtrack mit Evergreens wie „Summer Wind“ und, natürlich, passenderweise „Send in the Clowns“, aber vor allem Hildur Guðnadóttirs betörende Klänge, sorgt für die morbide Schönheit, die dem Film ansonsten fehlt, allerdings haben die Macher des Films leider auch hier – wahrscheinlich ungewollt – mit dem alten Gary Glitter Werk "Rock &Roll, Part 2" etwas daneben gegriffen.
Bleibt noch die allseits hochgelobte schauspielerische
Leistung von Joaquin Phoenix, der in der Riege der Joker-Darsteller u.a. dem
für diese Rolle irgendwie prädestinierten Jack Nicholson nachfolgt, vor allem
aber in die riesigen Fußstapfen des posthum oscarprämierten Heath Ledger
tritt. Zweifellos bietet Phoenix eine intensive, kompromisslose One-Man-Show,
er trägt den gesamten Film auf seinen Schultern und verkörpert den Wahnsinn
erschreckend echt. Allerdings gibt er so oft in seinen Filmen den psychisch Gestörten, dass er mühelos aus diesem Pool von kaputten Typen schöpfen
kann und dies auch erkennbar tut. Da bereits ein Darsteller der kranken
Comic-Figur mit dem Oscar belohnt wurde, zeichnet bitte keinen weiteren dafür
aus, dann wollen ihn alle spielen…
Regie: Todd Phillips
Drehbuch: Todd
Phillips, Scott Silver
Kamera:
Lawrence Sher
Schnitt: Jeff
Groth
Musik: Hildur
Guðnadóttir
Darsteller:
Joaquin Phoenix, Robert
De Niro, Zazie Beetz
Warner Bros.
122 min.
FSK 16
Deutscher Kinostart:
10. Oktober 2019
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