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Donnerstag, 2. Dezember 2021

Im Kino: Benedetta

Im Italien des 17. Jahrhunderts wird die neunjährige Benedetta von ihren Eltern ins Kloster gegeben. Jahre später entwickelt die erwachsene Benedetta (Virginie Efira) Jesus-Visionen und weist entsprechenden Stigmata auf. Die Äbtissin Felicita (Charlotte Rampling) ist skeptisch und als sie eine verbotene Beziehung von Benedetta und der jungen Nonne Bartolomea (Daphné Patakira) entdeckt, informiert sie den päpstlichen Nuntius (Lambert Wilson), der prüfen soll, ob es sich bei Benedetta um eine Heilige oder um eine Betrügerin handelt. Dann zieht die Pest durch Norditalien…

Sex und Gewalt sind in den Filmen des Niederländers Verhoeven nichts Ungewöhnliches. Wenn er sich, wie hier, als Schauplatz seines Films ein Frauenkloster aussucht und dort eine lesbische Beziehung zweier Nonnen zeigt, so könnte man dies als allzu offensichtliche Sabber-Fantasie eines alten Mannes abtun. Aber der Film beruht auf einer Vorlage, die diese Ereignisse als tatsächlich geschehen erzählt, bleibt die Frage, weshalb Verhoeven sich gerade diese Geschichte ausgesucht hat.

Die Sexszenen im Kloster sind natürlich anzüglich und bedienen durchaus einen gewissen Voyeurismus, aber dass sie dennoch nicht bloß plakativ daherkommen liegt daran, dass dahinter auch eine tatsächliche Liebesgeschichte steht, die von den beiden – natürlich – schön anzusehenden Protagonistinnen durchaus lustvoll zelebriert wird. Widerlich wird es erst, wenn die Mächtigen, in dem Fall die Mächtigen der Kirche, sich der Frauen annehmen, um Benedetta vordergründig als Betrügerin zu entlarven, die ihre Visionen und Stigmata nur vortäuscht. Dabei sind alle Mittel recht, angefangen von eigens für weibliche Delinquenten entworfenen Folterinstrumenten, bis hin zum beliebten finalen Scheiterhaufen, auf dem jede und jeder bei lebendigem Leib verbrannt wird, dem man mit anderen Mitteln nicht beikommen kann. Dabei geht Verhoeven durchaus respektvoll mit Religiosität und dem Glauben an sich um, prangert aber scharf die kirchlichen Praktiken an, ob es sich um das „Eintrittsgeld" handelt, das Benedettas Vater für die Aufnahme seiner Tochter in das Kloster entrichten muss, seine fortlaufenden Zahlungen, oder die männlichen Machspiele der Kirchenoberen in Gestalt des Nuntius, dem eine von ihm schwangere Geliebte zu Diensten ist, während nach außen sexuelle Enthaltsamkeit und Keuschheit gepredigt wird.

Zwiespältig und damit interessant bleibt die Frage, ob Benedetta wirklich eine Betrügerin ist, wofür es durchaus Zeichen gibt, oder ob sie sich vielleicht nur durch eine übersteigerte Sensibilität in eine Gewühlswelt hineingesteigert hat, aus der es später kein Entkommen mehr gibt. Und ein Wunder hat sie am Ende vielleicht tatsächlich noch bewirkt…

Ein Film, der seine spannende Geschichte in teils schönen, aber dann auch wieder durchaus drastischen Bildern erzählt, der die Kirche und ihre Machenschaften anprangert, ohne dabei antireligiös zu sein, und sich ein Stück weit auch die Freiheit der Frauen damals wie heute auf seine Fahnen geschrieben hat.

 

 

Regie: Paul Verhoeven

Drehbuch: David Birke, Paul Verhoeven, b/a Buch von Judith C. Brown „Schändliche Leidenschaften“

Kamera: Jeanne Lapoirie

Schnitt: Job ter Burg

Musik: Anne Dudley

 

Besetzung:

Virginie Efira, Charlotte Rampling, Daphné Patakia, Lambert Wilson

 

Capelight Pictures

F 2021

131 min.

FSK 18

Deutscher Kinostart: 02. Dezember 2021

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=y0O9QfUOkOY (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=n-31QJXV3iA (Französisch)

 

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