Ingwer Feddersen (Charly Hübner), Geschichtsprofessor in Kiel, nimmt eine längere Auszeit, um sich in seinem nordfriesischen Heimatdorf Brinkebüll um seine alten Eltern (Peter Franke und Hildegard Schmahl) zu kümmern, die nicht mehr alleine zurecht kommen. Diese Aufgabe ist weit schwieriger als gedacht, die demente Mutter lebt in einer eigenen, fremden Welt, der störrische Vater ist abweisend und über die Anwesenheit des Sohnes gar nicht begeistert. Ingwer, selbst eher schweigsam und verschlossen, begibt sich auf eine Reise in seine Vergangenheit, in der Flurbereinigung und eigenwillige Dörfler sowohl die Landschaft als auch den Charakter der Menschen geformt haben, in der aber auch Vieles nicht so war, wie Ingwer bisher geglaubt hatte, was insbesondere für seine eigenen Familienverhältnisse gilt…
Der nach dem Erfolgsroman von Dörte Hansen entstandene Film zeichnet, wenn auch in einem fiktiven Dorf angesiedelt, ein eindringliches Porträt einer Region und ihrer Menschen, das sich allerdings erst nach und nach aus den wechselnden Zeitebenen mit Episoden aus den Jahren 1965, 1976 und 2012 zusammensetzt. Erst am Ende, mit dem letzten Puzzlestein, erkennen sowohl die Zuschauer als auch der Protagonist Ingwer das vollständige Bild, und alles, was anfangs verwirrend erscheint bekommt am Ende seinen Sinn.
Wer immer aus der Enge einer dörflichen Heimat in die Welt aufgebrochen ist, wird mit wechselnden Gefühlen dorthin zurückkehren. Einerseits gibt es diese schrecklich-schöne Vertrautheit, wenn es scheint, als sei die Zeit dort, wo man herkommt, einfach stehen geblieben und nichts hätte sich in irgendeiner Weise verändert. Andererseits, blickt man tiefer, erkennt man Vieles auch nicht wieder, weil natürlich die Zeit auch dort nicht spurlos vorbei gegangen ist. Diese innere Zerrissenheit verkörpert Charly Hübner in eindringlicher und bewegender Weise, wortkarg bewegt er sich durch diese vertraut-fremde Welt, in der niemand das Herz auf der Zunge trägt, weshalb die Norddeutschen als verschlossen, abweisend gar, gelten. Aber natürlich brodelt tief drinnen dieselbe Leidenschaft für das Leben, die Liebe und alles andere, nur redet man nicht unentwegt darüber.
Dieses Sittenbild eines Dorfes und einer Familie kommt zunächst durchaus so spröde daher, wie man sich das vorstellen mag, aber der Film berührt durch seine authentisch wirkenden Figuren und deren durchaus vorhandenen bodenständigen Humor, alles in allem ein Stück Heimatgeschichte, wie man sie gerne öfter sehen würde, kitschfrei und realistisch-dicht in Szene gesetzt, und wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sich die plattdeutsche Originalfassung gönnen, um noch ein Stück weiter in diese Welt einzutauchen.
Regie: Lars Jessen
Drehbuch: Catharina Junk, b/a dem Roman von Dörte Hansen
Kamera: Kristian Leschner
Schnitt: Sebastian Thümler
Musik: Jakob Ilja
Besetzung:
Charly Hübner, Peter Franke, Hildegard Schmahl, Rainer Bock, Gabriela Maria Schmeide, Gro Swantje Kohlhof, Julika Jenkins, Jan Georg Schütte, Lennard Conrad,
MajesticFilm
D 2022
93 min.
FSK 12
Deutscher Kinostart: 22. September 2022
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=DICJ3041z6Q
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen