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Mittwoch, 18. Oktober 2023

Im Kino: Killers of the Flower Moon

Anfang der 1920ger Jahre residiert der Rinderbaron William Hale (Robert De Niro) in einem Landstrich von Oklahoma, der ansonsten vom stolzen Stamm der Osage bewohnt wird. Hale geriert sich als Freund der Osage, spricht sogar ihre Sprache, und er sieht es gern, dass sein gerade aus dem ersten Weltkrieg heimgekehrter Neffe Ernest Burkhart (Leoardo DiCaprio) die indigene Mollie (Lily Gladstone) heiratet. Als sich seltsame Todesfälle unter den Osage häufen, nimmt zunächst niemand groß Notiz davon, bis ein gewisser J. Edgar Hoover, der gerade in Washington dabei ist, eine neue Polizeieinheit zu gründen, einen Agenten (Jesse Plemons) schickt und erst dadurch eines der bemerkenswertesten Verbrechen der US-Geschichte aufgeklärt wird.

Die Geschichte ist wahr: Anfang des letzten Jahrhunderts erhielt der indigene Stamm der Osage von der US-Regierung ein Siedlungsgebiet im Bundesstaat Oklahoma zugewiesen. Eigentlich ein öder Landstrich, doch dann sprudelten dort unerwartet mächtige Ölquellen und die Osage wurden plötzlich zum Volk mit dem zeitweise höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Klugerweise wurde festgelegt, dass die jeweiligen Anteile an den Ölvorkommen von den Eigentümern und Eigentümerinnen nicht verkauft, sondern nur innerhalb der Familie vererbt werden konnten, um einen Ausverkauf der Rechte zu verhindern. Leider hatte der immense Reichtum der Osage eine Anziehungskraft auf (weiße) Glücksritter, Gauner und Diebe wie ein Scheißhaufen auf Schmeißfliegen. Durch Heirat mit Osage-Frauen und deren nicht weiter hinterfragtes anschließendes Ableben konzentrierten sich irgendwann die Öl-Anteile in nur noch wenigen Händen und erst das Einschreiten des neugegründeten FBI konnte den Skandal zumindest aufdecken, der sich hier über Jahre fast unbemerkt vollzogen hatte.

Scorsese hat aus diesem Stoff ein episches Werk geschaffen, das er detailreich ausbreitet und wofür er sich fast 3 ½ Stunden gönnt. Dies ist am Ende dann doch etwas zu viel des Guten, denn er hält nicht lange hinter dem Berg, wer hinter diesem einmaligen Verbrechen steckt, so dass eine spannende Tätersuche erst gar nicht stattfindet, wie es wohl zu Beginn des Projekts vorgesehen war, als Scorseses Leib- und Magenschauspieler DiCaprio noch als Ermittler vorgesehen war. Nachdem dieser nun die Rolle des Kriegsheimkehrers Burkhart spielt, wird das Ganze zu einer Charakterstudie über Menschen, die gar keinen Charakter haben, was auf Dauer dann eben ein wenig ermüdend ist. Dabei erklärt der Film trotz seiner Länge nie die oben beschriebenen genauen Details des Ölrechte-Hintergrunds, ebenso wenig gibt er Aufschluss darüber, weshalb die Osage-Frauen reihenweise zwielichtige weiße Männer ehelichten und weshalb dies nicht zu irgendeinem Zeitpunkt von den Osage selbst hinterfragt wurde.

Der labile Burkhart, der von seinem Onkel manipuliert wird, sowie der smarte und gerissene Rinderbaron Hale, den man gerne auch einmal „King“ nennen darf, weil er sich genauso geriert, das sind vordergründig durchaus interessante Charaktere, die von beiden Darstellern auch sehenswert dargestellt werden. Allerdings haben sie nicht die im Vorfeld immer mal wieder angedeutete Vielschichtigkeit, ihre vorgebliche Liebe und Achtung für die Osage ist nur vorgetäuscht, beide sind und bleiben schlechte Menschen, die zu ihrem eigenen Vorteil Schlechtes tun, schlicht und einfach, da hilft es auch nicht, dass sie von zwei so beliebten Heroen des Scorsese-Universums verkörpert werden, und es ist anstrengend, diesen durchgehend unsympathischen Figuren über die gesamte Länge des Films zuzusehen, dies gilt ebenso für die übrigen Weißen Halunken, die sich im Dunstkreis von Hale tummeln, die tumb und primitiv sind und demgemäß genauso handeln, wie man es von dieser Art Menschen erwartet.

Ansonsten gibt es breit angelegte pittoresken Szenen des Alltags der Osage, unterfüttert mit immer wieder eingestreuten authentischen alten Bildern, aber weitergetrieben wird die Handlung dabei nicht, so dass man irgendwann nur noch darauf hofft, dass die Verbrechen, die hier offensichtlich so lange unentdeckt geschehen sind, endlich aufgedeckt und gesühnt und die dafür Verantwortlichen ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Hierfür hat sich Scorsese dann einen recht originell gestalteten Schlussakkord ausgedacht, in dem er selbst sogar mit einstimmt, wobei es natürlich, aber das wusste man (leider) auch schon vorher, eine wahre Gerechtigkeit hier auf Erden sowieso nicht gibt.

Ein Film für Menschen mit Sitzfleisch, die Lust auf eine außergewöhnliche, in epischer Breite erzählte (wahre) Geschichte haben, für DiCaprio-Fans, die sich nicht daran stören, dass ihr Held fast durchgehend mürrisch und tumb herumläuft und DeNiro-Fans, die ihren Held vergangener Tag noch einmal mit einigem Engagement bei der Arbeit sehen wollen, und alle diejenigen, die sich zu Hause beim Serien-Gucken schon wieder langweilen und sich stattdessen einen langen Kinoabend unter Gleichgesinnten gönnen möchten.

 

 

Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Eric Roth, Martin Scorsese, b/a Buch von David Grann

Kamera: Rodrigo Prieto

Schnitt: Thelma Schoonmaker

Musik: Robbie Robertson

 

Besetzung:

Leonardo DiCaprio, Robert De Niro, Lily Gladstone, Jesse Plemons, Tantoo Cardinal, Cara Jade Myers, Jillian Dion, William Belleau, Scott Shepherd, Yancey Red Corn, Tatanka Means, Brendan Fraser, John Lithgow,

 

Apple Studios/ Paramount Pictures

USA 2023

206 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 19. Oktober 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=suOAO57pGSQ (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=EP34Yoxs3FQ (Englisch)

 

 

 

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