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Donnerstag, 31. März 2022

Im Kino: Das Ereignis ((L'événement)

Frankreich 1963: Die Literaturstudentin Anne (Anamaria Vartolomei) ist eine der Besten ihres Jahrgangs und hat eine vielversprechende Zukunft vor sich, aber während der Vorbereitung auf ihr Examen wird sie schwanger. Damit droht sie alles zu verlieren, denn mit Kind wäre ihr Studium beendet und ein Schwangerschaftsabbruch wird in diesen Zeiten mit Gefängnis für die betroffene Frau sowie jeden, der ihr hilft, bestraft. Allein auf sich gestellt versucht sie verzweifelt, eine Lösung zu finden…

Der Film beginnt verhalten, während er die Protagonistin bei ihren Studien und Freizeitaktivitäten begleitet, dann aber führt er Schritt für Schritt tiefer in den Abgrund von Annes Dilemma. Der unbedachte Satz, den ein Arzt ihr gegenüber äußert, dass nämlich der Sohn eines Freundes ebenfalls Literatur studiere und eine glänzende Zukunft vor sich habe, macht die ganze Ungerechtigkeit deutlich, denn Annes Karriere ist bei Austragung des Kindes selbstverständlich beendet, aber hieran etwas zu ändern, ist den Ärzten zu dieser Zeit bei Strafe verboten.

Als Annes Schwangerschaft, in der der Vater des Ungeborenen ebenfalls keine Hilfe ist, immer weiter fortschreitet und ihre Lage immer verzweifelter wird, ist ihr Leiden fast körperlich spürbar, bis hin zum brutalen Höhepunkt, der sie von diesen Leiden erlösen soll, an dieser Stelle ist der Film nichts für schwache Nerven. Das darf er aber auch nicht sein, denn angesichts der weltweiten Tendenz, legale Abtreibungen für Frauen wieder möglichst zu erschweren bzw. unmöglich zu machen – siehe die neuen Abtreibungsregelungen in Teilen der USA sowie den hiesigen Streit um die Abschaffung des § 219a, der die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt – zeigt „Das Ereignis“ auf eindringliche Weise, was passiert, wenn es keine legale Möglichkeit für eine Abtreibung gibt. Das Problem ist natürlich seit Urzeiten bekannt, um so skandalöser ist es, wenn die Uhren diesbezüglich wieder zurückgestellt werden und für Frauen der Weg zur "Engelmacherin“ – die ihren Namen in jeder Hinsicht zu Recht trägt – die einzige Option ist.

Die Ereignisse mögen vor sechzig Jahren spielen, die Romanvorlage erschien vor zwanzig Jahren, aber die Aktualität für die Frauen dieser Welt ist erschreckend, und dies macht der Film – Gewinner des Goldenen Löwen in Venedig 2021 – auch dank der beeindruckenden Darstellung von Anamaria Vartolomei mehr als deutlich.

 


 Regie: Audrey Diwan

Drehbuch: Marcia Romano, Audrey Diwan, Alice Girard, b/a dem Roman von Annie Ernaux

Kamera: Laurent Tangy

Schnitt: Géraldine Mangenot

Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine

 

Besetzung:

Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Luàna Bajrami, Louise Orry-Diqueró, Louise Chevillotte, Pio Marmai, Sandrine Bonnaire,

 

Wild Bunch/ Prokino Filmverleih

FRK 2021

100 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart:

 

Trailer: https://www.imdb.com/video/vi2323366681/?ref_=tt_vi_i_1

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