Lydia Tàr (Cate Blanchett) ist die erste Chefdirigentin eines großen Orchesters, sie ist eine Macherin und strotzt vor Energie und Selbstbewusstsein. Zusammen mit ihrer Frau Sharon (Nina Hoss), der Ersten Violinistin des Orchester, und Tochter Petra (Mila Bogojevic) lebt sie in einer schicken Berliner Altbauwohnung und lässt ihr Leben von Assistentin Francesca (Noémi Merlant) durchorganisieren. Nichts scheint sie aufhalten zu können, aber dann bringt die neue junge Cellistin Olga (Sophie Kauer) alles durcheinander und nach und nach zeigt sich, dass Lydia doch nicht so perfekt ist, wie sie alle glauben machen möchte…
Die Figur der Lydia Tár ist eine fiktive, die wenigen Chefdirigentinnen, die es weltweit geben mag, sollten sich von ihrem Porträt nicht getroffen fühlen, denn sie steht sicher nicht beispielhaft für diesen Berufsstand. Beispielhaft soll dagegen ihr Weg an die Spitze in einer von Männern dominierten Branche stehen, hier ist die Frage, ob sich nicht alle Frauen getroffen fühlen sollten, denn es wird unterstellt, dass man rücksichtslos und selbstgerecht sein muss, um ganz nach oben zu kommen, dass man dabei die Macht, die man über andere erlangt, in jeder Hinsicht, sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht, für sich ausnutzt und dies somit kein „Privileg“ von Männern ist, sondern Frauen sich in vergleichbaren Situationen genauso verhalten. Machtmissbrauch wäre demnach geschlechtsneutral, eine These, über die sich nachzudenken lohnt, da bisher jedoch mehr Männer in den wirklich einflussreichen Positionen saßen, bleibt abzuwarten, ob Frauen nicht doch einen anderen, besseren Weg finden werden.
Cate Blanchett zieht bei dem Porträt dieser Frau alle Register ihres Könnens, sie lässt sie dominant und selbstgerecht erscheinen, aber auch hin und wieder verletzlich, wobei diese Momente nicht lange anhalten. Vor allem die Menschen in ihrem näheren Umfeld leiden unter ihren Launen, so scheut sie sich nicht, auch lange gewachsene Verbindungen zu kappen, wenn es ihr opportun erscheint.
Einer solchen Person über die ganze Länge des Films von 157 Minuten zu folgen, ist fast schon eine Zumutung, aber es lohnt sich am Ende, denn der Film fasziniert mit tiefen Einblicken in die Seele eines Menschen, ungeschminkt und mit allen Höhen und Tiefen, wie man ihn sie selten zu sehen bekommt, darüber hinaus ist es spannend, so hautnah bei der Entstehung eines Orchesterwerks dabei zu sein – ein Film für alle, die etwas Besonderes erleben und einer Vollblutakteurin wie Blanchett bei der Arbeit zusehen möchten.
Regie: Todd Field
Drehbuch: Todd Field
Kamera: Florian Hoffmeister
Schnitt: Monika Willi
Musik: Hildur Guðnadóttir
Besetzung:
Cate Blanchett, Noémi Merlant, Nina Hoss, Sophie Kauer, Mark Strong, Mila Bogojevic
Universal Pictures
2022
157 min.
FSK 6
Deutscher Kinostart: 02. März 2023
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=DEzQyWZOVHQ (Deutsch)
https://www.youtube.com/watch?v=TDwRtqEDD40 (Englisch)
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