Irland in den 1920ger Jahren: Auf dem Festland herrscht Bürgerkrieg, um die Unabhängigkeit vom britischen Mutterland zu erkämpfen, aber davon ist auf der vorgelagerten Insel Inisherin (mit Betonung auf dem e…) nichts zu merken, hier geht das Leben seinen ruhigen Gang. Mittelpunkt der Gemeinschaft ist der örtliche Pub, und dort hängen normalerweise auch die Freunde Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell) und Colm Doherty (Brendan Gleeson) ab, bis Colm sich eines Tages weigert, auch nur ein weiteres Wort mit Pádraic zu wechseln, einfach weil dieser ihn so maßlos anödet. Um zu zeigen, wie ernst es ihm damit ist, kündigt er eine drastische und verstörende Maßnahme an…
Das Leben auf dem Lande erscheint oft als paradiesische Idylle, in der die Menschen noch Zeit füreinander haben und sich in harmonischer Gemeinschaft miteinander austauschen. Es kann aber auch ganz schön öde sein, und man muss mit dem „Material“ zurechtkommen, das da ist. Sobald das nicht mehr genügt, gibt es nicht viele Möglichkeiten, etwas zu ändern, eine davon wählt Pádraics Schwester Siobhán, als sie die Insel verlässt. Die innere Emigration, die Colm vorschwebt, funktioniert dagegen nicht so, weil man sich auf begrenztem Terrain unweigerlich immer wieder begegnet.
Martin McDonagh hat aus diesem Dilemma einen anrührend eindringlichen Film gemacht, bei der Menschen und Landschaft in ihrer Beschränktheit gleichermaßen anziehend und abstoßend zugleich wirken. Den Film als Komödie einzuordnen fällt daher schwer, zumal die Figuren dafür auch nicht wirklich skurril genug sind, wenngleich es komische Momente gibt. Es überwiegt eher das Gefühl einer tiefen Tragik, eines Tages zu erkennen, dass man mit seinem Leben und seiner Zeit bisher nicht das Richtige getan hat und vielleicht nicht mehr lange genug bleibt, um dies zu ändern. Ist es besser, seine Zeit mit langweiligen Menschen in nichtssagenden Gesprächen zu verschwenden, als allein zu sein? Ist man selbst denn so viel interessanter als Gesprächspartner, oder steckt darin nicht auch eine gewisse Überheblichkeit?
Was der Film schließlich auch noch eindrücklich vor Augen führt, ist, wie schnell eine scheinbare Idylle gesprengt werden kann, wie rasch aus zuvor friedlichen Menschen und Nachbarn plötzlich unnachgiebige Feinde werden können, vor denen es kein Entkommen gibt. Wie aus Freundschaft am Ende Hass wird, ohne dass es eines wirklich gravierenden Anlasses bedarf, das ist erschreckend und da bleibt das hin und wieder aufkommende Lachen endgültig im Halse stecken.
Eindringlich inszeniert lebt der Film von seinen Darstellern, die allesamt hervorragend besetzt sind, aber es ist vor allem Colin Farrell, der die Schlichtheit seiner Figur und deren inneren Kämpfe ohne sichtbare oder exaltierte Schauspielarbeit und vor allem ohne Hilfe von MaskenbildnerInnen verkörpert, Mimik, Gestik und Stimme genügen manchmal auch, um eine große Schauspielleistung zu vollbringen!
Ein eigenwilliges, aber sehenswertes Werk über die Dämonen in jedem/r von uns, für alle, die es etwas ruhiger mögen, wobei es durchaus einige drastische Szenen gibt, die nichts für zarte Gemüter sind. Empfehlenswert wäre es, den Film in der Originalfassung – dann aber unbedingt mit Untertiteln – zu genießen, um den besonderen Charakter des Films noch besser erleben zu können, wobei hier nicht beurteilt werden kann, wie gut die deutsche Fassung geworden ist.
Regie: Martin McDonagh
Drehbuch: Martin McDonagh
Kamera: Ben Davis
Schnitt: Mikkel E.G. Nielsen
Musik: Carter Burwell
Besetzung:
Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan, Pat Shortt,
Searchlight Pictures/ Walt Disney/ 20th Century Studios
2022
109 min.
FSK 16
Deutscher Kinostart: 05. Januar 2023
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=GQBpvw8FMes (Deutsch)
https://www.youtube.com/watch?v=9-R9u2UD3FU (Englisch)
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