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Dienstag, 25. April 2023

Im Kino: The Whale

Charlie (Brendan Fraser) hat sich aus Kummer über eine verlorene Liebe so viel Fett angefressen, dass er praktisch nicht mehr in der Lage ist, sein Apartments zu verlassen. Seinen Job als Literaturdozent übt er online aus, allerdings mit ausgeschalteter Webcam, Pizza wird ihm an die Tür geliefert und eine befreundete Krankenschwester (Hong Chau) kümmert sich um ihn. Ihre täglichen Warnungen, dass seine körperliche Verfassung ihn in ein frühes Grab bringen wird, ignoriert er. Da tauchen plötzlich verschiedene Besucher bei ihm auf, ein junger Mann mit evangelikalem Missionseifer (Ty Simpkins), seine entfremdete 17-jährige Tochter Ellie (Sadie Sink) sowie Ex-Frau Mary (Samantha Morton), die ihn scheinbar zurück ins Leben holen, aber reicht das, um ihn zu retten?

Vorlage für den Film ist ein Theaterstück und allzu theaterhaft entwickelt sich dann auch die Handlung. Personen treten nacheinander auf und wieder ab, und alle haben ein Problem, das in langen Gesprächen jeweils an die Oberfläche gebracht wird, wobei die Hauptperson mit ihrem schwergewichtigen Problem immer im Zentrum bleibt. Eine gescheiterte Ehe und eine unerfüllte Liebschaft liegen hinter dem Protagonisten Charlie, dies allein schien nicht genug Potential zu haben, daher musste letztere auch noch eine gleichgeschlechtliche sein, ohne dass dieser Aspekt für die Handlung tatsächlich entscheidend wäre.

Der doppeldeutige Titel des Films, der zunächst Assoziationen zu Charlies Leibesfülle weckt, bezieht sich auf Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ und einen Essay darüber, aus dem immer wieder zitiert wird und dessen Autor erst am Ende endgültig klar wird. Dazwischen leidet Charlie an sich und seiner Leibesfülle und den damit verbundenen Schwierigkeiten, immer einen Atemzug vom Herzinfarkt oder einem fatalen Sturz entfernt, und lässt uns dabei fast körperlich mitleiden.

Brendan Fraser ist es zu verdanken, dass die peinlichsten Momente immer wieder aufgefangen werden und der stellenweise arg anstrengende Film einigermaßen erträglich bleibt. Er spielt seine Figur ergreifend und mit Würde und sorgt sogar für einige humoristische Elemente in dem ansonsten über weite Strecken zermürbenden Werk. Seine Leistung wurde sicher zu Recht mit einem Oscar belohnt, allerdings im Zusammenspiel mit der Abteilung „Maske“, die hier gleichermaßen Schwerstarbeit geleistet hat und verdientermaßen ebenfalls ausgezeichnet wurde.

Wer ergreifende Dramen mag, wird hier voll auf seine oder ihre Kosten kommen, allerdings bleibt am Ende die Frage, ob die Dramatik auch auf anderem Weg, z.B. mit einem anderen Problem oder einer anderen tödlichen Erkrankung hätte erreicht werden können, oder ob nicht doch letztlich der voyeuristische Aspekt um die unheimliche Leibesfülle eines Menschen zu dramaturgischen Zwecken missbraucht wird.

 


Regie: Darren Aronofsky

Drehbuch: Samuel D. Hunter, b/a seinem Theaterstück

Kamera: Matthew Libatique

Schnitt: Andrew Weisblum

Musik: Rob Simonsen

 

Besetzung:

Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, Hong Chau, Samantha Morton, Sathia Sridharan

 

A24/ Protozoa Pictures

2022

117 min.

FSK 12

Deutscher Kinostart: 27. April 2023

 

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=2MJt4IkKElM (Deutsch)

https://www.youtube.com/watch?v=nWiQodhMvz4 (Englisch)

 

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