Die amerikanische Star-Fotografin Nan Goldin hat die Kunst der Fotografie maßgeblich beeinflusst, ihr Blick auf Themen wie Sexualität, Sucht und Tod war und ist revolutionär. Nach eigenen Erfahrungen mit einem starken Schmerzmittel, aus dessen süchtig machenden Fesseln sie sich im Gegensatz zu unzähligen Anderen befreien konnte, engagiert sie sich mit Gleichgesinnten im Kampf gegen die Milliardärsfamilie Sackler, Eigner der Pharmafirma Purdue, die mit ihrem als harmloses Schmerzmittel vertriebenen Produkt OxyContin hauptverantwortlich für den gigantischen Opioid-Skandal in den USA war und ist, und erreicht, dass zahlreiche bedeutende Museen weltweit mit so klingenden Namen wie Louvre, Tate, Guggenheim und Met, die die Sacklers als Mäzene unterstützt haben, sich von diesen distanzieren.
Der Dokumentarfilm bewegt sich in zwei Strängen, die lange Zeit eher unverbunden nebeneinander herlaufen, einerseits das mit privatem Film- und Fotomaterial aus den Archiven Goldins erzählte Leben der Künstlerin und ihr Werdegang unter schwierigsten familiären Verhältnissen, und andererseits der öffentliche und lautstarke Kampf gegen die Familie Sackler und ihren Einfluss in der Kunstwelt. Dabei entsteht lange keine durchgehend harmonische Einheit, aber der Blick auf die private Nan Goldin und ihre Familiengeschichte hilft, die spätere Kämpferin und Aktivistin besser zu verstehen, so dass am Ende doch so etwas wie ein Gesamtbild entsteht, das sich dann allerdings fast ausschließlich auf die Künstlerin konzentriert.
Wer mehr über die gesamtgesellschaftliche Katastrophe der Opioid-Krise erfahren möchte, wird am Ende leider enttäuscht, denn dieser Skandal, sein Beginn und die genauen Zusammenhänge wird nur gestreift, hier vermisst man einen tieferen Blick auf die Familie Sackler, die seltsam gesichtslos bleibt. Deren Schuld und Verantwortung scheint am Ende mit Entfernung der Plaketten aus den Museen dieser Welt, auf denen sie als Mäzene benannt waren, getilgt zu sein, hier endet der Kampf der Künstlerin Goldin, aber der gegen die Familie Sackler ist damit eigentlich noch lange nicht zu Ende.
Dennoch bietet „All the Beauty and the Bloodshed“ ein starkes Porträt einer starken Frau, das bei den Filmfestspielen in Venedig 2022 mit dem Goldenen Löwen belohnt wurde – unter Vorsitz der Jurypräsidentin Julianne Moore sicher auch als politisches Statement gedacht – mit einem ebenso starken Filmtitel, der aber vielleicht etwas mehr verspricht, als er am Ende hält.
Regie: Laura Poitras
Kamera: Nan Goldin
Schnitt: Joe Bini, Amy Foote, Brian A. Kates
Musik: Soundwalk Collective
Beteiligte:
Nan Goldin, David Velasco, Megan Kapler, Marina Berio, Harry Cullen u.v.m.
Plaion Pictures/ Studiocanal
USA 2022
117 min.
FSK
Deutscher Kinostart: 25. Mai 2023
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=cHLLOf-rCHs&feature=youtu.be (Deutsch)
https://www.youtube.com/watch?v=YD5pYQiT1D4 (Englisch)
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