Was wie der Titel eines anheimelnden Märchens klingt, ist
tatsächlich ein Trip geradewegs hinab in die Hölle. Die Kiez-Kneipe auf Sankt
Pauli mit dem Namen „Zum Goldenen Handschuh" wird als Sammelbecken für
Säufer kurz vor und manchmal auch kurz nach dem Delirium tremens gezeigt, für
abgehalfterte Huren und Frauen auf der Suche nach einer vollen Flasche und
einem Schlafplatz für die Nacht, egal wie heruntergekommen und versifft. Die
Stammgäste, die sich dort treffen, tragen programmatische Namen wie
Doornkaat-Max, Soldaten-Norbert, Tampon-Günther, Nasen-Ernie, Anus, und sie
scheinen ihr Refugium nie zu verlassen, außer für die halbe Stunde, in der der
Schankraum kurz durchgeputzt wird, um danach die gewohnten Plätze wieder
einzunehmen. Deutsche Schlagermusik aus der Jukebox sorgt für den ein oder
anderen sentimentalen Moment, ansonsten herrscht schnapsgeschwängerter
Stumpfsinn.
In dieser Kneipe verkehrt auch eine weitere armselige
Gestalt, Fritz Honka, genannt Fiete, der eine schaurige Berühmtheit erlangt
hat, weil er zwischen 1970 und 1974 vier Frauen ermordet und Teile von ihnen in
seiner Wohnung einlagerte, bis man ihm schließlich zufällig auf die Spur kam,
weil in der Wohnung unter ihm ein Feuer ausbrach.
Der Stoff diente Heinz Strunk in seinem Roman „Der Goldene
Handschuh“ für eine Milieustudie, lakonisch und trocken, die nichts beschönigt,
den Serienmörder als ärmstes unter den armen Würstchen darstellt und dabei auch
die unappetitlichsten Details nicht ausspart, und diese Vorlage hat sich nun
der Regisseur Fatih Akin für seinen Film ausgesucht. Vielleicht weil es eine
Hamburger Geschichte ist, vielleicht weil er, wie er sich selbst äußerte,
einmal einen Horrorfilm machen wollte, und ein Horrorfilm ist es dann auch
geworden. Empfindliche Gemüter sollten unbedingt von einem Kinobesuch absehen,
den Hartgesottenen, die diese Warnung ignorieren, bietet sich ein von Akin
ausstattungsmäßig präzise und authentisch in Szene gesetztes Panoptikum, das in
seinen drastischen Szenen seinen Darstellern eine Menge abverlangt. Fraglich
bleibt jedoch, ob sich die Mühe gelohnt hat, denn der Film schafft es nicht,
den Zuschauer mitzunehmen, sondern lässt ihn einigermaßen ratlos und angewidert
zurück.
Der junge Schauspieler Jonas Dassler schlüpft dank einer
kompromisslosen Arbeit der Maskenbildner in die hässliche Haut des Fritz Honka,
dessen Gesicht und Gestalt durch einen schweren Unfall arg deformiert wurden,
was der Film nicht thematisiert. Trotz einer beeindruckenden Leistung Dasslers
überzeugt seine Verwandlung dennoch nicht immer, an manchen Stellen droht sein
Honka in eine bloße Karikatur des Schreckens abzugleiten. Zu keinem Zeitpunkt
wird die Frage gestellt – geschweige denn beantwortet – wie dieses Monster über
einen so langen Zeitraum völlig unbemerkt von aller Welt seine Taten begehen
konnte, wie Frauen spurlos verschwinden konnten, während sich in Honkas Wohnung
ein unerträglicher Gestank ausbreitete, den er auch mit jeder Menge
Tannenduft-Wunderbäumen nicht überdecken konnte. Sein biographischer
Hintergrund – zehn Geschwister und eine überforderte Mutter – wird während
eines Besäufnisses mit seinem kurz auftauchenden Bruder knapp angerissen, was
sonst über die Person des realen Honka bekannt ist, nimmt der Film ebenfalls
nicht auf, allein sein – letztendlich gescheiterter – Versuch, über einen neuen
Job sein Leben zu ändern, findet Eingang.
Die Faszination, sich aus sicherer Distanz einem Biotop
voller gescheiterter Existenzen zu nähern, wird in Gestalt eines Teenagerpaares
greifbar: ein junger Mann führt seine Freundin, um diese zu beeindrucken, an
den verruchten und deshalb so spannenden Ort, den der „Der Goldene Handschuh“
darstellt, abstoßend und anziehend zugleich, ohne zu ahnen, dass er sie unter
Umständen in Gefahr bringt, denn Honka sieht in der blonden jungen Frau einen
Engel, der für ihn normalerweise unerreichbar ist. Als er sich ihr auf der
Straße zu nähern versucht, macht das Feuer in seinem Haus seinem Treiben ein
Ende, denn die Feuerwehr stößt auf der Suche nach Brandnestern auf die
Leichenteile in Honkas Wohnung, was dann endlich zu seiner Verhaftung führt.
Natürlich ist es fast unmöglich, einen Menschen wie Honka
begreiflich zu machen, aber dann stellt sich die Frage, weshalb man ihn
überhaupt zur Hauptperson eines Films macht. Da der künstlerische Ansatz, die
dunkelsten Seiten der menschlichen Natur zu beleuchten im Gegensatz zum Buch im
Film nicht überzeugt, muss sich Fatih Akin den Vorwurf gefallen lassen,
lediglich die niederen und voyeuristischen Gelüste seines Publikums anzusprechen.
Regie: Fatih
Akin
Drehbuch:
Fatih Akin, b/a Roman von Heinz Strunk
Szenenbild:
Tamo Kunz
Bildgestaltung:
Rainer Klausmann
Schnitt:
Andrew Bird, Franziska Schmidt-Kärner
Maske: Maike
Heinlein, Daniel Schröder, Lisa Edelmann
Musik: FM
Einheit
Darsteller:
Jonas Dassler,
Margarethe Tiesel, Katja Studt, Marc Hosemann, Tristan Göbel, Uwe Rohde, Hark
Bohm Victoria Trauttmansdorff, Adam Bousdoukos, Jessica Kismalla, Marina
Eitner-Acheampong, Barbara Krabbe
Warner Bros. Pictures
Bombero International
Warner Bros.Film
Productions Germany und Pathé
FSK: Keine
Jugendfreigabe
110 min.
Deutscher Kinostart:
21. Februar 2019
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