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Dienstag, 24. Dezember 2019

Film-Rezensionen: Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão (A Vida Invisível)


Brasilien in den 1950ger Jahren: Die Schwestern Euridice (Carol Duarte) und Guida (Julia Stockler) blicken erwartungsvoll in die Zukunft, von der sie hoffen, dass sich ihrer beider Träume und Hoffnungen erfüllen werden, denen sie im Haus ihrer konservativen Eltern nachhängen. Euridice ist eine begabte Pianistin und wünscht sich nichts sehnlicher als eine Ausbildung an einem entsprechenden Konservatorium, während die lebenslustige Guida auf der Suche nach Liebe und dem Mann ihres Lebens ist. Der innige Zusammenhalt der Schwestern wird eines Tages durch unglückliche Umstände zerrissen, an diesem Schicksal trägt ihr engstirniger und unerbittlicher Vater (Antonio Fonseca) die Schuld, Euridice und Guida werden getrennt, aber die Sehnsucht nach der jeweils anderen und dem Leben, das sie eigentlich hätten führen wollen, wird sie den Rest ihres Lebens nicht mehr loslassen.

Was wie eine schreckliche Kitschschmonzette klingt, ist ein stimmungsvolles Melodram geworden, das sich nicht scheut, Gefühle in epischer Breite zu entfalten und dabei in ästhetischen, aber auch je nach Situation durchaus ungeschminkten Bildern zu schwelgen, wodurch die Tragik der Geschichte für den Zuschauer fast körperlich fühlbar wird. Die den Träumen der Schwestern entgegenstehende Wirklichkeit ist eine von Männern bestimmten Welt, in die Frauen sich fügen müssen, ganz gleich, welche Wünsche sie selbst haben. Eine Frau hat glücklich zu sein, wenn sie von einem Mann erwählt wird, der sie mit Unterhalt und Kindern versorgt, dabei werden alsbald jegliche romantischen Vorstellungen von Liebe durch die ernüchternde bis abstoßende Realität der ehelichen und sexuellen Realität beseitigt, bis man sich irgendwann aneinander gewöhnt hat und das Leben auf einem gleichförmig gewordenen Level stagniert, so war es, und so soll es möglichst immer bleiben.

Man kann den Film als Kritik an den gesellschaftlichen Umständen der Zeit und des Landes Brasilien verstehen, was die Schuld des Vaters relativiert, der, diesem Zeitgeist geschuldet, in seinen Augen das Richtige tat. Aber das Leben von Frauen wird auch heute noch von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten begleitet, in dem einen Land weniger, in dem anderen mehr. Entscheidend ist, sich nicht von erstarrten Konventionen fesseln zu lassen, ein zeitloser Auftrag an alle, die sich eine freie Gesellschaft wünschen, in der jeder nach seiner Façon glücklich werden darf, gleichgültig, ob Frau oder Mann.

Dass nun ausgerechnet ein männlicher Regisseur den Film in Szene gesetzt hat, scheint ein Anachronismus zu sein, aber letztlich kann es auf die Frage, ob ein Mann einen solchen „Frauenfilm“ drehen darf, nur eine Antwort geben: Ja natürlich, wenn der Film gut ist – und dieser ist es! Erst wenn das geschlechtliche Hinterfragen einer Leistung nicht mehr automatisch erfolgt, sondern die gleichberechtigte Möglichkeit sich zu verwirklichen für alle gegeben ist, sind die Probleme, die dieser Film anprangert, überwunden und wir sind da angelangt, wo wir hinwollen…

Regie: Karim Aïnouz
Drehbuch: Murilo Hauser, Inés Bortagaray, Karim Aïnouz; b/a dem Roman "A Vida Invisível de Eurídice Gusmão" von Marta Batalha 
Kamera: Hélène Louvart
Musik: Benedikt Schiefer

Darsteller:
Julia Stockler, Carol Duarte, Flávia Gusmão, António Fonseca, Hugo Cruz, Nicolas Antunes, Maria Manoella

 Piffle Medien GmbH
Brasilien/ Deutschland 2019
139 min.
Deutscher Kinostart: 26. Dezember 2019


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